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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 1.1885-1886

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Pecht, Friedrich: Über die Nachahmung in den bildenden Künsten
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https://doi.org/10.11588/diglit.9416#0177

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^zq. über die Nachahmung in den bildenden Aünsten. von Friedrich pecht
verhindern und sie auf das landläufige Mittelmaß des eben herrschenden Geschmacks herabdrücken müssen,
sind die Akademien eine Jnstitution von ziemlich zweifelhaftem Werte, gut und nützlich für die Ausbildung der
so häusigen aber nicht eigentlich schöpferischen Talente, absolut schädlich für das Genie. Das erklärt denn
auch, weshalb wir das letztere in beständigem Kampfe oder doch Gegensatze zu diesen Anstalten sich entwickeln
sehen, die nacheinander einen Carstens, Cornelius, Overbeck, wie Feuerbach, Makart, Achenbach, Schleich,
Böcklin vertrieben haben, ja sie ihrer innersten Natur nach ausstoßen mnßten, in Frankreich genau wie bei
uns. — Denn die Akademie lehrt das, was man schon errungen hat, also ein Vergangenes, während das Genie
eine neue Welt im Busen trägt.
Es frägt sich nun, in welcher Periode befinden wir Deutsche uns jetzt? Jn einer auf- oder absteigenden,
in einer, die Kraft genug zur Umbildung des ihr von außen zukommenden und durch die erleichterten Verbind-
ungen, die Weltausstellungen rc. immer massenhafter zugeführten Materials von Kunstformen besitzt, oder in einer
solchen, wo der Nachahmungstrieb dermaßen die ursprüngliche Zeugungskrast überwiegt, daß wir bereits wieder
aufhören selbständig sein zn wollen? Die Nachahmung des Fremden zum Prinzip erhoben wir das ganze vorige
Jahrhundert hindurch, wo wir zuletzt nicht nur die Kunst, sondern anch die Künstler vom Ausland bezogen und
Deutschland von französischen und italienischen Architekten, Bildhauern und Malern wimmelte. Zieht man in
Betracht, daß wir in unserem Jahrhundert einen Semper, Schmidt, Ferstel, Neureuther, Lucae, Hasenauer, Wallot
in der Baukunst, einen Rauch, Rietschel, Hähnel, Schilling, Kundmann, Zumbusch, Siemering, Encke, Schaper,
Begas in der Bildhauerei, einen Cornelius, Führich, Schwind, Als. Rethel, Ludwig Richter, Rottman, Menzel,
Knaus, Achenbach, Piloty, Makart, Defregger, Feuerbach, Passini, Jansfen, v. Werner in der Malerei erzeugt
haben, alles Künstler, deren vollkommene Selbständigkeit ebenso außer Zweifel steht, als ihr spez ifisch nationaler
Charakter, so wäre damit die Frage, ob wir im Stande gewesen, jeine eigenartige, durchrus selbständige nationale
Knnst zu erzeugen, ausreichend beantwortet. Ebensowenig kann man sich aber auch einer Täuschung darüber
hingeben, daß in neuerer Zeit die unverständige Nachahmung fremder Muster gerade unter den jüngerech Künstlern
in bedenklichem Grade zunimmt, ohne daß sie allsmal die Kraft zeigten, diese Vorbilder so selbständig umznge-
stalten, als dies z. B. Uhde thut.
Wenn ein junger Künstler aber ducchaus das Bedürfnis der Anlehnung an andere, an einen Wegzeiger
fühlt, so thut er unter allen Umständen besser, sich bei chen Alten, checen Wert durch Jahrhunderte erprobt ist
Rat und Vorbild zn holen, statt bei den Neueren, nnd Neuesten, die voraussichtlich schon morgen vergessen sein
werden. Man braucht in München nur Piloty, Lenbach, Makart, Spitzweg, Voltz, Schönleber, Diez, Löfftz,
Kaulbach, Klaus Meyer, E. Zimmermann zu nennen, um das Vorteilhafte dieses Weges vollkommen über
allen Zweifel zu erheben. Dasselbe besteht vor allem darin, daß jene alten durch die Zeit mit einem geheim-
nisvollen Schleier umgeben worden sind, der den, welcher sie benützen will, regelmäßig zur Selbstthätigkeit zwingt,
da ihre Technik fast immer sehr schwer zu erraten ist, und ihre Art zu arbeiten von der unseren sehr ver-
schieden war.
Das ist gerade der Hauptvorteil der sonst an Talenten ersten Ranges gegenwärtig auffallend armen
Franzosen, daß sie sich gar nicht um andere kümmern, in Beziehung auf die Zeitgenossen in der vollständigsten
Jsolierung verharren und nur bei den Alten in die Schule gehen, oder bei der Natur. Das sichert ihnen als
Schule immsr eine Igewisse Originalität, wie selten jdieselbe auch bei den einzelnen Jndividuen zu finden sei.
Wenn man aber in trostloser Unselbständigkeit immer nach Paris gehen zu müssen meint, wie so viele junge
Dsutsche, so ist nichts gewisser, als daß man Gefahr läuft, das noch völlig einzubüßen, was man von eigen-
artiger Empfindung oder Naturanschauung etwa besitzt.
Die nächste Bsrliner Ausstelluug wird uns nun bald Aufschlnß darüber geben, ob wir bereits auch in
der Kunst wieder dieselbe Erschlaffung des nationalen Geistes zeigen, durch die wir im öffentlichen Leben augen-
blicklich ein so wenig erbauliches Schauspiel darbieten.


Ans paul Lbiimaniis Skizzenbiich
 
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