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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 1.1885-1886

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Fitger, Arthur: Aus meinem Leben, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.9416#0181

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von Arthur chitger.

isr

>venir ich auS dem Traumleben der sieben Hügel niich
kräftig ins Rauschen der Zeit, ins RoÜen der Begebenheit
stürzte. Jn diesem Sinne beeinflußten mich namentlich die
Briefe eines Bruders meiner Mutter, des Generals Plate,
der seit kurzem als Großherzogl. Oldenburgischer Miuister-
resident in Wien lebte, um am kaiserlichen Hofe die Olden-
burgischen Erbansprüche aufSchleswig-Holstein zu poussieren,
eine Danaidenarbeit, wie er mir versicherte. Mein Onkel
hatte mir schon von Zeit zu Zeit einen herzerfreuenden
Geldzuschuß nach Rom gesendet und lud mich nunmehr
ein, den Winter bei ihm in Wien zuzubringen, nm dort
mit eigenen Augeu zu sehen, was modernes Leben sei und
mich in modernen Verhältnissen zurecht zu finden. Bei
welchem Abschiede von Rom bliebe nicht ein Stück des
Herzens hängen? Allen Herrlichkeiten nach uud nach einzeln
?lde sagen — das ist, als ob man aus der Welt gehen
sollte. Mein Scheiden wurde aber speziell noch erschwert
— oder erleichtert? — durch eine abenteuerliche Liebes-
angelegenheit, die sich in ihrem Verlaufe trotz aller Süßigkeit
immer unhaltbarer erwies. Jndessen das sind Tinge. über
die man nicht in Prosa, sondern nur sud rosa in der
Musen stillem Hain beichtet. Genug: eines Morgens
vor Tage saß ich auf der Eisenbahn nach Civita
vecchia und fuhr don dort mit der Post nach Orbetello
weiter. Es war ein heißer, staubiger Tag; ich saß zum
Glück hoch oben aus dem Wagen und zu mir hinaus schwang
stch noch ein hübsches Mädel, welches die Mntter sorgsam
unten beigepackt hatte und sichs auf dieser luftigen Höhe

wohl sein ließ; sie war eine klcine Tünzerin vom San
Carto-Thcater und hofste aus Engagcment in Florenz.
Mir, als poetisch angehauchtem Teutschen, klang bei diescr
Fahrt immer Uhlands Vers in den Ohren:
Und halten wir uns umschlungen
Auf frelen BergeShöh'n;
Wir schau'n in die weiten Lande
tlnd werden doch nicht geseh'n.
Auf meiner Heimreise sah ich zuerst Venedig. Tiese Zauber-
stadt riß mich zu einer Anbetung dahin, wie weder Florenz
noch Neapel vermocht hatten. Hier den Winter zu ver-
weilen, wäre meiu höchster Wunsch gewesen; aber alle Ver-
abredungeu waren bündig und unwiderruflich, und als ich
von der öden Höhe des Karst auf das Meer hinunter sah,
das in goldener Abenddämmerung noch einmal von fern
herüber glünzte, da fühlte ich, daß das schönste Kapitel
meines Lebens abgeschlossen sei.
Bei einem Künstler, der zwei Jahre in Rom gewesen,
erwartet jedermaun eiuen gewissen Grad von Reise; ist
er auch noch nicht in voller Ernte begriffen, so soll cr doch
wenigstens an ein paar Früchten zeige», was für eine Art
Baum er ist. Diese nicht ganz unberechtigten Ansprüche
erhub mehr oder mindcr deutlich ansgesprochen mein Onkel,
dessen Gast ich nunmehr in Wien geworden, auch au mich,
und ich glaubte vor Scham vergehen zu müssen, als mein
Baum noch immer nicht anch uur halbwegs genießbare
Früchte gezeitigt hatte. (Fortsetznng folgt.)





Aus Arthnr ffitgers Skizzenbuch
 
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