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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 1.1885-1886

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Pecht, Friedrich: Bernhard v. Neher: geb. 16. Jan. 1806 in Biberach, gest. 17. Jan. 1886 in Stuttgart
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https://doi.org/10.11588/diglit.9416#0197

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150 Bcrnkard v. Ileker
wo Cornelius der Schule vorstaud, möglich war. Diesem schloß er sich indes mit Jubel an, als er 1885 die
Leitung der Austalt übcruahm und malte nuu, vom Meister bald ausgezeichnet, als Erstlingsbild eiue Wieder-
erkennung Josephs mit seineu Brüderu, daun eiuen, seiuen gefallenen Sohn Ulrich betrauernden Eberhard von
Württemberg und ging hieranf nach fünfjährigem Aufenthalt in der Jsarstadt mit Staatsunterstützung nach
Rom. Dort entzückte ihn Raphael so, daß ihm alles Andere daneben verschwand nnd er denn anch der Leit-
stern seines Lebens geblieben ist. Täglich mit Ovcrbeck, Veit, Führich und Genelli verkehrend und sich in ihre
Anschaunngen einlebend, malte cr jetzt znerst die Erwecknng des Jünglings zu Nain. Nicht ohne Angesichts
der harmonischen Ansbildung der Alten beständig die tiefe Lücke zu empsinden, die ihm in München der völlige
Mangel jedes Unterrichts im Malen gelassen. Das fertige Bild ward indes von dem gerade in Rom an-
wesenden Cornelius sehr geschätzt und trug ihm auch die nene Bestellung eines Abrahams mit den Engeln ein.
Beide zieren noch die Stnttgarter Galerie. Nach vierjährigem Aufenthalt kehrte er 1832 nach München znrück,
wo er bald darauf den Auftrag zn dem kolossalen Jsarthorgemälde durch Cornelius Vermittlung erhielt. —
Man wird das den Einzug Kaiser Ludwig des Bayern nach dem Siege bei Ampsing durch dasselbe Thor dar-
stellende Freskobild selbst hente noch, wo es leider dnrch eine schlechte Kopie ersetzt ist, nicht ohne Jnteresse
betrachten, obwohl seine an den Parthenon-Fries erinnernde Kompositionsweise dem hentigen realistischen Ge-
fchmack kaum mehr entspricht. Tamals erregte es aber, als die unzweifelhaft bestgemalte Freske, die der Schule
bis dahin gelungen, einen Sturm von Entzücken, als es im Herbst 1835 aufgedeckt ward. Waren es doch
Prächtig gesund aufgefaßte Landsleute,
dieman endlich statt gespreizter griechischer
Helden zn sehen bekam! Dem Künstler
aber trng das Bild eine Bernfung nach
Weimar znr Verzierung zweier Säle in
der dortigen Residenz mit Bildern zn
Schillers und Goethes Dichtnngen ein.
Als er im Frühjahr 1836 dahin abging,
dachte er wohl nicht, daß er fortan ein
volles halbes JahrhnNdert ganz allein,
fast ohne allen künstlerischen Verkehr
werde arbeiten müssen. Aber während
dies jedes schwächere Talent nnzwcifel-
haft hätte schädigen müssen, ist es dem
seinigen genau wie dem des ihm be-
frenndeten Preller ganz gnt bekommen.
Ja die Jsolierung hat bci beiden die
Originalität crst recht herausgebildet,
da sie dieselben zwang, ihreErinnerungen
an die klassischen Kunstwerke ganz sclb-
ständig zu verarbeiten nnd ihnen dadurch
das Erdrückende benahm, was ihr täg-
licher Anblick sast immer hat. Neher begann seine Arbeit mit dem Fiesko nnd Don Carlos, für die es glücklicher-
weise ohnehin keine Vorbilder gab, die man hätte nachahmcn können. Denn das ist einer der merkwürdigsten
Charakterzüge der unzweifelhaft originellsten Nation, die es giebt: daß ihre Künstler nachahmen, so lange es
nur irgend geht und sich erst dann cntschließen, zur großen Lehrmeisterin aller Kunst, der Natur zurückzukehren,
wenn ihnen gar keine andere Wahl mehr bleibt. Wer möchte auch gerne querfeldein der Nase nachlaufen, so
lange es links und rechts gebahnte Straßen, ja sogar höchst ausgefahrene Wege giebt!
Daß die scharfe Charakteristik bestimmter historischer Figuren indes weit weniger Nehers Sache sei, als
die Flucht ins heitere Reich der Phantasie nnd Mythe, das zeigen anch die beiden Säle, die er im Lanfe von
. zehn Jahren mit mindestens 70 großen nnd kleinen Bildern schmückte. Während der Arbeit gelang ihm
anch die Erwerbung ciner schönen Weimaranerin, die das Glück seines Lebens begründete in eincr fast fünfzig-
jährigen Ehe. So in vollkommener Harmonie mit sich nnd der Welt, bildete er fich denn auch seinen eigenen
Stil aus, der durch Schwung und rythmischen Wohllaut in allen idealen Gegenständen nnvergleichlich an-
ziehend wirkt. Vorab im „Lied von der Glocke", dann im Goethesaale bei den Pilasterfüllungen, die er mir
Äompositionen zu „Promethens", „Wanderers Sturmlied", „Meine Gattin" und „Ganymed" zierte. Ob der
Schönheit ihrer Komposition und Zeichnnng kann man sie unbedingt klassisch nennen, schon darum, weil fie den
Formenzauber der Goetheschen Gedichte mit ihrer naiven Anmut und Natürlichkeit durchaus vereinigen.
Diese Arbeiten erregten trotz ihrer Ausführung in dem kleinen Weimar doch so viel Aufsehen in ganz
Deutschland, daß Neher fchon 1841 einen Rnf als Direktor der Knnstschnle nach Leipzig erhielt, wo er nnn


Die klugen nnd thörichtrn Iungfraurn. von B. v. Nek er
 
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