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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 1.1885-1886

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Pecht, Friedrich: Bernhard v. Neher: geb. 16. Jan. 1806 in Biberach, gest. 17. Jan. 1886 in Stuttgart
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https://doi.org/10.11588/diglit.9416#0199

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!?0II Fr. pecht



st'ineil Wvhiisitz aiisschliit, Iind Iinr den Somiiier III Weimar an seiiieii Aresken malend znbrachte. Jm Früh-
jahr 1846 erfolgte daim die Beriisimg nach Stuttgart als Direklor der dortigen Kiiiistschule, wo er im Ganzen
sehr segensreich gewirkt hat, ein wie dürrer Boden für alle Kunstbestrebiiiigen dic schwäbische Residenz auch
noch lange blieb. Denn von dem gewaltigen agitatorischen Talent, ivelches eineni Cornelius oder Richard
Wagner die großen Erfolge erst ermöglichte, besaß der am liebsten sich still in seine ideale Welt einspinnende
Neher nichts, seine vornehme Natur vermochte sich in der ihre eigenen Größen niemals dnrch Zärtlichkeit ver-
ivöhiienden Heimat nicht Platz zn machen oder die damalige schnöde Kälte derselben gegen alle bildende Kunst
zu überwinden! Seine Harmlosigkeit verhinderte es indes wenigstens, daß er nicht gleich Schubart, Schiller,
Schelling, Vischer oder Strauß bald vertrieben ward! Wenn er auch nicht wie Wächter und Schick verkümmerte,
sv lag das lediglich daran, daß man ihm gleich nach seiner Anknnft die Anfertigiing der Kartons zn sieben
riesigen Chorsenstern der Stiftskirche übertragen hatte, die mit Glasgemälden verziert werden sollte. Jhre
Herstelliing ward nun die Haiiptaufgabe seines Lebens, der er einen nnvergleichlichen Reiz zu sichern verstanden

Waria und Wagdalena. von B. v. Beber
Gemüt zurückläßt, wie dieses mit seiner Überfülle herrlicher beseligender Gestalten.
Neher hat außer dieser großen Arbeit, an der er bis zum 78. Jahr mit sast ungeschwächter Kraft
sorlarbeitete, noch eine ziemliche Anzahl Ölbilder und sonstige Arbeiten gemacht, die, wenn sie auch den Wert
seiner Kartons nicht erreichen, da er einmal mehr Zeichner als Kolorist war, doch immer durch das schöne
Stilgesühl erfreuen. So eine Krenzabnahme, zu der wir eine Studie bringen, u. a. m.
Auch als Lehrer hat er wohlthätig gewirkt, und aus seiner Schule sind eine ganze Anzahl tüchtiger
Künstler hervorgegangen, wie Grünenwald, Häberlin, Keller, Braith, Zügel, Th. Her u. a., die alle mit großer
Liebe an dem durch seine Milde und seinen sonstigen edeln Charakter überall beliebten Meister hingen, der das
merkwürdigste Beispiel abgiebt, wie ein großes Talent sich gerade in der Jsolierung zu ungewöhnlicher Eigen-
art ausbilden kann.
Weniger machtvoll und überwältigend als Cornelius, nicht so tief als. Overbeck, oder so energisch
deutsch als Führich, zieht Neher gleich den alten schwäbischen Malern vor allem durch die Anmut, den Schön-
heitssinn und die Harmonie, das edle Maß seiner Werke an. Hier ist er wahrlich nicht vergebens bei Raphael
in die Schule gegangen, von dem er gewisse Seiten glücklicher ins Deutsche übersetzt, als irgend ein Anderer.
Ir. Prchk.

hat, da hier bei diesen Koinpositionen der ganze
Mensch mit all seiner tiefen Religiosität, dem hohen
Schönheitssinn, Stilgefühl nnd reinen Geschmack gleich
sehr in Ansprnch genommen ward. Jch wüßte denn
auch nicht, daß die moderne Zeit irgendwo etwas
gleich wertvolles in Kompositionen für Glasgemälde
geleistet hütte. Der Karton zu einem dieser Fenster
ließ mich 1867 aus der Weltausstellung zu Paris,
wo er niit den Hauptwerken des eben verstorbenen
Jngres zu sehen war, urteilen: „Sieht man diese
Kompositionen von Petri Befreiung, Ausgießung
des heiligen Geistes und Pauli Bekehrnng, so niuß
mau doch sagen, daß die Jugres'schen dieser Gattuug
keinen Bergleich mit denselben in Bezug auf reinen
Geschmack und Erfindungskraft, vor alleni aber
anf richtiges Gefühl aiishaltcn." Die drei diesem
vorhergehenden Fenster hatten die Hauptmomente
des göttlichen Erlösungswerkes in vielen einzelnen
Zzenen dargestellt, die drei folgendcn gaben herrlich
großartig das „jüngste Gericht", „den König David",
nmgeben von einem Engelchor, die „Anbetnng dcs
Lainmes" im nenen Jerusalem, aus der Offenbarnng
Johannes, wie sie nnser Bild bringt, samt den
klugen und thörichten Jungfrauen darüber. Jn der
nntenstehenden zum Lamme wallenden Schaar von
Heiligen sind verschiedene christliche Tugenden dar-
gestellt. Das kann man wohl sagen, daß kein
anderes Werk niodern-religiöser Kunst einen er-
hebenderen und wohlthuenderen Eindruck auf unser
 
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