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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 1.1885-1886

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Pecht, Friedrich: Unsere Bilder, [5]
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https://doi.org/10.11588/diglit.9416#0207

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Uuscrc Liilder. vou F'riedrich jdechr

Sage aus der Kaufbeurer Geschichte, die eiuige Ähnlichkeit
mit jener der Hussiteu vor Naumburg hat, da auch hier
der belagernde Feldherr die Stadt auf Fürbitte der ihm
vorgeführten Kleineu und unter Vortritt der „Vaterlauds-
liebe" verschont, wobei ihn wiederum „Großmut uud
Güte" leiten, die deshalb hinter ihm stehen. Daß hier
die Handlung im dreißigjährigen Krieg spielt uud der
Feldherr nicht näher bekannt ist, das nimmt der aller-
liebsten Sage gewiß nichts von ihrem Wert. Kvstlich aber
ist der Humor, mit dem diese Kinderschar in ihrer Angst
geschildert wird, von dem vordersten ganz allgüuischen Tick-
kopf bis zu den sich in den Kleidfalten der „Wohlthätig-
keit" verbergendeu Müdchen oder dem über die Treppe

^ Ö7
dieser Hauptforderung. Gerade sie ift es aber, welche
die Berücksichtigung, ja entschiedene Betonung der Na-
tionalität so unumgänglich notwendig macht, da ein
schwübischer Held, eine deutsche Tugend nicht nur ganz
anders aussehen, sondern sich auch wesentlich anders
üußern als griechische oder römische, ja selbst modern
italieuische oder französische dies zu thun pflegen. Man
braucht sich uur eineu Garibaldi neben einem Bismarck
oder Napoleon zu deuken, um darüber sofort ins Klare zu
kommen. Wührend Bismarck sowenig als Friedrich der
Grvße vhne deu humoristischen Zug denkbar sind, erschiene
er bei Garibaldi vder Napoleon als etwas fremdes. Taß
Lindeuschmit dies so richtig empfand und wiedergab, darin


Die Wohlthätigkeit. voii lv. Linde n s chmit

gestolpcrteu Bubeu, da sie offenbar alle nicht frei vou der
Besorgnis sind, den Schweden zum Frühstück dienen zumüsseu.
Darüber bleibt uns aber kein Zweifel, daß Lindenschmit
mit dieser ächt deutschen hnmoristischen Schilderung etwas
in Form und Auffassung wirklich Neues und ungewöhnlich
Liebenswürdiges geboten habe. — Denn das Neue hat man
in der Historienmalerei vor allem in den Charakteren,
in Ausdruck und Geberde derselben, ganz gewiß aber nicht
im Kostüm oder gar in den Luftreflexen zu suchen. Genau
wie in der Tragödie muß sich das Benehnien der Menschen
aus ihrer Jndividualität heraus erklären, mit dieser in
Übereinstimmuug stehen, alles andere ist gleichgültig neben
Die Aunst für Alle l

liegt sein großes Verdienst, nachdem unsere ültere klassizi-
stische Malerei es beständig übersehen und sich mit der
Phrase vom „Allgemein-Menschlichen" getröstet hat, das
nur leider nirgends existiert und nie existiert hat. Hier
in dieser genaueren Charakteristik hat denn auch die moderne
Kunst ihre Zukunft zu suchen, weil sie nur hier die alte
zu übertreffen vermag, was sie sicherlich nie erreichen
könnte mit hell oder dunkel malen, mit Jmpressionismus
und dergleichen Alfanzereien, mit denen man so oft das
Defizit der künstlerischen Kraft zu verdeckeu oder wenigstens
zu verblüfsen sucht, wo man nicht überzeugen kann.
Von solch gesunder Charakteristik giebt nun auch Fr.
 
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