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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 1.1885-1886

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Pecht, Friedrich: Die modernen Stoffe in der Historienmalerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.9416#0217

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voil Fr. j?ccht

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Aus Fcrd. Arllcrs ^kizzcnbnch

wahrhl'lt Mld überzeilgungskraft richtet, den lhr der Malcr mit-
znreilen vermvchte, als lediglich nach ihrer historischen Bcdeutung,
so liegt es anf dcr Hand, wie viel besser der Knnstlcr thut, wenn
er sich an diese Landslente nnd Zeitgenvssen, znm inindesten an die
ersteren liält. Bei ihrer Darstellung darf er jedenfallo am sichersten
hoffen, fnr alle Zeiten interessant zn bleiben.
Ich verwahre mich entschieden dagegen, als ob das eiue irgend-
wie aus dem Wege der Speknlativn errungene Behauptung wäre, es
isl im Gegenteil ein reiner Erfahrnngssatz, der ganz allein ans der
dnrch ein halbes Iahrhundert fortdauernden Betrachtnng dessen hervor-
ging, was von den historischen Darstellnngen unserer Zeit etwa Ans-
sicht habe anch kommcnde Iahrhnnderte zn interessieren. — Bei dem
so hvchbegabten Keller ist es ganz nnzweifelhast, daß er mit dicsem
Bilde auch sein bcstes gegeben, während man bei den früheren sv oft
bedanertc, daß er, trvtz allen daran verschwendeten glänzenden Ta-
lentes, doch nichü inimer über die gemalte Phrase hinanskam. Es
wäre denn, daß er sich wie bei Hero nnd Leander ganz anfs ideale
Gebiet begab, wie denn anch hier die Mischnng allegorischer mit
historischen Figurcn nicht' am wenigsten zum Reiz des Ganzen
beiträgt, da sie das Bild erst über die gemeine Wirklichkeit hoch empor in den reinen Äther der Dichtung
hebt. Aber was fesselr unS denn, wenn wir zur Profanhistorie zurückkehren, mehr als bei den Deutschen,
Menzels Werke'? Dder Rauchs und RictschelS historische Fignren? Ebenso hat v. Werner nie besseres gemalt
als sein Saarbrücker Bild vom Einzng Kaiscr Wilhelms nach der Schlacht, oder dessen Ausrusung znm Kaiser
in Versailles. Was wäre Lessing ohne seine Lnther- und Hnß-Bilder, Rethel ohne Karl den Großen, Janssen
ohne dic Ersurter Gemälde aus der dentschen Geschichte, Peter Heß vhne die Tirvlerschlachten nnd den Einzng
Äönig Drtos, den er selber sah? In der ganzen historischcn Galerie des Münchener Marimilianeiims hat nnr
ein Bild Aussicht sortzuleben: Rambergs Friedrich II. in Palermo. Pilvriis Rathansbild, worin er die
Münchener Biirger schilderte, ist hente bereits als sein bestes anerkannt, trotz des langweiligen Stoffes; ja
selbst des Berliuer Krüger Wachtparade hat von allem, was jene Zeit von Historie in der prenßische^ Hanpt-
stadr hervorbrachte, fast allein noch Wcrt neben MenzelS Bildern. Aber auch nnter dcnen Kanlbachs zur
Weltgeschichte wird man die Darstellnng der Renaissanee immer nvch mit dem meiften Vergnügen betrachten,
wenn man nicht die völlig sreie Dichtnng der phantastischen Hnnnenschlacht vorzicbt. —
(stchen wir zn den Franzvsen über, so sinden wir Gerards Einzng Heinrichs IV. als sein unbedingt
bestes Bild, wie Davids Ermordnug des Marat seine steifleinenen Rvmer haushoch überragt nnd Gros' Schlacht
von'Elstau oder Napoleon ans der Brücke vvn Lodi ihn allein über Wasscr halten. Delaroche wird sicherlich
nicht dnrch seinc Bilder aus der englischen, sondern lediglich dnrch die ans der sranzösischen Geschichte fort-
leben, dnrch Richelieu und Mazariu, dcn Tuc de Gnisc, am sichersten aber durch seine Marie Antoinette
oder die Napoleons-Bilder, wie Robert Fleuri). dnrch das Evneile dc Pvißii. — Was wärc Condex ohne seine
Eröffnung der Generalstaaten, Vernet vhne seine afrikanischcn Sckstachten, der Belgicr Gallait ohne scine Ab-
danknng Karls V., die zugleich seine eigene ward. Bleibt vvn Meissonier irgend etwas, so sind es sicher die
Bilder aus des I. wie III. Napoleons Zeit.
Wir könnten diese Aufzählnng ins Beliebige vermchren, dvch gcnügt lie ivohl, um darzuthnn, w>e
nnbegründet nnd nngesund die Abneignng dcr klassizistischen wie roman-
tischen Knnst vor der künstlerischen Wiedergabe der Gegenwart oder der
nationalen Geschichte übcrhaupt war, eine Abneignng, die sreilich meistens
anf der vffenbaren Unsähigkeit bernhte, anS der kvnventivnellen Vorstel-
lnngsweise nnd der ewigen Nachahmnng anderer Knnstwerke znr Natnr zu-
rückzukehren. Dder anf der völlig nngenügenden Herrschaft über die Mittel
der Tarstellnng, deren man freilich bei der künstlerischen Bewältigung
der Gegenwart noch in ganz anderem Maße bedarf, als wenn man
Raphael oder Michel-Angelo verwässert. — Daß Keller diese Herrschaft
in so nngewöhnlichem Ncaße besitzt, das hat ihm aber zum schönsten
Triumphe seiner bisherigen Künstlerlausbahn verholfen, hier, wv er end-
lich an den richtigen Stvfs geriet. Man möchte daher nnr wünschen,
daß sein Talent noch vicl mehr für dergleichen monnmentale Aufgaben
in Anspruch genommen würde wie diese hier, die er so epochemachend '
gclöst hat. ^I»s Ferd. Aellers Lkizzenbnch
 
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