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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 1.1885-1886

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Fitger, Arthur: Aus meinem Leben, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.9416#0237

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Aus meinem Leben. von Artliur Fitger

burgischen Kunstausstellung in Ermangelung anderer Ar-
beiten von mir noch ein paar jener Bilder aus dem
Jahre 1866 heranzuziehen. Ten Rest derselben nahm
ein besreundeter Schiffskapitän mit nach Amerika, und dort
gelang es ihm endlich, mir ein- bis zweihundert Thaler
bar Geld dafür zu verschaffen. Aber so lustig sich das
alles jetzt in der Erinnerung auch ausnimmt; damals
war mir verteufelt schlecht zu Mute dabei,: die nächste
Heimat mir so fest verschlossen zu fiuden, das hatte ich
nicht erwartet, was nun?
Da machte mich eines Tages der licbenswürdigc Poet
und Künstlerfreund Hermann Allmers mit dem Architektcn
Ernst Klingenberg in Bremen bekannt, welcher eben im
Begriff war, in Ostfriesland ein höchst opulentes Schloß
für einen reichen Gutsbesitzer zu bauen. Nach wenigen,
durch entworsene Skizzen schnell zu Ende geführten Unter-
handlungen erhielt ich ein paar groye dekorative Anfträge:
einen ornamentalen Kinderfries und ein Wandgemälde,
welches den Zug der Nacht und der Träume darstellen
sollte. Endlich also einer Fläche gegenüber, vor der ich
die Ellbogen bewegen konnte! Es war mir, wie dem
treuen Heinrich im Märchen, dem die eiserneu Reisen von
der Brust springen. Jn der engen Verbinduug mit der
Architektur würde, das sühlte ich damals schon deutlich
heraus, mir die einzige Möglichkeit gegeben sein, irgend
welche Frucht zu reifen, und so habe ich denn bis auf den
heutigen Tag alles, was ich gemacht habe, entweder gleich
auf die Wand oder wenigstens genau sür eine bestimmte
Wand gemalt. Jch läge längst in irgend einem Friedhos-
winkel unter Steinen und Glasscherben verscharrt, wenn
ich zu Stafseleibildern, vollends zu sog. Historie oder
Porträt verdammt worden wäre: ich konnte von Haus aus
niemals anders empfinden und konzipieren als dekorativ-
monuniental, und die vielen vortrefflichen Baumcister, die
im Laufe der Jahre meinen armen Pinsel nicht verschmäht
haben, ihre Bauten zu schmücken, müßte ich, weuu ich mal
auf den Einfall kommen sollte, mein Lebeu episch zu be-
siugen, sich einander ablösen lassen wie die Helden in der
Jlias. Jndessen ist die Gesahr eines solchen Epos keines-
wegs drohend, im Gegenteil: ich fürchte, daß ich schon
jetzt die paar Thatsachen, die ich zu erzählen habe, länger
ausspinne, als der geduldigste Leser statthast finden wird.
Darum rasch zum Schluß. Meine Aufträge waren in
Telmenhorst natürlich nicht auszuführen, und wenn das
vorausbedungene Honorar auch bescheiden war, so entschloß
ich mich doch nach Berlin zu gehen nnd dort mein Bestes
zu versuchen. Meine Arbeiten fielen denn auch ihrerzeit
wirklich zur Zufriedenheit aus: niochte sich diese nun auch
noch so sehr auf freundschaftliche Nachsicht und Berück-
sichtigung eines sür ein Erstlingsbild höchst schwierigen
Problems gründen, genug: ich hatte doch etwas gemacht,
was andere Leute branchen konnten und war über diesen
Anfang des Anfanges nicht wcnig froh. Freilich, es dauernte
nicht lange, ehe ein neuer dekorativer Auftrag kam und in
der Zwischenzeit machte ich mich an einen alten Lieblings-
gcdanken, an Jllustrationcn der Mozartschen Lper. Wäre
ich nur ein bischen geduldiger und entsagender gewesen,
hätte allerlei Gutes entstehen können: Donna Anna an
der Leiche des Vaters, Ton Iuans Höllenfahrt, Taminos
Kamps mit der Schlange u. s. w. waren ganz wohl gc-
dacht, aber alles überstürzt, ohne Naturstudien roh bin-
gehauen: eine einzige Lieserung ist in Photographie er-
schienen, kein Mensch bat je eine gekauft und nur in

seltenen asketischen Momenten wage ich zur Züchtigung
meiner Seele das Heft zu durchblättern. Auch ein großes
Bild malte ich damals: „Ein alter Fischer mit seinen
Söhnen von Siren.'ii übersallen." Jch hoffte, durch dicse
Arbeit mir iu meinem engeren Vaterlande dennoch, trotz-
dcm ich früher so schlecht weggekommen, Boden zu ge-
winnen; wenn ich mir auch nicht anmaßen dnrfte, ein
Meisterwerk schicken zu können, so hoffte ich doch, daß die
wirklich gute Jntention manche Schwächen der Ausfübrung
vergcsscn machen könntc, daß zumal eiu so kleines Gemein-
wescn wie das oldenburgische nicht an Eincs seiner Mit-
glieder die ganze Strenge objektiver Kritik legen würde;
aber ich hatte mich getäuscht. Das Bild, das in Sachses
Salon in Berlin eine recht wohlwollende Ausnahme ge-
funden hatte, konnte sich ciner gleichen Gunft in Dlden-
burg nicht rühnien : eine Fülle guter Natschläge war alles,
was es mir eintrug. Jndessen währeud hier ein redliches
Bemühen traurig scheiterte, hattc das Geschick aus der
anderen Seite sich freundlich nm mich besorgt eriviesen.
Jm Frühjahr 1869 machte der König vou Prcußen eine
Rundreise durch Norddeutschland : die Stadt Bremeu wollte
ihm einen glänzenden Empfang bcreiten, die Kanfmann-
schaft rüstete sich zu einer glänzendcn Feierlichkeit in der
neuerbauten Börse. Ten ungeheuren Saal, auf defsen
Hauptwand ein in Aussicht genommenes Gemälde noch
fehlte, provisorisch mit malerischem Schmnck zn versehen,
war eine Aufgabe, von dercn Gelingen gewissermaßen der
Glanz des ganzen Festes abhirg. Heinrich Müller, der
Erbauer der Bvrse, war uach Bcrlin geciit, um Stto
Knille für diese Arbeit zu gewinncn, und dieser, nachdem
er sich rasch meiner Hilfeleistung versichert, übernahm sie
auch. Ein 27 Fuß hohes, 25 Fuß breites Gemälde in
9 Tagen herstellen, das war etwas! Während Knille
komponierte, machte ich die Farbenskizze; das ging unge-
fähr so, als wenn sich zwei Leute ans Klavier setzeu nnd
vierhändig phantasieren; indessen eine gewisse Harmonie
kam schließlich doch heraus, znmal Knille die leitende
Stimme hatte. Andere Freunde und Tekorationsmaler
wiirden noch dazu geworbcu und in 9 Tagen war wirk-
lich das Werk vollendct. Halb naß wurde es ausgerollt
und verpackt, und ich geleitete cs, um sosort die unsehlbar
nötigeu Aiisbcssernngen zu machen. Umwogt von bunteu
Fahnen, umdonnci t von Zimmerleuten, umsuiigen von der
Singakademic. die an Srt und Stelle sich „Seht er kommt
mit Preis gekröut" cinübte, schirebte ich in Schwindelhöhe
mit Tauen sestgebundeu wie ein Schieferdecker und slickte
die Göttinnen Borussia und Brema. Und so biu ich,
auch nachdem man mich wieder zur Erde berunter gelaffen.
doch in Bremen hängen geblieben. — Keinc Vaterstadt
kann ihren bewährtesteii Sohn gütiger ausiiebmen, als nian
niich, den ganz unbekcmnten, unbewährten anfgenomen
hat, und mein höchster Wunsch ist, dermal einst darzuthun,
daß solche Güte nicht an einen Unwürdigcn verschwendet
worden. Zunächst mußre ich sreilich iu dem freundlichen
Entgegenkommcn, das mir überall zu teil wurde, den alken
Spruch verehren: Tes Vaters Tegen baut den Kindern
Häuser; denn fast jedermann, dem ich vorgestellt wurde,
sagte mir gleich niit dem freundlichsteu Gesicht: Jhren
Bater habe ich sehr gut gekannt.
Von Leid und Lust im Leben soll nach abermals zwanzig
Jahren der geneigte Leser mehr erfahren.
 
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