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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 1.1885-1886

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Unsere Bilder, [7]
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https://doi.org/10.11588/diglit.9416#0239

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Unsere BilSer. von F r. Pecht


göttliche uiid hilsreiche in der Menscheii-
natur, an ihr Erbarmen, ihren Glauben
und ihre Liebe und damit auch die
Hofsnnng in der eigenen Brust wieder-
herstelll.
Wie durchaus beherrschend und
maßgebend sür den Eindrnck die Ver-
teilung der großen Licht- nnd Schatten-
massen, dann die Silhauette in einem
Bilde ist, das zeigt uns mit förmlich
überwältigender Wirknng die hochpoetische
Landschaft aus dcr Gegend twn Verona,
die wir von Willroider heute bringeu.
Sie gchört durch ihren grandiosen Wurs
unstreitig znm besten, was nmn bei uns
in neuerer Zeit von deutscher Land-
schaftsmalerei gesehen und würde einem
Poussin oder Milet Ehre machen.
Hinten, wo man den Monte Baldo sich
erheben sieht nnd über den Gardasee
hinweg noch einen Blick ins Bresci-
anische gewinnt, ist der Charakter der
südlichen Vbdachung der Alpen nicht
weniger deutlich ausgesprochen als im
Vordergrunde. Daß auf diesen blut-
getränkten Feldern schon oft das Schicksal
der Welt entschieden worden, daß hier
die Schlachtfelder von Rivoli, Custozza,
Solferino ganz in nächster Nähe liegen,
jeder Zoll historisch geweihter Boden ist,
seit die deutschen Eroberer zum ersten-
male als Cimbern und Teutonen, dann
unter Theoderich von diesen mächtigen
Bergen herabstiegen, wer ahnte das
nicht, wenn er dies niit merkwürdiger
Genialität komponierte Bild sieht?
Es ist eine kahle, selsige, von
wilden Bergbächen zerrissene Ebene,
die sich mit düsterem Ernst hier im
Vordergrund ausbreitet, als wenn sie
jeden von den Bergen Herabsteigenden
abschrecken wollte, hier in dies hinten in sonniger Ferne
zauberisch glänzende Land weiter vorzudringen. Jst es
doch schon so vieler Tentscher Grab geworden, wenn sie
dem mächtigen Zug, der uns in den Süden lockt, nicht
zu widerstehen verstanden, um dann, wenn überhaupt,
entnervt und verzehrt, der Heimat fremd und ausge-
nützt vom Fremden zurückznkehren. — Gerade das
unheimliche, tückische nnd doch dämonisch fesselnde dieser
Nattir hat der Künstler so vortresflich getrofsen, daß es
seine Wirkung schwerlich aus irgend jemanden verfehlen wird.
Jst es immer interessant, die allmählige Entstehung
eines bedeutenden Knnstwerkes verfolgen zu können, so
gewährt uns diesen Genuß in ganz besonderer Weise der
Karton zur Grützner'schen „Schnapskneipe", unstreitig
eines der bedeutendsten, wenn auch nicht gerade angenehmsten
Bilder des Meisters. Jn der Schilderung dieser Samm-
lnng von schiffbrüchigen Eristenzen aller Art, die sich hier
Vergessen ihres Jammers holen, entfaltet der Künstler eine
Krast und Schärfe der Charakteristik, die erschütternd und
beklcmmend wirken müßten, wenn er uns nicht durch den
fast Shakespeare'schen Humor wieder versöhnte, mit dem er
die sämtlichen hier versammelten Slympier schildert. Ta

;ismus

Ans !v. Gentz' Skizzenbuch
ihnen so wohl in ihrer Haut ist, so können wir uns ja
auch beruhigen, denn des Menschen Wille ist sein Himmel-
reich, auch wenn es nach Fusel duftek.
Gehört nun der Edle, den nns Menzel mit solch
merkwürdiger Kraft und Energie schildert, auch zu der
aristokratischen Gesellschast. die wir bei Grützner kennen
gelernt? Es spricht manches dasür und nur die
ausgeworseuekknterlippe deutet aufBerlinischen Skepti
aus einen Gesinnungsgenossen der Schulze und Müller,
ja dcr Bkann könnte sogar an der Staatsregierung beteiligt
„sind", wenn er nicht so borstig aussähe, was doch blos
Ministern erlaubt ist.
Tem Amor die Flügel stutzen, wie das die Nymphe
des Herrn Bäumer, eines talentvollen jungen Tresdener
Bildhauers unteriiinimt, das bleibt immer ein sehr gefähr-
liches Geschäft, da man sich dabei leicht die Finger an den
Pfeilen des tückischen Gottes verletzt und also dem Ver-
hängnis selber erliegt, vor dem man andere bewahren
wollte. klnsere charmante Hofdame der Benus mag sich
also nur in Acht nehmen. Oder will sie wohl gar den
Übelthäter noch reizen?
 
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