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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 1.1885-1886

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Vincenti, Carl Ferdinand von: Jahresausstellung im Wiener Künstlerhause
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https://doi.org/10.11588/diglit.9416#0242

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186 Iabresausslellung im lvieuer Wnstlerkause. von Aarl von vincenti

verschnürten Gala eines Hnsarengenerals künstlcrisch gerecht
zu werden? Mehr vder minder gute Bildnisse sinden wir
noch vc>n Stausfer aus der Canvn-Schule, Griepen-
kerl, Georg Mayer, Gaul, Vita, Anton Groll
(Erzherzogin Maria Theresia), dem Münchener Kupvel-
mayr (gutes Selbstporträt), Alvis Schramm, einem
noch blutjungen Akademiker, das zwar allzu anspruchsvolt
mit Bildnissen in ganzer Figur auftrirt (Prinz Georg von
Preußen und Tragödin Wilborn), jedenfalls aber die Be-
gabung zu einem tüchtigen Bildnismaler mitbringt. Tes
Florentiners Gelli zwei Tamenporträts (Kniestücke) in
etwas gerüuschvoller Promenadentoilette sind nicht ohne
Geist, aber mit ctwas oberslüchlicher Technit behandelt, wo-
gegen uns des Lenbach-Schülers Penther männliches Por-
trät mit Achtung erfüllt. Unter den immer zahlrcicher
das Bildnis kultivierenden Tamen tritt nns Marie Mülter,
die Schwester des bekanaten Orientmalers, am reifsten ent-
gegen: im Kolorit freilich ist die Tame noch etwas unbe-
holfen. Betrachten wir die ganze Reihe von Bildnissen,
welche unlüugbar einen Reif der lllusstellung bilden, vom
allgemeinen Standpunkte der malerischen Anordnung, dann
empsinden wir es von neuem schmerzlich, daß Makart
uns genommen wurde. Unter den Ttudienköpfen wäre
allenfalls mit Anerkennnng das prächtig geratene Tirndel
mit dem Titel: „Weils mi sreut", von dem Miinchener
Rau hervorzuheben.
Tas Genre bielet nnler einer Anzahl guter Bilder
und vielen herzlich mittelmäßigen drei Ncusterbilder, aller-
dinas Aguarelle, welche jedoch mit Ludwig Passiui signiert
sind. Alle jungen nnd auch manche Künstler schon bei
Jahren sollten nach den Parterresälen der AussteÜung.
wo sich die Aquarell-Abteilung besindet, wallsahrten, nm
sich am frischen Born dieser Meisterschaft lernend, zu er-
quicken. „Neugierige", „Mädchen am Brunnen" und
„Jnteressante Lektüre" heißen alle drei Blütter, wovon
das erstgenannte das umfangreichste ist. Auf einer kleinen
Lagnnenbrücke grnppiert fich neugieriges Volk, das über
die Brüstung hinab ins Wasser späht. Man weiß absolut
nicht, was die in allen Tonarten auf diesen Gesichtern
spielende stceugier erregt, die Spannung ist jedoch malerisch
mit so viel seiner Beobachtung und gesundem Humor ver-
anschaulicht, daß man sich vollauf damit beguügt. Tie
Münchener Genremalerei ist durch eine Reihe ron Nanien
vertreten. Unter den Humorislen Grützner, Kron-
berger und 5kotschenrei ter bleibt der Erstgenannte mit
einer trefslich gemalten Szene iu Anerbachs Keller im
Vorteil; ergötzlich ist auch der Jüger von Kozakiewicz,
dem als „böses Lmeii" ein altes Weib in den Wurf uud
damit ein Hase anßer Schuß kommt. Schreyers „Wallachi-
schen Fuhrwerk" bietet die betännten Borzüge des Meisters.
Weisers „Was sich liebt, das neckt sich", (Rancher vou
höfischen Tamen auf srischer That ertappt) ist ein hübsches,
Grocholskys „Jn der Kirche" ein fein empfundenes,
Kellers „Vor dem Balle" ein geistreiches Bild. Von
gar bescheidenen Tiinensionen endlich, aber um so echterem
Werte ist Mar Todts Bildchen „ans der Schenke" an-
niutig bewegt und voll intimen koloristischen Reizes.
Tas sührt uns aus eine Gruppe von Genrebildern,
deren anspruchsvolles Raumausmaß den Jnhalt keines-
wegs deckt, und die heute, wo die Empfindung für seines
ischauen und liebevolles Turchbilden immer seltener wird,
sich immer breiter machen. Es gehören darunter des
Weimarer Thedy „In Cbristo" und dann vornehmlich

zwei Bilder, welche anf der sogenannten Sensationswand
des Hauptsaales Platz gefunden haben, nämlich: „Mutler-
sreude" vonMarieSimm-Mayer, Hugo Charlemonts
„Mädchen in altfranzösischer Tracht" und Szimays
„Ganz der Papa". Thedys Bild erinnert an Leibls
vielbesprochene betende Bäuerinnen, nach dem Alter abge-
stuft; es bringt lebensgroße Nonnen im Kirchenstuhle,
mit breitem Naturalismus behandelt und weiß nur mäßig
zu interessieren. Jn „Mutterfreude" vermissen wir die
Anmut, welche der Vorwurf verlangt und in Charlemonts
Bilde jene Feinheit der malerischen Empfindung, welche
ivir bisher an diesem so begabten Künstler gewohnt waren.
Unter den Düsseldorfern ragen Vautier mit einem sehr
feinen Bilde: „Sonntag-Nachmittag" und Oehmichen mit
einer tiefempfnndenen Begräbnisszene hervor. Die Italiener
weisen zwei Hauptrichtungen auf, die eine durch den glatten,
gesälligen Pinsel Barisons, die andere dnrch den krausen,
kecken Lancerotto vertreten; voll reizender Tetails
ist Salvinis „Possenreißcr", doch der liebste „Jtaliener"
ist mir doch unser Eugen v. Bl aas, der in der malerischen
Wiedergabe venetianischen Lebens Passini so würdig zur Seite
tritt. Bon Wiener Genremalern ist viel geboten, wornnter
einiges Bortreffliche, manches Gute, aber überwiegend Mittel-
waare. Schöns „Straße in Palermv", ein Jnvaliden-
bildchcn Friedländers, ein Cyklus von Bernatzik
„Pier Iahreszeiten" (das Herbstbild ist das beste), welches
redlich nach Veranschaulichiing cines tieferen Gedankens
strebt, koloristisch jedoch ins Bedenkliche gerät, ein kleines,
aber meisterhastes Atelierbildchen von Hein, ein italienisches
Ständchen von Probst sind wohl die besten dlnmmern;
Broziks „Muttcrglück" erinnert an Munkäcsy, abcr nnr
im Vorwurfe Zcwys „Alte Lieder", welche geistvoll und
generös gemalt sind. Tas svldatische Genre ist diesmal nicht
hervvrragend vertreten, wcder Berres mit seinem etwas
bnnt geratenen „Hinter der Gesechtslinie", noch Ajdu-
kiewicz mit seinem Manöverstück dürfte sonderlich
intcressieren, wührend man dem Fügerangriffe dcs.Krakaucrs
Kossak bravouröse Mache uud pnckende Wirknng nicht
absprechen wird.
Landschaft und Marine bieten eine reiche kritische Ans-
beute; leider fehlen unter den Gästen Andreas Achen
bach nnd unter den Einheimischen Schindler. Tie besten
Stücke vereinigt der Hauptsaal. Ein sonniges brirener Motiv
unseres Ruß (niit prüchtigem Vordcrgrunde), T itscheincrs
„Frühlingsbild" mit Gletscher-Hintergrund, „Am stkemi-
See" von Oswald Achenbach, die nordischen Blotive
der Tüsseldorfer Norweger Nvrdgrcn und Morten
Müller, sowie des Müncheners Schultze, Onkens
traulich anmntendes Emdener Motiv, das stimmungsvolleBild
„Waldesschatten" des Tüsseldorfers Teiters, „Iernsalem"
von Ludwig Hans Fisch er, (von köstlicher Feinheit sind anch
seine „Fischerbarken"), einige überraschend gute von Hasch,
all' diese Arbeiten haben mit Fug und Recht im Haupt-
saale llnterkunft gefunden. Tina Blan ist im Kolorit
gesünder geworden, Darnaut behauptet seinen rasch-
erworbenen Rus mit vier feingestimmten Bildern, nnser
Willroider, der Hamburger Rnths, Bode, Rrn-
sonnet, Ribarz, Verly (Salto di Tuberio), Zetsche,
Littrow, Kochanowski und Andere haben sich mit
fast durchwegS tresslichen Arbeiten eingesunden. Nicht
minder erfreulich tritt uns das Tierbild entgegen, welches
in den Meistern Kröner („Aus der Brunstzeit") und
Weishaupt („Heimziehende Herde") besonders berufene
 
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