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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 1.1885-1886

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Aus und von dem Städel'schen Institute in Frankfurt a./M.
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Aus und von dem Ztädel'schen Institute in Frunksurt a. M.

Iiügt haben: auch stand seitlich noch Terrain zur Bersügung.
Aber die Administraroren wollren sich nun einmal dnrch-
aus den Lnrus göniien, die Siadt mit einem stattlichen
Monumentalbau zu bereichern, was die höchste Anerken-
nung verdient hätte, wenn es aus ihrer Privatkasse ge-
schehen wäre. Hätten sie dabei nnn aber wenigstens die
richtige Umsicht und Einsicht walten lassen, so wäre es
leichter, die entstandenen Nachteile zn verschmerzen. Zwar
hat man, wie es schon bei dem alten Baue vvrgeschlagen
worden war, die Schnle von dem Galeriegebäude getrennt:
aber sast unglaublich erscheint es, daß das, was an Raum
im Vergleich zu dem alten Lokale geivonncn wurde, in
absolut keinem entsprechenden Verhältnisse zu den nnge-
heneren Lpsern steht, die Plahkans nnd Bau erheischten.
Fast ebenso unbegreislich ist es aber nuch, daß von dem
Architekten nicht einmal verlangt wurde, das; der Nenban
nnr der erste Teil eines spüter zu eriveiternden Total-
planes sein solle, nnd das; man statt dessen ein in sich
durchaus abgeschlossenes Gebüude errichtete, an welchem alle
später notivendig werdenden Erweiternngcn nur mehr odcr
minder geschickle Anslickereien sein können.
Als traurige Folge ergab sich, dasi der Bau so be-
deutende Snmmen von dem angesammelten Kapitale ver-
schlungen hatte, daß die übrigbleibenden Einkünste bei der
inimer geringer werdenden Kanfkrast des Geldes znr kräs-
tigen Entwickelung der Kunstschule und zur ausgiebigen Ver-
mehrung der Sammlungen durchaus nnzureichend wurde».
Jndessen ist dieser Zustand nur die Fortsetzung des ähn-
lichen, schon circu 30 Jahre früher zu dcm Zeitpunkte,
inaugurierten, an welchem der nnglückliche Gedanke an
einen Neubau gefaßt und ein darauf hinzielendes Spar-
system begonnen worden war, welches die Stistung nach
allen Richtungen hm in das kläglichste Siechtnm versetzte,
ein Zustand, in welcheni sie sich noch hentzutage bestndet.
' Die von dem edlen Stifter selbst noch ernannten,
„mit unbeschränkter Macht und Gewalt zur Erreichung
seiner ivohlgemeinten Jntentionen" ausgestatteten ersten
Administratoren, welche des Stisters Ülbsichten kannten,
hatten treffliche Einrichtungen für Schule nnd Samm-
lungen getropen.
Sie sahen ein, daß sie der Mithilfe eines hervor-
ragendcu Künstlers als Tirektor der Kunstschnle be-
durften und ebenso der Mitwirkung eines künstlerisch und
knnstwissenschaftlich gebildeten Jnspeklors und Konser-
vators zur Erhaltnng und Vermehrnng der Kunstsainm-
lungen.
Was die letzteren anbetrifft, so hielten sich jene
Männer ihrer Zeit gegenüber für verpflichtet, nicht nur
alte Gemälde zn sammeln, sondern auch durch Bestellungen
an die damals hervorragendsten deutschen Künstler, oder
dnrch Ankanf sich fertig darbietender Gemülde ermutigend
und fördernd mitzuwirken in der Entivicklnng der Knnst
der Gegenwart. Reichlich und in dankenswertester Weise
haben sie das Jhrige dazu beigetragen. Wer gedenkt nicht
mit sreudiger Erinnerung des geistigen Ringens nnd Streitens,
welches jene Thätigkeit hervorrief? Wer sieht nicht heute
mir stets wachsendem Jnteresse ein Stück unserer deutschen
Knnstgeschichte aus der ersten Hälfte unseres Fahrhnnderts
in jenen Ankänfen vertreten'?
Wie erstickender Mehltau siel der Prachtbau-Gedanke
spälerer Adininistratoren anf die blütentreibende Schövfnng!
Jn einem Zeitraum von 40 Jahren, d. h. seit dem
1846 ersolgten Ankaus von Schwinds Sängerkrieg, ist

azz
die Sammlung moderuer Gemälde durch Ankauf nur nm
ca. 14 Nummern, unter welchen drei belgische Bilder,
meist kleinen Formates vermehrt worden! Etwas mehr
wnrde die alte Kunst begünstigt, und bei den Anküusen
manchmal ins Schwarze getroffen, manchmal daneben.
Am verderblichsten aber änßerte sich das Wirken der
spüteren Administratoren auf die Knnstschule, auf das ganze
Kunstleben in Frankfurt.
Die frühere Adininistrativn hatte Philipp Veit als
Tirektor dcr Kunstschule berusen. Sein künstlerischer Rns,
seine ebenso liebenswürdige als geistig hervorragende Per-
sönlichkeit zog einen bedeutenden Künstler nach dem anderen
nach Frankfurt, und mit großer Einsicht und Liberalität
ränmte die damalige Administration den Zuziehenden un-
entgeltlich Ateliers in dem alten — angeblich zu engen
—- Gebüude ein. Ein frisches reiches Kunstleben entstand
in jenen Räumen, und eine zahlreiche Schar begeisterter
Schüier wuchs neben jener älteren Künstlergeneration
heran.
Aber anch auf diese schöne Entwickelung der Knnst-
schule wirkten die Anschanungen nnd die Handlungsweise
einer sich selbst immer höher schützenden Administration
vernichtend. Veit, vielfach gekrünkt, gab seine Stellung
auf. Die Admmistration atmete aus. Nun stand ja keine
unbeqneme Größe mehr neben ihr; nun war sie Selbst-
herrscherin; sie wollte es bleiben und ließ die Direktorftelle
eingehen. Dadurch ließ sich nebenbei auch für den Pracht-
bau sparen! Die nächste Folge war, daß die Schar ans-
gezeichneter Künstler. die sich um Veit gesammelt hatten,
mit ihm das Städelh'che Jnstitnt nnd dann Franksnrt ver-
ließen. Die Knnstschnle verlor dadnrch immer mehr nnd
mehr an Schwung und Bedentung; neuer Zuzng fand
nicht mehr statt, denn man erschwerte denselben durch
Atelierverweigerung an reisere Künstler; die herangewachsenen
Schüler fanden gleichfalls keinen Grnnd mehr, unter solchen
llmstünden zu bleiben und zerstreuten sich nach allen Rich-
tungen hin, um ihre weitere Ausbildung zu suchen. Nnr
die angestellten Fachlehrer blieben. Gegenwärtig wirken
als solche diejenigen, deren Thätigkeit anfangs dieser Mit-
teilungen geschildert wurde Jhr beratender Einflnß wnrde
immer mehr und mehr abgeschwächt. Alles Nötige besorgte
fortan die Administration selbst, welche zur Zeit aus drei
Juristen und zwei Kaufleuten zusammengesetzt ist, aller-
dings eine ausgezeichnete Garantie für die nnfehlbar
richtige Behandlung künstlerischer Dinge!
Wie befähigt sie sich dazu erachtet, hat sie neuerdings
brillant bewiesen. Die Stelle eines Jnspektors der Samm-
lungen, wetche der als KunftfSrscher von europäischem Rufe
weit und breit anerkannte I. D. Passavant zum Glanze
und Ruhme des Jnstitutes lange Jahre hindurch inne ge-
habt hatte und welche nach seinem Tode durch den von
ihm mit den Sammlnngen bekanut und vertraut gemachten
Maler Malß ausgefüllt worden war, hat sie nun einein
jungen durchaus unerfahrenen Kanfmanne überliefert. Die
Administration glaubt sich offenbar vollständig befähigt,
seine künstlerische und knnstwissenschaftliche Ansbildung
genügend besorgen zu können.
Schon mehrsach ist auf diesen tranrigen Mißgriff
in diesen Blättern hingewiesen worden. Hinzuzufügen ist
nur, daß dem von der Bürgerschaft, welche sich als Eignerin
an Städels herrlichem Vermächtnis zn betrachten berechtigt
ist, allgemein ausgesprochenen Wunsche einer Korrektur
dieses Fehlgriffes bis jetzt nur starre Ablehnung von seiten
 
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