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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 1.1885-1886

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Svoboda, Adalbert: Mathias Schmid: aus der Geschichte seines Lebens und Schaffens
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https://doi.org/10.11588/diglit.9416#0291

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INatbias ?chmid.


Aus !N. Schmids Skizzenbuch

Jn allen diesen Fällen erhielt M. Schmids klarer
Kopf Gelegenheit, Charakterstudien anzustellen, welche in
einem Teile seiner Bilder aus der ersten Schaffensperiode
verwertet erscheinen. Man erkennt znmal in dem vor-
trefflichen Bilde: „Austreibnng der Zillerthaler Protestanten"
die Vornehmheit des künstlerischen Taktes M. Schmids,
welcher es verschmäht hat, die Urheber der rücksichtslosen
Landesverweisung der Protestanten aus Tirol im Bilde
selbst vorzuführen, in dem nnr der Schmerz der Trennung
von der geliebten schönen Heimat in ergreifender Weise
dargestellt wird.
Eine markante, aber lebensgerechte Charakterisierimg
tritt in dem Gemälde: „Ter Sittenrichter" hervor, in
welchem ein junges Paar, das nur eine Naturheirat voll-
zogen hat, von einem Kuraten schars zurechtgewiesen wird:
Andere Bilder,von Mathias Schmid, in welchem geistliche
Herren als Hauptgestalten vorkommen, weisen immer ein
sittengeschichtliches Jnteresse auf. So die „Beichtzettelsamm-
lung", in welchem Bilde die Abgaben dargestellt werden,
die von tiroler Bauern beim Abliefern von Beichtzetteln
„als Vergütung der Truckkosten" dem Klerus zu Füßen
gelegt werden. Ter geringste Beitrag sind „vier Kreuzer",
der höchste irgend ein nützliches Haustier mit leckerem
Fleisch. Auch Spanferkel werden als „Truckkostenbeitrag"
willig hiiigenommen. Liegt nicht auch darin Humor'? Jst
es nicht ein heiterer und dabei harmloser Einfall, wenn
in einem Bilde zwei fromme schöue Mädchen dem Herrn
Pfarrer zum Namenstage mit Glückwünschen und Ge-
schenken nahen wollen, während er bei eingeseiftem Gesichte
das Rasiermesser handhabt und während ihm die Köchin
die Beinkleider ausbessert?
Wie versteht es Mathias Schmid zugleich, die Poesie
des Glaubens in manchem seiner Bilder lebendig und er-
greifend vor Augen zu stellen! Wer erinnert sich nicht an

das edle Gemälde Schmids: „Das Verlöbnis", in welchem
eine junge schöne Mutter an der Seite ihres stattlichen
Gatten ihr genesenes Kind zu einem Madonnenbilde em-
porhebt? Jetzt steht auf der Stasselei Schmids abermals
ein Bild, welches auf den vertrauensvollen Glauben des
Volkes in anmutender, poetisch gedachter Weise hindeutet.
Eine junge Frau blickt neben einer Waldquelle auf ein
Bild, welches den unter der Krenzeslast zusammenbrechen-
den Christus darstellt; — sie schöpft aus dem Anblicke
dieses Marterbildes Trost sür sich, deun ihre ganze Habe
ist nur ein Kind, ihre ArbeitSkraft und ein Kreuz für
das Grab ihres Mannes.
Mathias Schmid hat auch, um das Andenken seiner
Eltern zu ehren, in den letzten Jahren eine Madonna für
die Kapelle zu Habingen in Tirol gemalt. Dieses Stif-
tungsbild nnd der große Erfolg, welchen Schmid inzwischen
als weltbekannter Krinstler errungen hat,, haben die Be-
ziehuugen des tiroler Klerus zu dem vormals von ihm
verfolgten Maler zu einem friedlichen gestaltet.
Schmid gedenkt mit dankbaren Worten der frucht-
baren Winke, welche er in der Schule Piloty's erhalten
hat, schildert aber auch mit sprudelnder Laune jene
Schwächen, die bei pedantischen Akademielehrern hervor-
getreten sind. Einer derselben, welcher sich selbst neben
Wilhelm Kaulbach als Vorbild einer musterhaften Paletten-
haltung sehr geschützt hat, empfahl seinen Schülern, ein
ganzes Jahr Eier zu malen, damit sie das „Rundmalen"
kennen lernen.
Bezeichnend ist es für die künstlerische Eigenart
Math. Schmids, daß er niemals — auch mit Abänderungen
nicht — dasselbe Bild zweimal gemalt hat. Er hätte sein
Gemälde: „Karrenzieher" (im Besitze des Freiherrn Königs-
warter in Wien) 18mal neu malen sollen; die Annahme
dieser Bestellungen hätte ihn zum reichen Manne gemacht;
 
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