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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 1.1885-1886

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Unsere Bilder, [9]
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https://doi.org/10.11588/diglit.9416#0307

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!?c>il Friedrich jdecht

259

geben uns aber zugleich eine sehr lebhaste Borstellung von
den Existenzbedingungen der italienischen Kunst. — Denn
bekanntlich haben die begüterten Jtaliener eine noch viel
größere Abneigung vor dem Bilderkaufen, als Vie Be-
wohner gewisser Kunstmetropoleu in Teurschlaud. Auch sie
halteu die Gemälde bloß für deu Erport bestimmt uud
glauben ihren Verpflichtungen gegen die Kunst selbst ohne
allmöchentlichen Besuch von Kunstvereineu genügeu zu könneu,
schon weil sie „in der alten Heimat der Künste" über-
haupt gar uicht existieren. Die italienische Malerei ist
also notgedrungen kosmopolitisch, glücklicherweise ohne je
ihren Ursprung so zu verleugneu, wie es bei uus oft ge-
schieht, wo alle Lumpen Kosmopoliten sind. Man bedauert

führt er uns aus einen Dorfkirchhof im Harz oder sonstwo,
der im ersten Schnee begraben liegt und nun in ernster
Ruhe der Auferstehung des Frühlings entgegenharrt. Wie
urgemütlich und anspruchslos das alte Kirchlein unter
den hohen Linden sich verbirgt! wie weiter unten im
felsigen Thalgrund als einzige Spuren von Leben die
Kamiue der zerstreuten Häuser rauchen und man das ein-
tönige Klappern eiuer Mühle vom Bach heraus zu hören
nieint. Das Ganze ist ein Bild jenes tiefen Friedens,
wie ihn hienieden uur das Grab oder die stille Abgeschieden-
heit eines Gebirgsthales zu gewähren vermögen. Tennoch
glaubt mau die gesunde Wiuterlust zu atmen, es ist etwas
herzstärkendes in dieser dämmernden Landschaft, welches


Aus Oalentin Ruths' Skizzenbuch

nur das unleugbare Taleut, das an sie verschwendet wird,
dem man aber die vollkommene Gleichgültigkeit gegen den
Jnhalt der Tarstellung schon von weitem ansieht. Jmmer-
hin aber suchen diese italienischeu Maler ihre Banditen
und Spitzbuben wenigstens daheim und leihen sie nicht
etwa in Deutschland, beziehen sie nicht aus der Hasenheide,
wie wir die unsrigen erst in den ülbruzzen oder in
Kalabrien holen zu müssen glauben und dabei gewöhnlich
sehr abgeschmackte Theaterbanditen a ln b'ra Oinvolo zu
Tage fördern.'—
Tie geliebte vaterländische Erde betreten wir erst
wieder auf einem'Werke von Va lentin Ruths, jenem
so echt deutschen, tief poetischen Hamburger Künstler, der
eben jetzt zusammen mit Arthur Fitger das Treppen-
haus der Kunfthalle mit diesem und anderen vortrefflichen
Bildern geschmückt hat. Tieselben stellen die vier Jahres-
zeiten und die vier Tageszeiten dar. Hier beim Winter

uns sagt, daß der Lenz und die Blüten wohl geschieden
find, aber auf Wiederseheu, daß diese Linden einst wieder
ihre Düfte spenden werden; die Ruhe der Natur hat nichts
gemein mit hoffnungsloser Trauer, starrem Tode. — Gewiß
gehört Valentin Ruths mit seiuem ftarken Stilgesühl
zu den hervorragendsten Stimmungsmalern in Teuffchland
und ist eine Zierde des fröhlich aufblühenden Hamburger
Kunftlebens, wie denn seine Bilder in der Kuusthalle dort
zum Teil wahre Perlen genannt werden müssen, besouders
wo sie die heimische Natur schildern. So hat er unserem
Winter einen Sominer als Gegenstück gegeben, den niau
als ein wahres Jdeal von einer echt deuffchen Landschaft
bezeichnen kann und die wir nur deshalb noch nicht gebracht
habeu, weil bis jetzt die Beleuchtung an dieser Stelle alle
Versuche, ihn genügeud zu photographieren, vereilelte. Tafür
bringen wir den Kopf des so poetisch empfindenden Meisters,
von seiuem Freunde Hans Speckter gezeichnet, der in
 
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