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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 1.1885-1886

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Pecht, Friedrich: Die Berliner Jubiläums-Ausstellung, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.9416#0336

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Die Berliner Iubilänms-Ausstellung


26H

Weniger charakteristisch, aber immerhin eine ansprechende Begabung zeigend, ist Fritz Neuhaus'
Darstellung des großen Kurfürsten als eines jungen im Haag in ein verdächtiges Haus geratenen Prinzen,
der sich aber dieser verführerischen Gesellschast entschlossen entzieht, sobald er ihre Beschaffenheit erkennt. Da ist
nun das Resolute, was Vogels Auffassung dieses Herrn-so anziehend macht, durch theatralisches Pathos
ersetzt. Um so besser sind aber die Verführerinnen geraten. — Von Werner Schuchs beiden Reiterporträts
des Zieten und Seydlitz gibt das letztere den jungen Helden mit seinem kecken Uebermut sehr glücklich wieder,
während der fast von hinten gesehene Zieten nicht weniger die große Lebendigkeit und Unmittelbarkeit zeigt, über
welche dieser Meister verfügt. Ein drittes Reiterbild, Washington von Hub er in Wien scheint bei guter Haltung
doch der charakteristischen Ähnlichkeit zu entbehren. Überaus interessant und belehreud sind dann die vier Fries-
bilder, welche Otto Knille für die Berliner Universitäts-Bibliothek gemalt hat, da sie einem recht deutlich
zeigen, wie viel besser der Künstler fährt, sobald er seine Landsleute schildert und Zeiten, die mit der unserigen
noch direkt zusammenhängen. Die Bilder stellen die vier Kulturepochen dar, welche von Athen, Paris, Witten-
berg und Weimar ihren Ausgang nahmen. Obwohl nun Knille sich mit Borliebe der antiken Geschichte
zugewendet hat, so sind ihm doch die Darstellungen der Reformationshelden wie die dcs Weimar'schen Dichter-
hofes unvergleichlich glaubwürdiger geraten als Franzosen nnd Griechen, ja sein Luther ist sogar ein Meister-
stück von edler Auffassung. Und doch hat er an Franzosen und Griechen offenbar weit mehr Sorgfalt gewendet.
Jmmerhin ist aber seine Arbeit eine hochverdienstliche, Stilgefühl, edle Mäßigung und eine reiche Phantasie
verbinden sich hier mit großer Beherrschung der Zeichnung und gutem Farbensinn, um etwas überaus An-
ziehendes hervorzubringen. Schon mehr zu den Kostümbildern im edleren Sinne muß man dagegen Hermann
Kaulbachs Kaiser Friedrich II. an der Leiche der heiligen Elisabeth von Thüringen im Dome zu Mar-
burg zählen. Jst es dem Künstler nicht möglich geworden, uns für seinen Kaiser zu erwärmeu, so gelang es
ihm doch, ein harmonisch wohlthuendes Bild zu schaffen, ja die Kinder der Landgräfin zeugen sogar von
echtem Gefühl, da er es hier besonders beim ältesten Sohne zu dem Ausdrucke tiesen Schmerzes brachte, der
nur um so rührender wirkt, eben weil er sichtlich verhalten wird. — Kaulbach in der Neigung zur sentimeu-
talen Romantik verwandt ist Pauw els, der sich in Dresden völlig zu germanisieren scheint. Seine Johanna
von Flandern, welche bei einem Besuche in Cypern 1214 Gesangeuen die Freiheit gibt, zeigt alle Vorzüge
dieses ausgezeichneten Koloristen, der besonders das Helldunkel mit großer Meisterschaft behandelt, wenn er
auch in seiner Auffassung oft zum Süßlicheu neigt. v. Payers Bai des Todes macht auch hier den hoch-
tragischen Eindruck wie seinerzeit in München, obwohl das Bild entweder schlecht beleuchtet ist, oder die Farbe
in den zwei Jahren seither schon bedeutend an Klarheit verloren hat. Das aber hat der Künstler jedenfalls
vortrefflich verstanden, seinem Bild einen Charakter von Größe und Erhabenheit zu geben, welche das Schauer-
liche und Beängstigende desselben versöhnend aufheben. Für ein Erstlingswerk ist diese Darstellung des Todes
braver Seeleute, die sich in den Dienst eines idealen Zweckes gestellt, von einer geradezu überraschenden Kraft
und guten Erfindung.
Schilderungen des „finstern Mittelalters" bringen nun, bald mit einiger Tendenz zur romantischen
Jdealisierung oder mehr nüchterncr Wahrhaftigkeit Hellqvist, Weigand, und allen voraus Janssen aus
Düsseldorf. Von ihm sind drei Kartons zu seinen Erfurter Bildern da, die an eigenartiger Energie und Größe
der Auffassung wie höchst glücklicher realistischer Wiedergabe der Charaktcre das Überrascheudste leisten. So
besonders sein das Kreuz unter den widerstrebenden thüringischen Heiden auspflauzender Bonifacius, ein asketischer
Schwärmer, voll um so größeren Eifers, als derselbe eigentlich mehr im Verstand als im Gefühl wurzelt.
Nicht minder gelungen ist sein Kaiser Rudols von Habsburg, voll echter, nüchterncr Schweizerbauern-Schlauheit,
dann der Erfurter Rat, dem die Bürger und der Pöbel hart zusetzen. Janssen rersteht die Menschen des
Mittelalters gründlicher als irgend ein anderer, noch besser selbst als der weniger realistisch individualisierende
Alfred Rethel, und man möchte es sast bedauern, wenn er sich ihnen nicht ganz, sondern gelegentlich auch
autiker Mythe odcr der Allegorie zuwendet, wo er, wie verdienstvoll auch immer, doch uicht so originell ist.
Trägt seine Auffassung immer den Charakter der Größe, so zeigt Hellqvist dagegen in seiner Brand-
schatzung Wisbys durch König Waldemar vonSchweden cine gewisse Vorliebe für die Menzel'sche Art, nur
gewürzt durch graues Regenwetter und zerrissene Hosen. Seine Wisbyer und Schweden werden dadurch gleich
wenig bestechend, und seine Auffassung ist ein wahres Gegengift gegen alle Romantik, um so mehr, als sie,
nichts weniger als talentlos, sondern unstreitig bis zu einem gewissen Grad überzeugend ist. Jmmerhin ge-
fälliger erscheint Weigands „Einbringung des Raubritters Haus Schüttensamen in Nürnberg, 1472", die
ebenso wahr ist als Hellqvist, aber erstens den Humor und zweitens die edlere Zeichnung und weniger abstoßende
Färbung vor ihm voraus hat. Seinen Raubritter überkommt zwar eine unbequeme Ahnung, daß er jetzt
gehangen, wo nicht gar geschunden werden könnte, aber er hat offenbar noch nicht alle Hoffnung aufgegeben,
beiden Eventualitäten doch noch zu entrinnen und dem Bürgerpack, das sich jetzt so freut ihn erwischt zu
haben, eine Nase zu drehen. M ax Adamos Karl I., der von seinen Kindern Abschied nimmt, leidet
bei einem schönen malerischen Talent, eben doch daran, daß seine fremder Nationalität entnommenen Menschen
 
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