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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 1.1885-1886

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Pecht, Friedrich: Die Berliner Jubiläums-Ausstellung, [3]
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Die Berliner Jubiläums-Ausstellung. Bon Fr. Pecht

Recht auf eine gründlichere Beurteilnng, als sie bei einmaligem Besnch des Zeughauses möglich ist, ich muß
mir daher eine eventuelle Korrektur des hier über ihn Gesagten noch vorbehalten, bis ich seine Schöpfungen
noch mehrmals gesehen haben werde, wo dann zugleich die übrigen Bilder anzureihen sein werden.
Eine andere Art von Klassizismus repräsentiert Canon, dessen „Loge St. Johannis" die Leser der
„Kunst für Alle" ja schon kennen. Dieselbe hat leider durch das koloristische System des Künstlers in den 13 Jahren,
seit ich sie gesehen, schwer gelitten, ist gelb, matt nnd kraftlos geworden, da die Lasuren, mit welchen Canon
seine Arbeiten zu vollenden pflegte, mit der Zeit widerlich glüsern wirken, die grauen Töne nnd damit die Körper-
haftigkeit der Dinge aufheben. Reizend ist dagegen sein kleines Altarbild im Stile der alten Niederländer,
weil er da unabhängiger von großen Meistern schuf und also auch mehr Wärme und Jnnigkeit der Empfindung
zeigt. Zu den Klassizisten zählt auch Bernhard Plvckhorst, dessen „Schutzengel", der zwei Kinder vom
Abgrund zurückhält, indes doch mehr modern angenehme Süßigkeit zeigt, als sich mit der strikten klassischen
Observanz vereinigen läßt. Ungefähr Ähnliches kann man von Ludwig T hierschs Kreuzschleppung sagen,
die wohl komponiert, aber des angemessenen Ernstes der Färbung entbehrend, doch zu sehr der inneren Würme
ermangelt. Bedeutender ist eines anderen Müncheners,
PapP er itz'Kt?euzschleppung, schon weil er die richtige Einsicht
hatte, sich mehr an Paul Veronese zu halten und auch diesen
Meister nicht direkt nachzuahmen, sondern zu suchen, auf
dem Wege eines erneuten Naturstudiums zu einem ähnlichen
Resultat zn kommen. So vereint denn sein Bild mit einer
schönen farbigen Wirkung eine Anzahl gelungener Figuren
und zeigt zugleich ein Lebensgefühl, das den bloßen Nach-
ahmungen fast immer abgeht. — Deshalb zählt es zu den
bedeutenderen Schöpfungen dieser Art. Jn ähnlicher Rich-
tung bewegt sich der Berliner Prell bei seinem den Sieg
der Kunst darstellenden rein dekorativen Deckengemälde für
das Berliner Architektenhaus, wo er die gleichartigen Dar-
stellungen des Paolo mit ihren Froschperspektiven benutzte,
aber sreilich allzu roh blieb. Noch weniger kann man sich
mit seinem Judas befrennden, der eben von den Pharisäern
die Silberlinge erhält, einem rothaarigen Burschen anf einer
grünen Wiese, in die sie alle drei bis an die Kniee ver-
sunken sind, während sie über ihnen sich noch endlos aus-
dehnt. Derlei schmntzige Geschäfte besorgt man aber doch
schwerlich so auf freiem Felde. Wenn da der Münchener
Grönvold seinen bei Mondschein in der Wüste betenden
Christus ebenso hoch hinaufstellt, als Prell den Judas tief
hinunter, so ist das wenigstens besser motiviert und seine
Figur auch sonst nicht ohne energische Wirkung und eine
gewisse Originalität. Wenigstens recht liebenswürdig, wenn
auch ein wenig modern empfunden, ist dagegen eines anderen
Berliners, Julius Grün, bei Murillo anknüpfende Ma-
donna mit dem vor ihr stehenden und segnend die Arme
ansbreitenden Christuskinde. Jn diese Kategorie der sich mit
mehr oder weniger Selbständigkeit an die Alten anlehnenden Bilder gehört auch Friedr. Aug. Kaul-
bachs heilige Cäcilie an der Orgel, nur daß hier wie bei Lenbach die Nachahmung nicht eine direkte, sondern auf
einem langen Studium ihres Kolorits und seiner Grundsätze beruhende ist, ohne daß man an irgend einen Meister direkt
erinnert würde. Ohne eigentlich tiefe Aufsassung, fesselt das Bild doch durch den liebenswürdig seelenvollen
Ausdruck nicht weniger, als durch den Ernst und die süße Glut des Tons.
Völlig selbständig und doch mächtig ergreifend erscheint dagegen des Gabriel M ax' bekannter Ge-
kreuzigter. Durchaus eigenartig, wie alles, was Max macht, wird man erschüttert von diesem im Augenblick
des Verschcidens dargestellten blassen, blutigen Manne, der da am Kreuze hängt, während sich die Sonne ver-
finstert, die Erde bebt und dunkle Nacht die weite Landschaft in ihre Schleier einhüllt. Dies Opfer des Fana-
tismus und der Rachsucht einer herrschenden Priesterkaste rührt uns um so mehr, je länger man es betrachter.
Es wäre gar keine Versöhnung in dem Bilde des von Blut überströmten, von seinen langen dunkeln und
wirren Haaren ganz beschatteten Heilands, dessen edle und gramerfüllte Züge hoffnungslose Trauer aussprechen,
wenn man nicht unten die gernngenen Hände der Frauen und darin wenigstens ein Zeichen sähe, daß er nicht
nur Haß und Verachtung, sondern auch Verehrung und Liebe, wenigstens bei einzelnen, gesunden, daß also


Wadomm. Skizze zu seinem Ausstellungsbilde
von Franz Simm
Berliner Iubil.-Ausstellung
 
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