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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 1.1885-1886

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Pecht, Friedrich: Die Berliner Jubiläums-Ausstellung, [5]
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8^ '


3^2 Die Berliner Jubiläums-Ausstellung. von Fr. j)echt
der weißen Wand direkt an sein Vorbild erinnert. Unlengbar verdanken die genannten Mnnchener einen guten
Teil ihrer technischen Bravour und soliden Färbung ihrer herrlichen Galerie, aber die Berliner wie vollends
die Dresdener Sammlung sind ja auch reich, ohne daß man ihren Einfluß wahrnähme, den übrigens weder
Max noch Defregger oder Uhde, noch viele andere zeigen Jn etwas frühere Zeit als Diez und Klaus
Meyer führt uns Direktor v. Piloty mit seinen vor dem hohen Rat der Drei erscheinenden Bravis, die
unter Vorzeigung der blutigen Kleider eines in seinem Auftrag Ermordeten ihren Lohn holen. Das sonst
vortrefflich gemalte Bild läßt freilich über die Unwahrscheinlichkeit nicht wegkommen, daß dieser hohe Rat
Bravis selber vernommen und gelohnt habe.
Jn die Zopfzeit fährt uns dann Seiler, dessen „Aufhebung einer Geheimdruckerei" — wohl zur Zeit
der beginnenden Revolution — in den Soldaten die damalige Art vortresflich, mit ebensoviel Delikatesse des
Vortrags als feinem Geschmack charakterisiert und uns nur über die Nationalität der Drucker im Dunkeln
läßt. Seinen köstlichen Humor zeigt der Künstler dann in der „Hintertreppenpolitik", wo drei Diplomaten
einander in die Ohren zischeln und durch ihr Wichtigthun nur ihre Bedeutungslosigkeit maskieren. Das ist
nun aber so geistvoll gegeben, so meisterhaft gezeichnet
und mit einer an den leichten Pinsel Walteaus erin-
nernden Feinheit gemalt, daß man diese Perle neben
jeden Meissonier hinstellen kann, ohne daß sie verliert.
Auch Seiler gehört wie Klaus Meyer jenem Jung-
München an, das sich in wenigen Jahren zu Ruf
und Bedeutung gebracht, die er freilich samt seiner
Begabung meistens für England verwendet, wohin er
nach dem Kriege, den er mitgemacht, gegangen war,
und wo man ihn noch höher schätzt, als selbst bei uns.
Zu den eigentlichen Koloristen gehört dann
Holmberg, dessen Schachpartie vornehmer Geistlicher
einen seltenen Reiz des Tons zeigt, der noch erhöht
wird durch einen einfallenden Sonnenstrahl, welcher
bloß einzelne Teile der Gruppe trifft. Aber auch die
Charakteristik der spielenden Herren ist vortrefflich ge-
lungen und macht das Ganze zn einem wahren
Kabinettsstück.
Ein ähnlich charmantes Kabinettsstück gibt
auch Simm in seinen zwei durch das Eintreten eines
Priesters in lustiger Unterhaltung unterbrochenen vor-
nehmen Damen aus der Empirezeit. Mit seinem
unverwüstlichen Humor führt uns dann Grützner den
Wettstreit zwischen dem Teufel und dem schlesischen
Zecher vor, wo der letztere, dessen toller Übermut vor-
trefflich geschildert ist, gewinnt. Das Bild ist be-
sonders durch die meisterhafte Behandlung des Hell-
dunkels intereffant, indem sich der Vorgang im Wein-
keller abspielt. Zu den reizendsten Schilderungen der
deutschen Vergangenheit gehört dann jener Hochzeitszug
eines adligen Brautpaares, der aus dem Wald heraus
der auf hohem Felsen sichtbaren Burg des Bräutigams
zureitet, von LudwigHerterich. Derselbe hat dabei nicht nur die genaueste Kenntnis der Sitten, Hosen und Röcke,
sondern auch der Menscheu des fünfzehnten Jahrhunderts entfaltet. Ritter und Knappen, Frauen und Männer
sind da mit einem gesunden Humor geschildert, der an Scheffel erinnert, da er die Schönheit nicht aus-
schließt sondern anfsucht. Dahin gehört auch Noerrs Kneipe in der Nähe eines Schlosses, wo ein Jude
dem Ritter und Besitzer desselben eben kostbare Geräte abkauft, die derselbe wahrscheinlich auf der Landstraße
„gefunden". Das ist lustig, nicht nur in der Auffassung, sondern auch heiter und sinnig in der Stimmung.
Nicht weniger ist es Schleichs „Pferdemarkt", eine kleine, zierliche Darstellung aus dem Ende des siebzehnten
Jahrhunderts. Das Äußerste nach der Seite zierlicher Ausführung hin leisten indes zwei winzig kleine Bildchen
eines „Hofnarren" und eines gelehrten „Grüblers" von Buchbinder, die in der That in ihrer feinen Durch-
bildung und dem soliden, reichen Ton einem Netscher oder Mieris keine Schande machen würden. Zu
seiner Empfehlung können wir dem Grübler auch noch nachsagen, daß es ein sehr hübscher junger Mann ist,
der sich so in den Vitruv vertieft hat, daß er dessen Zeichnungen mit dem Zirkel nachmißt. Hugo König


WMkrtLndrrin. vo» Fritz werner
 
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