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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 1.1885-1886

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Pecht, Friedrich: Die Berliner Jubiläums-Ausstellung, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.9416#0382

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Das Sittenbild , 2gy
ihrem jungen Glück gelächelt, und der Nordwind hat längst Blätter und Blüten entführt. Diese trübe Stim-
mung der Landschaft ist meisterhaft gegeben und paßt trefflich zu dem trostlosen Gegenstand. Knille führt
uns dann zu einem „Auszug der Zwerge" in phantastisch komponierter Felsschlncht, wo nns die Felszacken
Gesichter schneiden und oben sich im blaugrüneu Mondlicht die Trümmer eines Schlosses zeigen. Barock uud
voll Humor erinnert der meisterhafte Charakter des Ganzen an ähnliche Bilder unseres Spitzweg und regt
die Einbildungskraft geheimnisvoll auf.
Sichels Almse, Clementz' Semele und Beroö, Konr. Kiesels Mandolinata thun das trotz des
unbestreitbar an sie verschwendeten Talents sehr viel weniger, weil man ihnen das Willkürliche, den Mangel
aller Naturwüchsigkeit zu sehr anmerkt. Gerade der letztere hat doch in Düsseldorf und München die reizendsten
Bilder moderner Frauen aus der Gesellschaft gemalt, warum kapriziert er sich nun aus solche Ware'? Jst
das der ungünstige Einfluß des hier unter den .Iläufern herrschenden verdorbenen Geschmacks? Panlsen
dagegen gibt zwei solcher eleganter Berliner Dämchen, von denen die eine Pietschs „Ballbericht" der andern


Vas tollr Iahr ;u Ersüri. Uarton zn cinein ivandgcmälde für das Rathaus zu Lrfurt. von Petcr Iansscu

vorliest, allerliebst wieder und hat mehr Natur darin, als in sämtlichen in Berlin ^V. entstandenen Jtalienerinnen,
Almses und Odalisken zu finden, die so sichtlich für alte Sünder gemalt wurden.
Liebermann und Paul Höcker sündigen allerdings auch ein wenig durchs Gegenteil, durch allzu
große Nüchternheit, obwohl des letzteren deutsche Matrosen, die eine Kanone laden, wenigstens durch die Frische
dieser braven Jungen erfreuen, trotz der zn reizlosen, die Spiele des Lichts wie der Farbe gleich sehr ver-
schmähenden Malerei. Liebermann dagegen überrascht allerdings durch den guten Ton seines Tischgebets
einer holländischen oder niederdeutschen Taglöhnerfamilie, aber seine Wahrheit der Charaktere ist zu zurück-
stoßend unschön, als daß man eine rechte Freude daran haben könnte. — Allerdings gibt es keine Schönheit
ohue Wahrheit, aber auch keine Kunst ohne Schönheit.
Unstreitig liegt noch etwas Zerfahrenes in dieser nach allen Seiten herumtastenden Berliner Produktion,
es fehlen ihr die gemeinsamen Züge. Offenbar nur, weil sie, stalt sich an ihre Hauptmeister Menzel,
Knaus und v. Werner zu halten, die doch einen vollkommen richtigen Weg in einer Reihe glänzender
 
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