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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 3./​4.1921/​22

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1. Septemberheft
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Donath, Adolph: Die Eröffnung des Berliner Schloßmuseum
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Sorgenfrei, Paul: Kunstglas und Elfenbein auf der Leipziger Herbstmustermesse 1922
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Strauß, Konrad: Neuausstellung im "Lienauhause" zu Frankfurt a. O.
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https://doi.org/10.11588/diglit.21786#0025

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mit der Luxussteuer werden nicht nur wirkliche Luxusartikel,
sondern auch alle Qualitätswaren mit einer unbegründeten Steuer
belegt, was fiir Qualitätshandwerk und Kunstgewerbe äusserst
nachteilig wirken muß. Dazu kommen die verschiedenartigen
Zollschikanen. Um nur ein Beispiel anzuführen: für die Ausfuhr
von verzierten Schmuckgläsern nach Italien betrug der Zoll für
100 kg vor dem Kriege 1,20 Lire, Ende Juni d. J. 12 Lire, jetzt
30 Lire nach dem neuen Zolltarif.

Für Messzwecke müssen sich die Kunstglasfabrikanten vor
Augen führen, daß der einheimische Qualitätssinn die Rücksicht
auf den Export nicht hintansetzt. Ist ja doch das Messgeschäft
zum großen Teile Auslandsgeschäft, weshalb auf den ausländischen
Geschmack Rücksicht genommen werden muß.J Schon auf den
letzten Messen konnte man konstalieren, daß diesem Umstande
von seiten der Kunstglasindustrie in weitgehendem Maße Rechnung
getragen wird.

Man konnte auch auf dieser Messe wiederum reichhaltige
Kollektionen von Kunstgläsern in allen möglichen Ausführungen
und Techniken sehen. Schliff, Ätzung und Gravur, in Kristall
und farbig, wetteifern miteinander, um die reizvollsten Muster
hervorzubringen. Es fehlte auch nicht an einem Verfahren zur
Erzielung kunstvoller Effekte. So z. B. bemerkte man Amethyst-
gläser mit Goldreliefverzierungen, Emailgläser mit ebensolchen,
Gläser in sogenanntem Mattsatz in Verbindung mit Transparent-
farben. Recht apart sahen die Gläser mit echter Silber- und
Goldauflage aus, die aus Steinschönau stammten, das neben
Haida mit am meisten vertreten war. Viel Beifall fanden auch
wieder die Silhouettengläser, mit allen möglichen Motiven aus
der Natur-, Märchen- und neuerdings auch Sportwelt.

Mehr als zu anderen Messen war diesmal Kristallglas
vertreten. Eine eigenartige Wirkung wird dureh den neuen Pris-
menschliff hervorgerufen, den man bei Tellern und Schalen sehen
konnte und den die Glasraffinerie Christian Milan, Steinschönau
zur Messe brachte, vorläufig in gewöhnlichem böhmischen Glas,
zur nächsten Messe in Bleikristall. Hier wurde z. B. aus einenr
Teller von 31 cm Durchmesser 2'/2 kg Glas herausgearbeitet.
Ferner war eine Kombination von Blank- und Mattschliff eine
neue Technik von hochkünstlerischer Wirkung, wie eine solche
auch der breite Flächenschliff hervorbringt (Neumann & Staebe,
Hermsdorf unterm Kynast). Dem Geschmack des Auslandes an-
gepaßte Kristallgläser in großer Auswahl bot die reiche Kollektion
von Franz Xaver Henke (Heida), vor allem für Italien, Spanien,
Südamerika, die das Auffällige, fast Überladene bevorzugen. Neue
Napoleongarnituren mit ganz glatten Wirkungen bot R. B. Mar-
kowsky (Langenau bei Heida), wobei das Wuchtig-Massige be-
sonders wirkte. Bei den sonstigen Schalen, Vasen usw. auf
dieser Ausstellung konnte man auch eine andere Geschmacks-
richtung konstatieren: unter Vermeidung des Überschwenglichen
bevorzugte man fließende Linien bei fast allen Mustern. Mit
mächtigen Prunkgläsern in aulfallender Größe wartete Fritz Heckert
(Petersdorf) auf u. a. noch mit einer neuen Schliffrichtung, die
einer modernen Linienführung Rechnung trägt; ein aparter Ge-
schmack offenbart sich in der Kollekton Bernsteingravur.

Künstlerische Elfenbeingegenstände erfreuen sich
einer immer größeren Beliebtheit, was auch dadurch zum Ausdruck
kommt, daß dieselben auf den Leipziger Mustermessen immer
mehr vertreten sind. Wahre Kunst in modernem und antikem
Sinne und in reicher Auswahl bot Richard Haffke (Dresden), und
zwar sowohl in Elfen-Malerei wie -Schnitzerei. Viel begehrt
wurden Miniaturen, die nicht in einer selten großen Auswahl zu
sehen waren; bemerkenswert war ein Tableau mit 18 Miniaturen
von J. Sticher („Münchener Schönheitsgalerie“). Zwei Tryptichen
in hervorragender Schnitzerei zeigten Napoleon und Josefine und
in der Mitte Napoleon mit seinem Sohn, die andere Friedrich den
Großen und die Tafelrunde, auf den Flügeln zwei Generäle.
Figuren und Reliefs, große Humpen waren auch hier zu sehen.
Die bisher in Bronze hergestellten reizenden Dosen mit singendem
Vogel konnte man diesmal auch in Elfenbein mit Schnitzereien
(Tanz- und Liebeszenen) ausgeführt sehen. Sehr viel Beifall
fanden die antiken Imitationen schöner Elfenbeinstücke von Bach-
rach & Co. (Düsseldorf), u. a. auch nach japanischen Originalen,

wovon sogar ein kleines, aber sehr interessantes Exemplar zu
sehen war. Auch in Miniaturen und Figuren antiken und modetnen
Genres bemerkte man hier ausgezeichnete Arbeiten, darunter
hübsche Gruppen. Dem modernen Gesehmack ist ferner durch eine
reiche Auswahl handgeschnitzter Broschen und Anhänger Rechnung
getragen, die sehr viel Anklang fanden. In dieser Art Arbeiten
brachten die Berliner Werkstätten Preiß & Kassler eine doppel-
seitige Bearbeitung der Elfenbeinschnitzerei, was sehr apart wirkt;
in vollendeter Auslührung, bis ins kleinste subtil gearbeitet, sah
man auch Rosen, ferner noch Figuren, teils in Verbindung mit
Bronze, so z. B. eine feine Arbeit als Flamingo. Als Neuheit
waren angesprochen Elfenbeinarmreifen mit feinen Schnitzereien,
sowie Ketten mit Ebenholz, sogenannte Bajaderen. Die Elfenbein-
kunst hat eine erfreuliche Wiederbelebung erfahren.

Paul Sorgenfrei.

JHeuauf{fellung im „Lienauf)aufea
eu prankfutt a* 0.

Nachdem bereits schon im Jahre 1905 Herr M. M. Lienau
sein Haus der Museums-Gesellschaft für Sammlungszwecke zur
Verfügung gestellt hatte, ging diese nunmehr daran, daß neu-
erworbene Haus zu füllen. Es läßt sich denken, daß bei der

Kirchenzimmer im „Lienauhause“

Suche nach Material irn Laufe der Zeit auch allerhand Gegen-
stände mit aufgenommen worden sind, die bei genauerer Durch-
sicht, selbst ohne strengere Kritik zu üben, wohl besser nicht in
ein Museum gepaßt hätten. Da dem Museum aber keine großen
Mittel zum Ankauf von Gegenständen, vor allem keine für sach-
kundige Verwaltung zur Verfügung standen, so war bei der
nur nebenamtlich geleiteten Aufsicht nicht immer allzu starke
Sachkenntnis vorhanden. In den zahlreichen Räumen des Lienan-
hauses sind außer den kunst- und kulturgeschichtlichen auch vor-

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