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Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 3./​4.1921/​22

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2. Märzheft
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Hellwag, Fritz: Zeitgeist und Werkbundarbeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.21786#0380

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Beitgetß und lÜeckbundaebeit

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Oft sehnt man sich danach, zur Gegenwart den rechten
Abstand zu haben, der eine sichere Beurteilung
des derzeitigen Kunstschaffens ermöglichen wiirde. Taucht
man in die Vergangenheit, in der ja die Leser dieser
Zeitschrift mit Kennerschaft sich heimisch fühlen, und
vergleicht dann mit den überlieferten Hauptwerken die
Leistungen unserer Tage, so möchte man oft kleinmütig
verzagen; man bemüht sich dann, zur eigenen Recht-
fertigung, die viel günstigeren Schaffensbedingungen der
Vorfahren in Rechnung zu stellen, ohne doch damit den
großen und so fühlbaren Abstand überbrücken zu können,
der uns sichtbarlich von ihrer Meisterschaft trennt. Oder
die Phantasie nimmt den Fiug in die Zukunft, um sich
auszumalen, wie wohl einst die Arbeit unserer Tage rück-

sich später im Deutschen Werkbund zusammenschlossen,
so streicht noch jetzt ein Luftzug über uns, wie er zur
Zeit der Frührenaissance die italienische Erde erfrischt
haben mag. Zunächst war es eine wahre Kreuzzug-
stimmung, die uns erfüllte zum Kampf gegen das Über-
lebte und den falschen Schein, in dem das lebendige
Gefühl nicht gedeihen konnte. Dann aber, als die
morschen Gerüste der unechten Gewerbebetätigung schnell
zusammengebrochen waren, begann die sehr viel ernstere
Sorge um den Aufbau des Neuen, das sich so über-
raschend und eindringlich angekündigt hatte. Es darf
offen eingestanden werden, daß unsere Künstler oft in
der Irre gegangen sind, aber dennoch: auch dieses Irren
war frische Gegenwart strebender Hingabe, deren Ge-

Walter Haggenmacher, München: Metallarbeiten

Besitzer: Deutsches Museum, Hagen, und Krupp von Bohlen-Halbach, Essen

schauend beurteilt werden mag, und sich vorzustellen,
woher unsere Nachkommen den Maßstab für ihre Be-
urteilung gewinnen werden.

Dann aber mischt sich in diese Gedankenträume,
nicht ohne tiefe Beglückung, das Rauschen des lebendigen
Daseins. Wir empfinden deutlicher als vorher, daß auch
ein bis zur letzten Grenze gesteigertes Nachfühlen die
Werke der Vorfahren nicht voll ausschöpfen kann, weil
uns ihre Gegenwart fehlt, die unwiederbringlich dahin
ist; und so verstärkt sich der Wille, in Daseinsfreude
die zeitlichen Ausdrucksformen mitzuüben und in naiver
Genußfreudigkeit aufzunehmen, sind sie doch, trotz aller
etwaigen Unzulänglichkeit, Geist von unserem Geist und
das Maß der uns verliehenen Kräfte, das man nicht
übersteigern kann. Es mag daneben noch das Regulativ der
Vergangenheit wirksam bleiben, damit es vor unfrucht-
barer Überheblichkeit bewahre.

Erinnern wir uns der Tage, in denen wir in skla-
vischer und meist so talentloser Stilnachahmung befangen
waren, und dann des ersten Auftretens der Künstler, die

denken wir nicht missen möchten. Manche Künstler
gaben schon bei den Versuchen ihr Bestes her, aber
viele sind doch bis Reife gelangt.

Fast auf allen Gebieten zugleich begann eine emsige
Arbeit, die, je tiefer sie in die Gewerbe eindringen
wollte umso früher den Künstlern die Erkenntnis brachte,
was ihnen zur restlosen Materialisation ihres Wollens
und ihrer Gedanken fehlte, nämlich die Beherrschung
der Technik und des Handwerks. Es ist ein gutes
Zeichen für den Ernst, mit dem die Lage betrachtet wird,
daß diese Erkenntnis jetzt in der zweiten Generation
sich in verstärktem Maße erneuert; viele unserer Jungen
sind ganz von der Überzeugung erfüllt, daß sie ihr Ziel
nur dann erreichen werden, wenn sie einmal ganz zu
Handwerkern geworden sind, die ihr eigenes Werk vom
Grunde aufführen können.

Die erste Künstlergeneration, die etwa um 1890 ihre
Arbeit begann. blieb in der Hauptsache noch bei der
überlieferten, ihren Ursprung aus der Renaissance da-
tierenden Zweiteilung des Entwerfens und Ausführens.

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