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Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 3./​4.1921/​22

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1. Januarheft
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Ollendorff, Oscar: Rudolf Schick
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https://doi.org/10.11588/diglit.21786#0244

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Rudolf Sebtek

ooti

Oscat Ollendot?ff

117 s gibt Ausstellungsbesucher, die vor einem Bilde
■*—14 zuerst fragen, ist es so und so gemalt, so und so
gebaut, gehört es seelisch der und der Gesinnung, und
schon durch die Antwort entscheidet sich für immer ihr
Interesse. Glücklich der Kunstfreund, der kein Talent
hat, einseitig Partei zu ergreifen, der zunächst nur eine
einzige Frage an jedes Werk kennt: hat hier Jemand
geredet oder gestaltet, und dann, wenn er das Wunder
und das üeheimnis der Gestaltungskraft findet, freudig
und dankbar genießt, unbekümmert um Theorien und
Partei- und Zeit-Fanatismus. Gerade solcher Betrachter
wird auch der eignen Epoche in richtiger Art seine
Teilnahme nicht versagen, die er, allem Ächten zu ge-
währen, gar nicht unterlassen kann. —

An heißen Sommertagen
schlenderte ich durch wohl-
bekannte Räume, wohlbe-
kannt von manchem flüch-
tigen Besuch. Nun konnte
und durfte ich länger ver-
weilen, und die Zimmer —

Berliner Kunstfreunden ge-
hörig — sprachen zu mir, ein-
dringlich und zurückhaltend,
mit erquickendem Wohllaut.

Modisch waren die Räume
keineswegs und auch die
Bilder nicht an den Wänden.

Aber wohin man sah,
wohin die Aufmerksamkeit
sich lenkte: ringsum Wohllaut.

Die Gemälde, von „Stillen im
Lande“, kannten aile selbst
keinen lärmenden Ton.

Flüchtigen Ausstellungsbesuchern sind sie schwerlich
je zu Dank gewesen. Jetzt aber genossen sie ein
beneidenswertes Los, wie es Menschen und Kunstwerken
nur ausnahmsweise zu Teil wird. Hier in diesen
Zimmern sind sie nicht durch irgend einen blöden
Zufall, sondern, indem sie ihr Dasein atmen, nehmen,
sie geschwisterlich teil an einer Harmonie, die mitzutönen
sie gerufen wurden.

Mich fesselten am stärksten einige Bilder von Rudolf
Schick. Im Schatten eines Größeren ist Schick durch’s
Leben gegangen, und er hat den Großen besser ver-
standen, als der Große ihn. Wie dort auf der Ölskizze
der Faun mit der Nymphe liebelt, wie die helle Heitere
den Gesellen abwehrend liebkost, hinter ihnen der Fels
mit dem tief dunklen Grün und das Himmelsblau zwischen
Wolken — vielleicht, gewiß, ohne Böcklin undenkbar. Aber
wer ein Frauenlächeln und eine anmutige Bewegung so
zu sehen und zu geben vermag, der ist selbst beglückt
und wird jeden frischen, unbefangenen Sinn beglücken.

Und wie keck, ja wie kühn ist dies Laubwerk am Felsen
hingewischt, mit einer gewissen derben Anmut, nicht so
sehr an sich sprechend, als um durch Widerspruch die
weiße Nymphe erst recht dem Auge zu wecken. Auch
bei der Mutter mit dem Kind auf einer andern Ölskizze
überrascht anmutiger Reiz in Haltung und Bewegung der
jungen Frau, wetteifernd im seltsamen Feinen mit dem
Schwarz und Grau und Violett der Farben-Musik.

Waldboden-Idyll, jenes Stilleben, ruft Erinnerung
wach an Gottfried Keller. Man sieht großes Blattwerk
auf einem Wiesenboden, selbst warm im Sonnenlicht
sich badend, dicht dahinter, nur eben sichtbar werdend,
tiefes Waldesdunkel. Ein Jugendwerk des 20 jährigen
Malers. Keller schreibt einmal, als er eine Jugendarbei't

wiedersieht: „Ich erkannte
sie besonders auch an einer
großen, breit wuchernden
Lattichpflanze, deren Blätter
hell vom Lichte gestreift
wurden. Diese malerische
Pflanze hatte mir in jenen
vergangenen Tagen so viel
Freude gemacht, daß ich sie
mit glücklicherem Fieiße, als
gewöhnlich, nachgebildet,
und sie war auch so reich-
haltig und gelungen in ihren
speziellen Stengel- und
Blätterkünsten, daß ich nie
einer zweiten Lattichstudie
bedurfte, so lang ich
dieses Blatt besaß.“ Es
klingt etwas an in Kellers
kernigen Worten von dem
Zauber dieser Schick’schen Arbeit.

Auch Landschaften fand ich, Ölbilder und technisch
verschieden behandelte, treffliche Aquarelle, deren Motive
wahrscheinlich mit geringen Schiebungen und Änderungen
unmittelbar nach der Natur genommen wurden, wie
Böcklin nie zu tun pflegte. Keine heroischen Land-
schaften sind es, nicht zusammengebaut, doch erscheinen
sie auch nicht in einem engeren Sinne realistisch, weil
mit verklärendem Auge gesehen; nirgendwo ein Ermüden
oder gar Abfallen zum Gewöhnlichem, Reiz an jedem
Fleckchen und doch niemals ein Haften am Einzelnen;
die Bild-Einheiten, klar und anregend geschaut, sind auf
Grund eines starken Gesamtgefühls erlebt. Am schönsten
für mich „Sorrent“ aus dem Jahre 1864. Man erblickt
in silbriger Feinheit, die sich schmeichelnd an die Seele
drängt, eine lichte, südliche Stille. Dann, ebenfalls auf
kleiner Bildfläche, fast unheimliche, rote Campagna-Glut,
durch ein paar belichtete Hütten, eine schimmernde
Baumgruppe und wandernde Wolken einer großen Stille

Rudolf Schick, Hiflattich im Park von Schönhausen
bei ßerlin, 1860

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