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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 3./​4.1921/​22

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2. Septemberheft
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Donath, Adolph: Kunstwanderungen im Lippischen: die Sammlung Hermann Temmler in Detmold
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Sauerlandt, Max: Von der Nordischen Woche in Lübeck
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https://doi.org/10.11588/diglit.21786#0053

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F. Bol, Mars und Venus Sammlung Temmler, Detmold

uns wertvoll genug erscheinen, daß sie der Forschung dienlich
sein könnten. Also möchte ich bloß vermerken, daß uns unter
dem Porzellan der Temmlerschen Sammlung eines von den
Courtisanenservicen bezaubert, ein in seiner hohen Qualität einziges
Service der Gräfin Königsmark von 1720, in Weiß und Gold (mit
dem Lederkasten der Zeit), sowie ein komplettes Frankenthaler
Watteau-Service (mit der Löwenmarke,) das zweifellos zu den
besten Exemplaren der Gattung zählt Auch ein Rudolstädter
Geschirr und überhaupt die Thüringischen Geschirre Temmlers
verdienen Beachtung. Unter den Porzellangruppen und -Figuren
grüßen uns die bekannten Musiker- und Chinesen-Serien aus
den verschiedensten Manufakturen, Thiiringer Figuren, Franken-
thaler Proben aus der Folge der Monate von Konrad Linck,
Chambrelans-Sachen usw. Ein Hauptstiick ist wohl die qualitäts-
starke Frankenthaler Leda mit dem Schwan.

Sehr umfangreich ist dann bei Temmler die KoIIektion der
Fayencen, deren wissenschaftliche Erforschung duich Stoehr und
Riesebieter in den letzten Jahren da und dort die Veranlassung
zu intensiverem Sammeln bot. Frankfurt, Hanau, Bayreuth, Niirn-
berg, Thiiringen usw, sind hier durch manches treffliche Exemplar
vertreten. Die Gruppe der Enghals- und Walzenkrüge zeigt
ebenso gute Stiicke wie die der Schiisseln, Platten und Teller.
aus deren Reihe Bayreuther und Künersberger Wappenteller und
ein Straßburger Teller mit aufgelegten Früchten hervorragen.
Natiirlich ist auch Delft da und französische, schweizerische, und
italienische Fayence. Daneben sieht man altes Zinn (besonders
in dem gemütlichen mit einer Unzahl von Lichtputzscheeren be-
hängten Weinkeller), alte Holzskulpturen usw. Und zwischen den
Vitrinen — ich glaube, es sind bei Kommerzienrat Temmler nicht
weniger als vierzehn — hängen auch einige alte Meister: hier ein
kleiner Cranach („Die Verführung“) aus ehemaligem Münchner
Besitz, dort ein großer Ferdinand Bol („Mars und Venus“), hier
ein typischer Friedrich August Tischbein. Temmlers Bol ist im
„Original Verzeichnis der Herzoglichen Bilder-Gallerie zu Salz-
thalen, Braunschweig 1776“ folgendermaßen beschrieben: „Venus
stehet, ein Liebesgott bindet ihr die Schuhriemen zu. Mars liegt
und schläft. Drey Liebesgötter sind beschäftigt, seinen Arm über
ein Schild zu legen. Hinter der Göttin setzet sich ein Kind einen
Helm auf. Figuren in Lebensgröße“. Adolph Donath.

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tn Lübeck.

Das auf wirtschaftlichem Hintergrund entwoifene Programm
kultureller Veranstaltungen der Nordischen Woche in Lübeck gibt
dem „Kunstwanderer“ Anlaß zum Verweilen. Was an künstlerischen
Dingen durch Vorträge und Ausstellungen geboten wurde, war
zum Teil von hervorragender, iiber Wochenwirkung weit hinaus-
greifender Bedeutung.

AIs erster sprach der Nestor vorgeschichtlicher Forschung
Oscar Montelius, der während der Liibecker Tagung in
jugendlicher Frische des Körpers und Geistes seinen 78. Ge-
burtstag feiern durfte. Seine Mitteilungen „Aus der Urgeschichte
der üermanen'' gaben aus dem reichen Vorrat ausgebreitetsten
Wissens Andeutungen iiber die Entwicklung der kulturellen Ver-
hältnisse und der künstlerischen Formensprache der nordischen
Ureinwohner von der älteren Steinzeit bis in die Epoehe der
Wickinger.

Johnny Roosval aus Stockholm, der sich mit Stolz als
einen Schüler der durch Adolf Goldschmidt repräsentierten deutschen
Kunstwissenschaft bekannte, stellte in den Mittelpunkt seines
Vortrages über „die Beziehungen der Lübecker Kunst zu den
skandinavischen Ländern im Mittelalter“ die Monumentalgruppe
des Sankt Georg in der Stockholmer Nikolaikirche, die er vor
Jahren schon dem Lübecker Maler und Bildschnitzer Bernt Notke
zugesclirieben hat. Neuere Forschungen eiweisen, daß dies weit
iiberlebensgroße Bildwerk, das Roosval mit Recht zu dcn
„schönsten Denkmälern der Welt“ rechnet, ehemals einen architek-
tonischen Sockelunterbau gehabt hat, der die im Chor der Nikolai-
kirche aufgestellte Figurengruppe über den zwischen dem letzten
Pfeilerpaar stehenden Hochaltar in den Blickbereich des vor dem
Altar stehenden Beschauers hob — sie machen es nrehr als wahr-
scheinlich, daß dieses reliefgeschmückte Sockelgehäuse ehemals
die Grabkammer des schwedischen Reichsveiwesers Sten Sture
gewesen ist, der das Sankt Georg-Bildwerk in der Schlacht bei
Brunkeberg im Jahre 1471 gelobt hat. Die Skuligergräber in
Verona und andere Bildwerke gleicher Art geben eine Parallel-
erscheinung für die ursprüngliche kompositionelle Idee des Mo-
numentalwerkes nordischer Holzschnitzkunst

Den beiden schwedischen Forschern schloß sich W i 1 h e I m
Pi n d e r mit einem Vortrag über „deutsche Plastik in der Jugend-
zeit Albrecht Dürers“ an. Auf methodisch gefestigter Grundlage
entwickelte die glänzende Wortkunst dieses Vortrages die Form-
gestaltung der 70er Jahre in der Plastik des 15. Jahrhunderts in
Süddeutschland — dieses barocken Vorspiels des eine Generation
später noch einmal ausschlagenden spätgotischen Barock. Als
Protagonisten dieser Stilphase treten Erasmus Giassler in München,
Simon Leinberger in Nürnberg und Michael Pacher in Tirol
hervor. Inr Norden steht ihnen einsam der Schöpfer der Stock-
holmer Sankt Georg gegenüber.

Tiefer und nachhaltiger noch als die Wirkung dieser Vorträge
aber wird die Wirkung der in Lübeck aus Anlaß der Nordischen

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