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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 3./​4.1921/​22

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2. Januarheft
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Frankurter Kunstbericht / Wiener Kunstbrief / "Zimmer Sechzehn" der Wallace-Kollektion / Kunstausstellungen / 194800000 Kronen für die Sammlung Strauß / Kunstauktionen / Berühmte Bücher und Handschriften in London / Woldemar von Seidlitz / Der gestohlene Inssbrucker van Dyck gefunden / Schweden und die Deutsche Gewerbeschau / Numismatik / Werbung
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https://doi.org/10.11588/diglit.21786#0276

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jrvankfuvtev Kunßbencbt*

Der Rekordpreis von 330 000 Mark für ein Gemälde
Adolf Schreyers in der Auktion Bangel Ende des vergangenen
Jahres zeitigt eine begreifliche Spannung für eine Sensaiion im
Kunsthandel: die Versteigerung des gesamten Nachlasses
A. S c h r e y e r s , die im Februar bei R. Bangel bevorsteht. Aus
dem Besitz der jüngst verstobenen Gattin des Malers gelangen
100 Gemälde A. Schreyers und 37 Werke von Ktinstlern, denen
Schreyer in seinem bewegten Leben nahe getreien ist, zur Auktion.
Hier begegnen ausgezeichnete Dinge von C. Troyon, C. Corot,
A.Vollon.I Didier,Theodore Rousseau, A Burger, I.F.Dielmannund
neben anderen eine Zeichnung Pettenkofen’s. Dieser, zu dem im
Vorwort des glänzenden Kataloges der Firma Bangel,
Dr. Uhde-Bernays die merkwürdige Beziehung aufgedeckt hat,
ist das eine Ereignis der Auktionsausstellung. Das andere ist
die bei dem „Orientmaler“ A. Schreyer immer und leichtherzig
vergessene Tatsache, daß Schreyer ein vollwertiges Mitglied der
Cronberger Malerschule und Weggenosse A. Burgers war und
als solcher mit köstlicher Landschaft seine Stellung in der
deutschen Kunst behauptet. Die Bilder aus der frühen Wiener
Zeit und diese Taunusfelsen und -wälder modifizieren das
sattsam bekannte Bild vom Maler Schreyer erheblich. Auch
unter der großen Zahl der Walachen- und Arabermotive treffen
wir auf Schöpfungen von so intensiv und reiner kiinstlerischer
Note und besonderer Quatität, daß es ohne weiteres begreiflich
ist, warum der Künstler gerade diese Werke nicht in den Handel
gab. Jene Bilder, Pferde im wehenden Schnee, im rieselnden
Sandstaub der Wüste, diese virtuose Beherrschung sonderbarer
und phantastischer Atmosphäre als Lichtproblem und in ihrer
Wirkung auf Tier nnd Mensch beschäftigt den Kiinstler von der
friihen Dragonerpatrouille bis zum Lebensende. Daneben läßt
sich an langer Reihe das mählige Werden von Schreyers Farbe-
werten entwicklungsgeschichtlich ablesen, die reichen Einfliisse
erkennen, die Schreyer in sich glückiich vereinte und verarbeitete.
Der „brennende Stall“ ein Museumsstiick von monumentaler
Bedeutung zeigt die Bindung von Delacroix und dazu den ganzen
Schreyer. Gewiß, der „Orientmaler“ A Schreyer wird auch weiter
das laute Interesse breiter Öffentlichkeit behaupten. Daß aber
die reiche Fülle seines romantischen Malerdaseins damit nicht
erschöpft ist, daß „ihr innereaWcsen durchaus von germanischer
Gesinnung durchschwungen ist, so oft und so sehr der Gegen-
stand der Darstellung und die äußere Form der Fremde zuneigt*
offenbart die Nachlaßausstellung.

Die Veranstaltungen in den Frankfurter Salons waren weih-
nachtlich eingestellt, mit vielen und vielerlei. In der Galerie
Cramer sah man einen Lesser Ury, bei Goldschmidt Thoma
und Zügel in internationalem Gedränge. Salon Schneider stellte
drei Landschafter gegeniiber: Heinz Wölke, Engelhardt und
Curry-München, sehr zum Nachteil für den Ietzteren. Eine
Künstlergruppe hatte sich zu einer richtungsfreien „Weihnachts-
bude“ unter Führung des Bildhauers P.Seiler zusammengeschlossen
und vollen Erfolg. Das Kunstgewerbemuseum zeigte kollektiv
den Scbriftkünster R. Koch-Offenbach. Einen sehr beachtens-
weiten Zuwachs erfuhr die Holzschnittkunst durch die glänzende
FolgeMutter und Kind des vorzüglichen Koloristen K. F. Lippmann
und die in ihrer charakterisierenden herben Schönheit unüber-
treffliche „Rhönmappe“ Weber-Schelds (Städelakademie). Im
Kunstverein folgte auf eine große Darstellung der Kunst
der Karlsruher A. Babbergers, dekorative Flächenkunst von
leuchtenden Farbwundern und monumentaler Größe, die glückliche
Kombination Burgers—Kubin—Kolbe —Pippel Der Münchener
Felix Burgers findet seine Landschaften in tiefen ernsten Farben,
weit in den Grund gerückt; immer liegen Wolkenschatten darüber.
Da verklingt alles wie ein nachhallendes, spätes Echo. Daneben
Otto Pippel, der mit dem Licht malt, die Farben ertrinken in
Sonnenstrahlen, flutende Helligkeit zerpeiischt die Formen. Und
dann bäumt sich alles auf, wie im windbewegten Walde die
Zweige — die gestikulierenden Figuren des Berliner Plastikers
G. Kolbe. Eine immense Produktivität jagt durch alle Tem-
peramente, findet für jede Phantasie lebendigen, oft so einfachen

Ausdruck. Da wurde viel von Altindien gelernt! Es folgt ein
großer Saal mit A. Kubin, dem genialen Spötter und dämonischen
Träumer. Grotesk sind alle Erscheinungsformen duicheinander-
gewirbelt, dem Grauen, der Angst, dem Schicksal vorgeworfen,
daß sie nur noch als Gespenster an metaphysischen Drähten
agieren. Nichts bedeutet daneben, was H. R. Katz an künstlich
ersonnenem Revolutionsspuk bringt. Der Salon Schames
vereinigte den Frankfurtcr Hans Brasch mit dem Münchener
R. Seewald, brachte damit die glänzenden Veranstaltungen des
Jahres 1921 zu einem überaus großen Abschluß. H. Brasch hat
nun mit 10 Ölgemälden und 20 Aquarellen seine Stellung in
Frankfurt klar und bestimmt und ganz oben eingenommen.
Märchenhafte Träume schwingen in seelenvoller Zartheit zwischen
Wahrheit und Dichtung, klingen um Tiere Tulpen und schlanke
Körper. Romantisches Land tut sich auf, fest und klug gebaut
mit lichten Wegen zu süßer Ruhe; reizender Einklang von Farbe
und Form. Reicher war der Weg, den R. Secwald ging, in
italischer Sonne reifte seine Kunst zu durchsichtiger Klarheit.
Als Meister der großen Komposition dokumentiert ihn das
Triptychon an die Tiere. Urmythos vom Werden der Welten ist
in die ungeheure Lineatur der Kuh gepreßt, reißt in chaotische
Fernen zu aufglühendem Gestirn; auf Seitentafeln ruht das Tier
des Waldes in versteckter Heimlichkeit. Ein mächtiges künst-
lerisches Organ herrscht suverän über Farbe, Form und Idee.
Wäre noch zu berichten, daß die Malerin Lina von Schauroth,
bekannt durch ibre Glasfensterentwürfe, im Verlag Schleich
Bunt-Holzschnitte vom Polospiel und anderes erscheinen läßt.

W. K. Z ü 1 c h.

VOienev Kunffbcief.

Unser Wiener Kunstreferent schreibt uns: Aus dem
Kunstleben Wiens, wie es sich speziell auf dem Gebiete der
bildenden Kunst zu äußern pflegt, ist in den letzteren Wochen
kaum ein Ereignis von großer oder nachhaltiger Bedeutung zu
vermelden.

Die schwere, materielle Not, in welche das stolze und lebens-
freudige Wien von einst immer mehr versinkt, hat insbesondere
die schöpferischen Kreise unserer Stadt aufs schwerste getroffen.
Die Sorge um den Alltag, der Mangel an gewichtigen und
lohnenden Aufträgen, die fast völlige Abgeschlossenheit von den
künstlerischen Leistungen europäischer Kulturvölker, haben es
u. a bewirkt, daß dem größeren Teil unserer künstlerischen Be-
gabungen die zwingende Fülie inneren Erlebens, die Wucht und
Größe schöpferischer Urkraft mangelt.

Es sind gewiß schätzenswerte und mitunter nicht un-
bedeutende Werke, wie sie auf den jüngsten Wiener Kunst-
ausstellungen zu sehen waren. beispielsweise im „Hagenbund“
(in welchem zurzeit die siebzigjährige Künstlervereinigung „Dürer-
bund“ eine Revue ihrer alten und jungen Mitglieder veranstaltet)
oder im „Künstlerhaus“, das eine wertvolle Auslese von Arbeiten
der „Vereinigung der bildenden Künstler Wiens“ zur Schau bringt
und sich nicht bloß auf die wohlgefällige und wohlaccreditierte
Art ihrer älteren, einander immerwieder gleichenden Porträtisten,
Stillebenmaler und Landschafter beschränkt, sondern auch die
Kunst der Jungen: den aufs Monumentale gerichteten Stil eines
Sterrer, die dekorative Tonmalerei eines Delitz, die farben-
freudigen und formsicheren Naturausschnitte eines Windhager,
Larwin u. a. m. zur Geltung kommen läßt; aber all’ diesen und
ähnlichen Veranstaltungen, welche — was wir zugestehen müssen —
heute vor allem den wirtscnaftlichen Interessen der Künstler zu
dienen haben, mangelt jenes gewisse packende Fluidum, das zur
sicheren Mitfolge zwingt, fehlt jene wuchtige und atemraubende
Aktualität, welche selbst stofflich und zeitlich differenzierte
Leistungen zu heben und zu beflügeln vermag.

Von einer kleinen Sonderausstellung, die aus dem Rahmen
der üblichen Expositionen tällt, soll hier jedoch etwas ausführlicher
gesprochen werden. Diese Ausstellung, die vor kurzem in den
Räumen der „Sezession“ eröffnet wurde, ist dem Andenken des
zu Berlin verstorbenen Bildhauers Franz Metzner gewidmet.
Sie bietet keine Monumentalplastik, wie wir sie vom Schöpfer

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