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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 3./​4.1921/​22

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2. Maiheft
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Schumann, Paul: Anton Graff als Landschafter
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https://doi.org/10.11588/diglit.21786#0491

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jaß der berühmte Bildnismaler Anton Graff auch
Landschaften malen konnte, zeigen schon eine
ganze Reihe seiner Bildnisse, die er mit landschaft-
lichem Hintergrunde versehen hat. Otto Waser, der
ein so vorzügliches Werk über Graff veröffentlicht hat,
sagt ganz mit Recht: „Von der leisesten Andeutung
von Vegetation und freier Natur als für den Dargestell-
ten charakteristischem Beiwerk, kennzeichnender Situ-
ation, wie beim Idyllendichter und -maler Salomon (mit
36 Jahren), beim Landschafter Ludwig Kaaz (Graffs
Schwiegersohn) durchläuft der landschaftliche Hinter-
grund bei Graff eine ganze Stufenleiter bis zur reich
entwickelten Landschaft.“ Als Beispiel der letzten Art
beschreibt Waser „jene Zierde des St. Galler Mu-
seums“: das Bildnis des sächsischen Hofkupferstechers
in Dresden Adrian Zingg, lebensgroß, ganze Figur in
freier Landschaft: „Irgendwo in Dresdens anmutiger
llmgebung hat sich der Meister zum Zeichnen nach der
Natur niedergelassen auf einem Steinsitz unter über-
schattendem Blätterdach; rechts aber öffnet sich die
Landschaft mit weiten Fernen, sie weist gar Staffage
auf: im hügeligen Gelände gewahrt man zwei von
Zinggs Schülern, gleichfalls mit Zeichnen beschäftigt.“
Das Gemälde stammt von 1798/99 und wird schon im
Allgemeinen literarischen Anzeiger 1799, Nr. 62 mit
hoch anerkennenden Worten beschrieben. Wir können
hinzufügen, daß es offenbar in Loschwitz bei Dresden
gemalt ist und den Blick von oben auf die Elbe und das
rechte Elbufer zeigt, dessen Hügelreihe im Dunst ver-
schwindet. Es war nach alledem nicht allzu verwunder-
lich, daß Anton Graff im Jahre 1906 plötzlich als Land-
schafter bekannt wurde. Die Tatsache selbst war ge-
nauen Kennern der einschlägigen Literatur wie Otto
Waser schon vorher bekannt. Er verweist auf eine
Stelle in den Jugenderinnerungen des Archäologen
Gustav Parthey, einem seltenen Buche, das 1871 als
Handschrift für Freunde gedruckt wurde. Darin heißt es,
Graff hätte einmal versuchen wollen, Landschaften zu
malen und vier von ihm erwähnte Landschaften seien
ein Kuriosum, weil er sonst ein Porträtist gewesen sei;
er hätte sich aber gesagt, wenn er das bewegliche Ge-
siclit eines Menschen treffen könne, so würde er wohl
auch imstande sein, eine stillstehende Landschaft zu
malen. Weiter wußte man, daß Philipp Otto Runge, als
er im Dezember 1801 Graff besuchte, diesen an der
Arbeit über einer Landschaft traf. Endlich aber lesen
wir in Tiedges Leben von dem Dresdner Oberbiblio-
thekar Dr. Falkenstein (Leipzig 1841, Bd. 2, S. 155) und
zwar in der Schilderung des Hauses der Elisa von der
Recke (früher Dresden-Neustadt, Kohlmarkt 1, jetzt
Körnerstraße 1) folgendes: „Hatte man den heitern, mit
Steinplatten belegten Hof des ländlichen Hauses durch-
schritten, so führte die Treppe in ein geräumiges Vor-
zimmer, dessen Wände durch mehrere landschaftliche

Gemälde von der Hand des berühmten Hofmalers
Anton Graff geschmückt waren, welche Naturszenen
aus der Umgegend von Dresden als die Dörfer Losch-
witz, Blasewitz (Kapellmeister Naumanns Geburtsort),
den Plauischen Grund usw. darstellten und um so mehr
Aufmerksamkeit verdienten, da der große Porträt-
maler erst im späteren Alter und gleichsam nur zu
seiner Erholung sich dem Studium der Malerei widmete
und auch in diesem Fache geniale Werke schuf.“

Dazu bemerkt Prof. Paul Rachel in Dresden, ein
genauer Kenner Tiedges und der Elisa von der Recke,
in; Dresdner Anzeiger 21. 1. 1922 folgendes: „Elisa, die
mit Graff, der einige Bildnisse von ihr gemalt hat, sehr
befreundet war und seinem Schwiegersohn Ludwig
Kaaz viel Güte erwiesen hat, hat diese Bilder gewiß
von ihm gekauft, vielleicht sogar, wenigstens das von
Blasewitz, bei ihm bestellt. In Blasewitz, das der Ge-
burtsort des ihr eng befreundeten Tonkünstlers Nau-
mann war, hatte sie einige Male gewohnt.

Wo sind nun diese Graffschen Landschaften? Vier
tauchten im Jahre 1906 in der Berliner Jahrhundert-
Ausstellung auf. Ausgestellt hatte sie Herr Hubert
Parthey in Zehlendorf, offenbar ein Nachkomme des
oben erwähnten Archäologen Gustav Parthey, der sie -
nach der obigen Bemerkung in seinen Lebenserinnerun-
gen — aus dem Nachlaß der Elisa von der Recke er-
worben hat. Von Graff selbst kann er sie nicht haben,
denn er wurde erst 1798 geboren; er starb 1872. Zu
Weihnachten 1921 waren sie in der Ausstellung des
Salons Alte Kunst in Zürich zum Kauf ausgestellt.
Ob sie bei dieser Gelegenheit einen Käufer in der
Schweiz gefunden haben, ist uns unbekannt. Professor
Gtto Waser aber widmete ihr bei dieser Gelegen-
heit eine eingehende Besprechung in der Neuen Züri-
cher Zeitung, der wir im vorstehenden einige Hinweise
entnommen haben. Abgebildet sind die vier Parthey-
schen Bilder in dem großen Bilderwerk „Ausstellung
Deutscher Kunst aus der Zeit 1775—1875 in der König-
lichen Nationalgalerie Berlin 1906“ (München, Verlags-
anstalt F. Bruckmann A. G. 1906) unter Nr. 640, 641,
641 a, 641 b und im Text bezeichnet als Morgen (Elb-
gegend oberhalb Dresden), Mittag (Plauen bei Dresden),
Abend (Eingang in den Plauenschen Grund), Nacht
(Blasewitz bei Dresden). Sind das nun Gemälde, die
Elisa von der Recke besessen hat? Ganz wahrschein-
iich. Nun sind aber kürzlich vier weitere Landschaften
von Graff wieder aufgetaucht. Sie hingen bis vor
kurzem im Theodor Körner-Museum zu Dresden, un-
beachtet in einer dunklen Ecke. Dort entdeckte sie
Dr. Paul F. Schmidt, der erste Direktor des Dresdner
Stadtmuseums, und er brachte sie von dort in dieses
Museum, wo sie nunmehr gebührend gewürdigt werden.
Daß diese vier Gemälde aus dem Besitz der Elisa von
der Recke stammen, kann kaum bezweifelt werden,

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