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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 3./​4.1921/​22

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2. Dezemberheft
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Pazaurek, Gustav Edmund: Eingeglaste Pasten, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.21786#0211

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Singeglaüe paffen

oon

Qußao 6.

L/orzellanartige Reliefs, im Kristallglas eingeschlossen,

bilden den originellsten Schmuckgedanken
der Glasveredlungskunst der Biedermeierzeit, der kurz
zuvor — ohne auf ehrwürdige Ahnen zurückblicken zu
können — zum ersten Male auftaucht und in der ersten
Hälfte des 19. Jahrhunderts seine Blüte fand, die rasch
darauf vorzeitig dahinwelkte. Diese Neuerung verdanken
wir dem Zusammenarbeiten von französischen Keramikern
und Glaskünstlern, einem Gegenstück zu einer ähnlichen
Alliance auf deutschem Boden, die uns die Transparent-
malerei auf Hohlglas in der Richtung Mohn-Kothgasser
beschert hat.

Eine solide Verbindung des Glases mit anderen
Materialien hat, wie die verschiedenartigen Metallmontie-
rungen immer wieder dartun, seit jeher ihre besonderen
Schwierigkeiten, die nie ganz zu beheben sein werden.
Trotzdem hat man selbst in Glasgefäße schon längst
andere Stoffe einzuschließen getrachtet, wofür nur die
im 17. und besonders 18. Jahrhundert beliebte Gruppe
der Würfelgläser1) einerseits und der Münzengläser
anderseits als Beispiele anzuführen braucht. Aber der
früher2) meist einzelne, in der ersten Hälfte des 18. Jahr-
hunderts gewöhnlich in der Dreizahl auftretende Würfel
ist meist aus Bein, sodaß sich in diesen Fällen von
selbst der Einschluß in das erst entstehende, rotglühende
Glas verbietet, weshalb auch diese Spezialität am liebsten
mit der, auf kaltem Wege erzielten Zwischengoldtechnik
verknüpft erscheint. Dagegen sind die M ü n z e n -
g 1 ä s e r auf heißem Wege, in der Glashütte selbst ent-
standen, indem man meist Silbermünzen, selten auch
Goldmünzen zunächst in ein vertikal gestelltes, kreis-
scheibenförmiges Nodus - Zwischengüed einschmelzte,
dessen Rand dann gekniffene Zacken bekam3), später
meist horizontal in den Boden einfügte, was namentlich
in Hessen, Branschweig und Potsdam beliebt war, in
Böhmen und Schlesien aber in sorgfältigerer Ausführung
auch noch in der Biedermeierzeit4) häufig vorkommt.
Nur selten begegnet man aber Münzen, die geradezu in
einem Medaillon einer Pokalwand eingebettet sind, wie
dies in Gold bei einem alten Potsdamer geschnittenen
und vergoldeten Pokal der Bayerischen Gewerbeanstalt
in Nürnberg, in Silber u. z. sogar noch nach der
Biedermeierzeit bei einem hohen reich geschliffenen
schlesischen Pokal5) von 1861 bemerkt werden kann.
Das wird leicht verständlich, wenn man bedenkt, daß
alle Münzen nicht fest und unbeweglich eingeschmolzen
sind, sondern nur lose sitzen, ihre Lage verschieben
können und bei jeder Bewegung scheppern und klingen,
namentlich wenn gleichzeitig mehrere Stücke6) verwendet
wurden.

*) Die Anmerkungen stehen am Schlusse des Aufsatzes.

Pasaupck

i*)

Bei den guten keramischen Einglasungen oder
„Inkrustationen“ ist dieser Fehler behoben, zumal
das frittenartige Porzellan der Paste mit dem weichen
Kristallglas der Umgebung eine gute Verbindung eingeht.
Das Geheimnis des Erfolges liegt vornehmlich in einer
möglichst präzisen Arbeit, und gerade dafür hatte
die 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts mit ihrer großen
Sammelleidenschaft für Gemmen, Gemmenabdrücke und
-abgüsse aller Art oder Daktyliotheken den Boden vor-
züglich vorbereitet. Die Glasgüsse des alten Augsburgers
Wesenbeck waren durch das Zusammenarbeiten deutscher,
englischer und französischer Kräfte im 18. Jahrhundert
immer mehr durch bessere Abformungsverfahren überholt
worden, an denen besonders der Leibmedikus des Her-
zogs von Orleans, Homberg aus Quedlinburg, ferner: James
Tassie in London, d’Arclais d’Montamy, J. S. Götzinger
in Ansbach, N. Marchant in Rom und London, Hofrat J. F.
Reifenstein (Goethes Umgang in Rom 1786) und Joh.
Jos. Pichler in Wien u. z. im Zusammenhange mit der
dortigen Porzellanmanufaktur lebhaften Anteil hatten.
Außer zahllosen, in öffentlichen und privaten Sammlungen
erhaltenen Intaglien-Glaspasten nach allen möglichen an-
tiken Gemmen treffen wir ebenfalls nicht selten, beson-
ders aus dem Jahrzehnt 1780 — 90 stammende, vielleicht
auf Reifenstein zurückgehende, Kameobildnisse an, die
sehr scharfe kleinere oder größere Regentenbrustbilder —
bes. Josef II., Leopold II., Großfürst Paul, Papst Pius VI.
usw. — in weißlicher Porzellanfrittenmasse auf dunkel-
blauen oder dunkelvioletten Glasplatten zum Gegenstande
haben7).

Der Gedanke, solche Reliefs auch noch durch eine
deckende, natürlich durchsichtige Glasschicht ganz mit
Glas zu umgeben, lag nahe und wurde zunächst in Frank-
reich in die Tat umgesetzt. Im keramischen Museum
in Sevres steht (Nr. 1309) eine geschliffene Glassäule,
die als Aufsatz ein rhombenförmiges, wedgwoodartiges
Relief mit weiblichen, allegorischen Figuren auf
jeder Seite trägt; sie wird als Pariser Arbeit von 1796
bezeichnet. (Abb. 1.) Zuverläßlicher ist die Datierung
1798 bei zwei anderen Stücken derselben Sammlung,
nämlich kreisrunden Becherboden mit den eingeglasten
Pasten von Franklin nud Voltaire, zu denen vor der
Mitte des 19. Jahrhunderts noch ein dritter mit dem
Bilde Rousseaus gehörte8). Sie tragen die Signatur
„P. B. 1798“ und stammen aus der Fabrik von H. G.
Boileau in Gros-Caillou bei Paris. Dies ist
also die erste, bisher nachweisliche Stätte für die noch
in bescheidenem Umfange erzeugten Inkrustationen. Wir
erinnern uns, daß die Zeit unmittelbar nach der großen
Revolution und der fast ununterbrochenen Kriege der
reichen Entfaltung von Kunst und Kunstgewerbe nicht
sehr günstig sein konnte. Die ersten Versuche mögen

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