Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 3./​4.1921/​22

DOI Heft:
1. Märzheft
DOI Artikel:
Berling, Karl: Der zinnerne Apostelkrug im Kunstgewerbemuseum zu Dresden
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.21786#0349

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext


Tahrgang 19^ 2

Herausgcber: /Vdolplhl DOHQtP

1. jVLö-rzficff-

Det? Etnneüne Apodetkt?ug tm Kundgetüeebemufeum

su Dcesden

oon

Kat?l Bet’Ung

Der im vorigen Jahre in hohem Alter verstorbene ehe-
malige königliche Leibarzt Geh. Rat Dr. Fiedler in
Dresden besaß einen mächtigen Zinnkrug, der zu meinen
besonderen Lieblingen gehörte. Ich hatte ihn nicht nur
in Veröffentlichungen kurz erwähnt, sondern auch zwei-
mal auf einige Wochen im Dresdner Kunstgewerbemuseum
zur Aufstellung bringen können. Ihn anzukaufen oder auf
längere Zeit auszustellen war mir nicht möglich, da
dieser Krug auch gleichzeitig der Liebling des Besitzers
war, der ihn in seiner Wohnung nicht dauernd entbehren
wollte und sich in der Tat noch auf dem letzten Kranken-
lager an seinem Anblick erfreut haben soll. Zu großem
Dank ist ihm die Allgemeinheit verpfiichtet, daß er dieses
schöne und für die Geschichte des Kunstgewerbes wich-
tige Stück dem genannten Museum vererbt hat, dem es
eine wertvolle Ergänzung zu dem durch die Erbschaft
Demianis schon an und für sich besonders reichen Be-
sitz an Zinnarbeiten bedeuten wird.

Der Krug ist nicht nur durch seine Formgebung und
Verzierung ein vorbildliches Kunstwerk, sondern zeigt
auch eine seltener anzutreffende Behandlungsweise sowie
eine Feinzinn-Marke, wie sie lediglich in Sachsen und
auch hier nur sehr selten verwandt wurde.

Im Kurfürstentum Sachsen scheint das Zinngießerhand-
werk später als in Süddeutschland und Schlesien zur Blüte
gekommen zu sein. Gotische Arbeiten haben sich hier
(von ein oder zwei unbedeutenden Stücken abgesehen)
noch nicht nachweisen lassen. Einzelne Zinngießer kann
man zwar in Freiberg bis 1400, Zittau 1435, Dresden
und Bautzen 1530 zurückdatieren. Zu Innungen haben

sie sich erst später zusammengeschlossen, wobei Leipzig
(1446) vorangegangen zu sein scheint.

Durch die im 13. Jahrhundert erschlossenen, aber
erst im 15. Jahrhundert zur eigentlichen Ausbeute ge-
kommenen erzgebirgischen Zinngruben war für die Zinn-
gießer des Kurflirstentums Sachsen der Rohstoff leicht
und in genügender Menge erreichbar. Dieser Umstand
hatte hier die Hebung und Ausbreitung des Zinngießer-
Handwerks, die damals auch aus anderen Gründen vor
sich ging, ganz besonders erleichtert und einen Hoch-
stand mit herbeiführen helfen, wie er nie wieder erreicht
wurde.

Die in diesem Lande geschaffenen Edelzinnarbeiten,
wie man die weniger für den Gebrauch als zum Schmuck
bestimmten Stücke zu nennen pflegt, zeigten vielfach eine
sonst nirgends vorkommende Eigenart. Sie erfreuen sich
heute solcher Beliebtheit, daß die seltenen noch erhaltenen
Stücke im Handel ganz besonders hoch bezahlt werden.1)
Ihre reichen Verzierungen, die in der Wirkung manch-
mal vielleicht ein wenig zu sehr an Silberarbeiten er-
innern, sind gleichzeitig mit der Form gegossen, wobei
die in der Hauptsache verwandten Figurenfriese mit mecha-
nischer Zuhilfenahme von Plaketten Flötners und anderer
Kleinmeister hergestellt worden waren. Hiermit hat nun der
Fiedlersche Krug nichts zu tun, der vielmehr graviert ist,
d. h. eine Verzierungstechnik zeigt, die nicht von einem
anderen Handwerk erborgt, sondern vielmehr aus den
Eigenschaften des Grundstoffes selbst gefunden wurde.

’) In meinem Werk Altes Zinn 1920 S. 109 fg. weise ich
26 solcher Werke nach.

291
 
Annotationen