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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 3./​4.1921/​22

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1. Januarheft
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Köhler, Ida: Malereien auf Spinngeweben, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.21786#0246

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jYlalet?eten auf Spinngeiüeben.

Jederzeit waren die Maler bestrebt, für ihre Werke einen
möglichst dauerhaften Malgrund zu nehmen. Außer der Lein-
wand wurden alle Arten von Holz, Eisen, Kupfer und Blech ver-
wendet, für kleinere Arbeiten Silber, Horn, Elfenbein, Perlmutter,
Pergament, fiir Fächerblätter auch Schwanenhaut. Daß aber
jemand das anscheinend so zarte Gewebe der Spinnen zu diesem
Zwecke wählen werde, mag manchem, der derartiges noch nicht
gesehen hat, unglau'bwiirdig erscheinen. Im allgemeinen kennt
man Spinngewebe im Zimmer nur in verstaubten Ecken, wo die
Spinnen ein ungestört friedliches Dasein führen oder man be-
wundert einmal die kunstvollen Netze, die sich im Freien von
einem Baumast zum andern ziehen, aber in ihrer luftigen Technik
keineswegs einen geeigneten Malstoff abgeben konnten. Es
miissen Gewebe von dichterer Beschaffenheit gewesen sein, nicht
immer von Spinnen, sondern auch von Würmern herriihrend.

Merkwürdigerweise haben sich, meines Wissens nach, nur
Männer mit dieser, zumindest Geduld und Sorgfalt erheischenden,
Arbeit beschäftigt. Es wäre eher zu begreifen, wenn etwas der-
artiges aus einem Kloster käme, wo ja viele kleine und zaite
Arbeiten unter den Händen fleißiger Nonnen entstanden sind.

Dagegen muß man bedenken, daß die Zeiten damals be-
schaulicher waren und Arbeitsstunden nicht so hoch gewertet
wurden.

Im 18. Jahrhundert lebte im Pustertale Elias Prunner, welcher
auf Netzen von Würmern malte. Es sollen dies Würmer gewesen
sein, die sich auf den Elzenstauden aufhielten. Diese Netze
wurden gespannt und gereinigt, dann konnte man darauf drucken
oder malen.

Ein Schiiler oder Nachahmer des oben genannten, Johann
Burgmann von Bruneck im Pustertale, soll auf Spinngeweben oder
gewissen Wurmnestern mit Wasserfarben „sehr angenehm gemalt
haben,“ !) sonst aber ein mittelmäßiger Maler gewesen sein; er
starb im Jahre 1825. Von seinen Arbeiten sind mehrere er-
halten.

Das Ferdinandeum in lnnsbruck besitzt vier Malereien auf
Spinnwebe von ihm.

1. Familie Kaiser Leopold II., ein Interieurstiick, 1799.

2. Ideale Seelandschaft.

3. Kleines Porträt des Papstes Pius VII.

4. Kleines Porträt des Bischofs Karl Graf Lodron von Brixen.

Im kiinstlerischen Nachlaß des Malers Ludwig Ferdinand

Schnorr von Carolsfeld, der 1911 veisteigert wurde, gab es vier
Zeichnungen auf Spinngeweben, Szenen aus dem Hofleben der
Kaiserin Maria Theresia von J. Burgmann nach Pompei Battoni.
Im Museum für Volkskunde, Wien, ist ein „Joann Burgmann fecit“
signiertes Aquarell, ein Bauernwirtshaus mit tanzenden Bauern;
offenbar zum Zeichen, daß es diesmal eine richtige Spinnwebe
isL wurde eine Spinne in eine Ecke des Bildes gemalt. Heiligen-
darstellungen von Burgmann dürften häufig gewesen sein und
es gibt hier, in Privatbesitz, eine signierte „Heilige Katarina“.
Burgmann malte auch Elfenbeinminiaturen; eine solche war
vor kurzem im Kunsthandel, einen alten Herrn mit Zopfperrücke
darstellend.

Ein anderer, vielseitiger „Kiinstler“ war Bartolomäus Lom-
minger, ein im Jahre 1752 zu Kirchenlaibach geborener Schuh-
macherssohn, der sich während der dreißig Jahre, die er bei
seinem Handwerk verbrachte, fleißig bildete und schlleßlich
Wachsbossierer, zoologischer Präparator und Maler wurde. Er
verfertigte zuerst große und kleine Kopien in Wachs, nach be-
riihmten Meisterwerken, malte aber auch auf Spinngeweben. Auf
seinen dann unternommenen Reisen wurde er allerdings mehr
durch seine Wachsbossieiungen bekannt, die damals jedenfalls
ziemlich geschätzt wurden. Für eine, im Museum des Benedik-
tinerstiftes St. Peter zu Salzburg befindliche, vonGhm gefertigte,
polychromierte, lebensgroße Wachsbiiste eines Benediktiners,

des P. Dom. Beck2), erhielt er vom Abte Hagenauer 85 Gulden
20 Kreuzer gezahlt. Über seine Spinngewebebilder ist nichts
Näheres bekannt.

Ein Maler und Zeichner, Leopold Faber, 1760 in Salzburg
geboren, begleitete Lomminger auf seinen Reisen und malte fiir
diesen in den SOer Jahren mehreres auf Spinngewebe. Er war
auch Kupferstecher und gab Unterricht im Zeichnen. „Er ist
überhaupt ein aufgeweckter Kopf, ein jovialer Gesellschafier und
nun Kammerdiener beim Fürstbischof von Schwarzenberg zu
Raab.“3)

Eine Tuschzeichnung auf Spinnwebe, ganz in der Art der
damaligen Kupferstiche, gibt ein wohlgetroffenes Profil des
Papstes Pius VI. wieder. Das Medaillonbildnis ruht auf einem
Sockel mit der Unterschrift „Pius Papa Sextus“ und zur Fort-
setzung ist auf dem gezeichneten Passepartout zu lesen: „zierdte
von 22ten Maerz bis 22ten Aprill 1782 Wienn“. Auf dem Bildchen
rechts unten die Signatur „Faber fecit 1784“. —

Wie alle diese Darstellungen, zwischen zwei Gläsern, ge-
rahmt, vermutlich dazu bestimmt gewesen, als Sichtbild an ein
Fenster gehängt zu werden.

Johann Hofer, ein ebenfalls in Salzburg 1771 geborener,
jung verstorbener Formschneider und Silhouettenschneider, malte
auch auf Spinnweben. Erst Buchdruckerlehrling, dann Form-
schneider in München, kehrte er im Jahre 1800 nach Salzburg
zurück. Neben dem Formschneiden übte er sich in der Silhouetteur-
kunst, in welcher er es nur durch eignen Fleiß und Geschmack
bald so weit brachte, daß, die von ihm in diesem Fache gelieferten
Arbeiten, einzig in ihrer Art sind. Er verzierte seine Porträts
mit schönen Figuren, Laubwerk, Basreliefs und Pyramiden in
Gold und Silber. Zur Zeit der französischen Invasion in Salz-
burg, bildete er mehrere Generäle und Stabsoffiziere ab und so
wurden seine Arbeiten auch in Frankreich bekannt. Große Baum-
spinnengewebe, die er sammelte, behandelte er so, daß sie zum
Malen tauglich wurden und malte auf dieselben schön gelungene
geschichtliche Darstellungen. „Für einen französischen General
malte er derart ,Cimon‘ der von seiner Tochter im Gefängnis
gehängt wurde, auf ein großes Folio-Format, welches Bild, gegen
gute Bezahlung nach Paris geschickt wurde.“4)

Es wird kein Zufall sein, daß alle die genannten Maler ent-
weder aus Tirol oder Salzburg, somit aus Gebirgsgegenden
stammten; die dort vorkommenden Spinnenweben und Wurmnester
waren wahrscheinlich von besonders haltbarer Beschaffenheit.

Zur selben Zeit, in welcher diese Malereien entstanden,
herrschte auch eine Vorliebe für sogenannte „Spinngewebstücke“
und so sei einer dieser Maler, von dem es heißt, daß er als
Blumen- und Früchtemaler, in seinen Moos-Rinden und Spinn-
gewebstücken hervorragendes geleistet haben soll, zum Schlusse
genannt.

Es ist dies Johann Wurzer, 1760 in Bayern geboren und
1838 in Salzburg gestorben. Er lernte erst in Salzburg, wo er
sich auch niederließ, nachdem er neun Jahre an der Wiener
Akademie studiert hatte. Im Salzburger Museum befinden sich
verschiedene Werke von ihm, außer Blumen- und Fruchtstücken
ein durch das Sujet merkwürdiges Bild, darauf zehn Cretins, die
sich im Jahre 1800 in Salzburg aufhielten, dargestellt sind. Auch
sein dort befindliches Selbstbildnis ist eigenartig. Der Künstler
sitzt'malend auf einem Sessel, unter welchem ein großer Bierkrug
zu sehen ist. Die erwähnten „Spinngewebstücke“ waren meist
Blumen- und Insekten-Stilleben, über die sich im Vordergrunde
fein gemalte Spinnennetze hinzogen.

Jetzt'würde sich schwerlich jemand dazu entschließen, auf
Spinnenweben zu malen. Als Kunstwerke sind auch die alten
Malereien nicht.anzusehen.

Doch nehmen sie einen Platz neben den vielen andern
spielerisch-künstlerischen Kuriositäten des 18. und des beginnen-
den 19. Jahrhunderts ein.

I d a K ö h I e r.

4) Tirolisches Künstlerlexikon, Innsbruck 1830.

2) Abgebildet österr. Kunsttop. XII. Bd. p. 140.

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3) Pillwein, Salzburger Künstlerlexikon.

4) Wurzbach Lex. u. Pillwein.
 
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