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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 3./​4.1921/​22

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1. Augustheft
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Donath, Adolph: Prag als Sammlerstadt, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.21786#0617

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Adotpb Donatb

iii.*)

I ch nannte in meinem letzten Aufsatz über den Prager
* Kunstbesitz den verstorbenen tschechischen Maler
Josef Navrätil einen Vorläufer des französischen
Impressionismus und sagte, daß mir keinerlei Literatur
bekannt sei, die sich mit seinem Schaffen beschäftige.
Jetzt geht mir aus Prag eine Schrift über den Meister
zu, die 1918 im dortigen Zora-Verlag herauskam und
deren Verfasser Dr. Prokop T o m a n ist. Der Name
Toman war mir bekannt. Josef V. Novak in Prag,
der Vater des gegenwärtigen Handelsministers, dessen
Galerie ich im „Kunstwanderer“ beschrieb, hatte, wie
er in der Einleitung zu seinem von Frimmel bearbeite-
ten Katalog seiner Sammiung bemerkt, durch Dr. Hugo
Toman „das wahre Sammeln“ kennengelernt. Toman
war nämlich einer der temperamentvollsten Prager
Sammler. Seine Bilder sind vor etwa dreißig Jahren in
Köln versteigert worden. Aber sein Sohn, Landesge-
richtsrat Dr. Prokop Toman, liatte doch noch eine Serie
von alten Meistern aus der väterlichen Sammlung für
sich „retten“ können und zu seinen niederländischen
Kleinmeistern gesellte sich dann im Laufe der Jahre
noch eine stattliche Zahl von Gemälden. Vielleicht er-
gibt sich die Gelegenheit, auch einmal von dieser
Sammlung zu sprechen ebenso wie von den Sammlun-
gen W a 1 d e s , D o n e b a u e r usw., die ich bei
ineinem jüngsten Besuche in Prag nicht sehen konnte.
Heute also möchte ich bloß erwähnen, daß Dr. Prokop
Toman der erste gewesen ist, dere eine kleine, aber
feine Monographie über seinen Landsmann Navrätil
herausgab und der 1920 auch ein materialreiches Bucli
unter dem Titel „Studien und Erimierungen eines tsclie-
chischen Sammlers“ (bei Hejda und Tucek iu Prag) er-
scheinen ließ.

Unter jenen Prager Sammlungen, in denen die
moderne tschechische Malerei bevorzugt wird, gefiel
mir die des Oberdirektors 0. T u m a. Er sammelt
zwar nicht, um sich eine Galerie anzulegen, sondern
nur, um seine Räume zu schmücken, aber er zeigt Ge-
schmack in der Wahl des Sujets. Da hängt bei ihm eine
wundervoll tiefe Landschaft des Slavicek, dessen
große Kunst man in der Modernen Galerie in Baumgar-
ten-Prag am besten studieren kann, und dicht neben
dem Bilde des frühverstorbenen, der schon vor rund
zwanzig Jahren in Wien seine Wertung fand, eine an
Qualität kunstverwaudte Landschaft seines Freundes
Antonin H u d e c e k. Diesen führenden tschechischen
Landschafter, der ein Kolorist voll stärkster Innerlich-
keit ist, haben wir in Berlin schon vor einigen Jahren
durch zwei Sonderausstellungen kennen gelernt. See-
stücke Hudeceks sahen wir allerdings noch nicht. Aber

*) Sielie „Der Kunstwanderer'S 1. Maiheft u. 1. Juniheft 1922.

dieser vehement beseelte Ostsee-Ausschnitt, den Tuma
besitzt, zeigt uns den fünfzigjährigen Meister auch als
Seemaler von Rasse und Klasse. Und neben diesem
Hudecek hängt eine zweite Marine, die auch ein veri-
tables Museumsstück ist: ein Gemälde des 1910 ver-
storbenen an Böcklin erinnernden Benes Knüpfer.
Bilder von Marold, Schwaiger und anderen schließen
sich an. Und schließlich fesselt uns bei Tuma eine von
den ersten, verträumten Zeichnungen Max S v a -
b i n s k y s.

Svabinsky als Maler — er scheint verhältnismäßig
wenig gemalt zu haben — ist außer in der Modernen
Galerie wohl am besten bei Dr. B. Palkofsky ver-
treten. Die „Dame mit dem gelben Sonnenschirm“
scheint uns ein höchst apartes Stück moderner Malkunst
und kann sich, als repräsentatives Bild, neben den zwei
Palkofskyschen delikaten Landschaften des Klassikers
der tschechischen Malerei Josef Manes schon sehen
lassen. Doch der Hauptwert dieser Sammlung, in der
uns nebenher auch eine Landschaft des Norwegers
Munch auffällt, liegt in ihrer fast kompletten Folge der
Svabinskyschen Meistergraphik. Hier ist nicht bloß das
glücklichste an Zeichnungen aufbewahrt, das uns die
Persönlichkeit des Künstlers von seinen Anfängen bis
zum heutigen Tage zeigt, sondern auch die imponie-
rende Menge aller Zustände seiner Radierungen und
Schabkunstblätter. Wenn die kunstverständige Frau
des Besitzers der Sammlung alle die vielen Mappen vor
uns ausbreitet, die eine richtige Kupferstichkommode
birgt, kann man die in Menschen und Landschaft sich
einbohrende, jegliche Technik zwingende Kunst Sva-
binskys sorgfältig beobachten. Und man begreift dann
auch, daß die Moderne Galerie in Prag eifrig bestrebt
ist, aus dem bisherigen Gesamtwerk des Meisters alles
nur erreichbare in ihren Besitz zu bringen. Denn Max
Svabinsky ist in der Tat ein Graphiker von seltener Art.
Er beherrscht jedes Genre: ist als Porträtist ein Cha-
rakteristiker ersten Ranges, als Landschafter ein Poet
mit echtem Naturempfinden, als Graphiker-Poet ein
phantasiefroher Märchenerzähler. Dr. Palkofsky be-
sitzt aber nicht nur alle Radierungen und Schabkunst-
blätter Svabinskys, sondern auch seine in großem For-
mat gezeichneten Holzschnitte, diese köstlichen Studien
zu seinem neuen großen Gemälde „Im Eden“, worin er
sich selbst mit beschaulichem Frohmut verbildlicht.

Außer der Kunst Svabinskys, von der wir hier durch
die Freundlichkeit des Kunstverlages Jan S t e n c in
Prag einige Proben veröffentlichen können, enthält die
Sammlung Palkofsky noch die famosen Zeichnungen
des hochgeachteten Bildhauers Joh. Stursa. Figu-
renentwürfe voll lebendigster Bewegung, offenbar die
Vorstudien für seine den Menschen an sich in seiner

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