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7ahrgang qg22
Herausgcber: AciC)lpt l DOHGtil
2. ApriLDieft
Dücet)=Kopt{ieta und Düt’ec^Kopten
uon
lofepf) JMedet’
Die nachstehenden Ausführungen von Dr. Joseph Meder,
dem Direktor der Albertina in Wien, dürften für alle
Freunde der Graphik von besonderem Wert sein.
jer Ruf des modernen und vornehmen Kunsthandels
nach g;roßen Namen, Qualitäten und Seltenheiten
brachte es mit sich, daß die ehemals mit großem Inter-
esse gesammelten Stichkopien nach ersten Meistern all-
mählich auf die Seite geschoben wurden. Nicht allein
deshalb, weil man wirkliche Werte und nur Werte be-
gehrte, sondern weil jene älteren verwischten Anschau-
ungen über einen Meister, jene verallgemeinerte und po-
puläre Würdigung verloren gegangen und dafür eine
spezialisierte tiefgründige Erkenntnis ktinstlerischer
Schatfensweise Platz gegriffen, die nicht durch mindere
Erzeugnisse getrübt werden sollte. Die reiri kunst-
historische, auf sichere Quellen eingestellte Bewertung
lehnte alles Kopistenmäßige ab. Die Kritik triumphierte
über die Tradition, das Spezialistentum über die breite
Huldigung, die sich auch damit begnügt hatte, einen ver-
ehrten Meister in ersten, selbst zweitklassigen Kopien
vertreten zu haben.
Der Charakter der echten Sammler unseres Jahr-
hunderts muß daher ein anderer geworden sein. Es
sind gutberatene, qualifizierte Kunstfreunde, denen das
Beste nicht gut genug erscheint und die sich nicht gerne
dort einfinden, wo die Kataloge mit Kopienballast be-
schwert erscheinen. Ganz im Gegensatz zu den heute
auftauchenden und alles kritiklos zusammenraffenden
Sammlertypen. Aber auch im Gegensatze zu den un-
befangenen Alten, die sich neben Originalen zur Ergän-
zung auch Kopienmaterial anlegten und selbst dafür
gute Preise zahlten. Heller erzählt, daß die seltene
originalseitige, aber gelungene Nachahmung eines Un-
bekannten nach Dürers verlorenem Sohn (H. 478) höher
eingeschätzt wurde als die nicht zu raren Original-
drucke. Mau sammelte nach eigenen Gesichtspunkten,
strebte nach Vollständigkeit, freute sicli von einem zum
anderen und suchte durch gegenseitigen Vergleich die
komplizierten Unterschiede der Kopien kennen zu
leruen. Dieser vielseitigen Bescheidenheit haben wir
es zum nicht geringen Teile zu danken, wenn heute die
Originale von Dürer und Rembrandt gründlich und
•kritisch durchgearbeitet vorliegen. Aus dieser Art
Sammelgebiet wuchseu die Wegbahner für D ii r e r
heraus wie Schöber, Kuorr, Hüsgen, Lepel, Bartsch,
Ottley, Passavant und Heller, die noch vielfach mit der
Materie kämpften, aber sich riach und nach ans Licht
emporarbeiteten. Es bedurfte wahrhaftig eiues röög-
lichst vollständigen Vergleichsmaterials, wie es z. B.
1 ielier besaß, einer zähen Geduld und Verehrung für den
Meister, das Echte und Falsche auseinander zu halten,
wie es uns lieute so selbstverständlich erscheint. Und
nicht zu selten waren es die Kopien, die durch ihre, oft
feinen Differenzierungen erhellend auf das Original zu-
rückwiesen. Es ist nicht allzulange her, daß der Degen-
knopf Dürers, wie ihn der kluge und erfahrene Bartsch
beschrieben, von Derschau und Passavant als Kopie
erkannt und die Kopie A zum Original gestempelt
wurde. So nahe vermochten Nachahmungen an die
Meisterarbeit heranzukommen.
Auch die K o p i e n haben ihre Geschichte, ihren
Aufstieg und Niedergang. Indem sie im Dienste bald
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7ahrgang qg22
Herausgcber: AciC)lpt l DOHGtil
2. ApriLDieft
Dücet)=Kopt{ieta und Düt’ec^Kopten
uon
lofepf) JMedet’
Die nachstehenden Ausführungen von Dr. Joseph Meder,
dem Direktor der Albertina in Wien, dürften für alle
Freunde der Graphik von besonderem Wert sein.
jer Ruf des modernen und vornehmen Kunsthandels
nach g;roßen Namen, Qualitäten und Seltenheiten
brachte es mit sich, daß die ehemals mit großem Inter-
esse gesammelten Stichkopien nach ersten Meistern all-
mählich auf die Seite geschoben wurden. Nicht allein
deshalb, weil man wirkliche Werte und nur Werte be-
gehrte, sondern weil jene älteren verwischten Anschau-
ungen über einen Meister, jene verallgemeinerte und po-
puläre Würdigung verloren gegangen und dafür eine
spezialisierte tiefgründige Erkenntnis ktinstlerischer
Schatfensweise Platz gegriffen, die nicht durch mindere
Erzeugnisse getrübt werden sollte. Die reiri kunst-
historische, auf sichere Quellen eingestellte Bewertung
lehnte alles Kopistenmäßige ab. Die Kritik triumphierte
über die Tradition, das Spezialistentum über die breite
Huldigung, die sich auch damit begnügt hatte, einen ver-
ehrten Meister in ersten, selbst zweitklassigen Kopien
vertreten zu haben.
Der Charakter der echten Sammler unseres Jahr-
hunderts muß daher ein anderer geworden sein. Es
sind gutberatene, qualifizierte Kunstfreunde, denen das
Beste nicht gut genug erscheint und die sich nicht gerne
dort einfinden, wo die Kataloge mit Kopienballast be-
schwert erscheinen. Ganz im Gegensatz zu den heute
auftauchenden und alles kritiklos zusammenraffenden
Sammlertypen. Aber auch im Gegensatze zu den un-
befangenen Alten, die sich neben Originalen zur Ergän-
zung auch Kopienmaterial anlegten und selbst dafür
gute Preise zahlten. Heller erzählt, daß die seltene
originalseitige, aber gelungene Nachahmung eines Un-
bekannten nach Dürers verlorenem Sohn (H. 478) höher
eingeschätzt wurde als die nicht zu raren Original-
drucke. Mau sammelte nach eigenen Gesichtspunkten,
strebte nach Vollständigkeit, freute sicli von einem zum
anderen und suchte durch gegenseitigen Vergleich die
komplizierten Unterschiede der Kopien kennen zu
leruen. Dieser vielseitigen Bescheidenheit haben wir
es zum nicht geringen Teile zu danken, wenn heute die
Originale von Dürer und Rembrandt gründlich und
•kritisch durchgearbeitet vorliegen. Aus dieser Art
Sammelgebiet wuchseu die Wegbahner für D ii r e r
heraus wie Schöber, Kuorr, Hüsgen, Lepel, Bartsch,
Ottley, Passavant und Heller, die noch vielfach mit der
Materie kämpften, aber sich riach und nach ans Licht
emporarbeiteten. Es bedurfte wahrhaftig eiues röög-
lichst vollständigen Vergleichsmaterials, wie es z. B.
1 ielier besaß, einer zähen Geduld und Verehrung für den
Meister, das Echte und Falsche auseinander zu halten,
wie es uns lieute so selbstverständlich erscheint. Und
nicht zu selten waren es die Kopien, die durch ihre, oft
feinen Differenzierungen erhellend auf das Original zu-
rückwiesen. Es ist nicht allzulange her, daß der Degen-
knopf Dürers, wie ihn der kluge und erfahrene Bartsch
beschrieben, von Derschau und Passavant als Kopie
erkannt und die Kopie A zum Original gestempelt
wurde. So nahe vermochten Nachahmungen an die
Meisterarbeit heranzukommen.
Auch die K o p i e n haben ihre Geschichte, ihren
Aufstieg und Niedergang. Indem sie im Dienste bald
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