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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 3./​4.1921/​22

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2. Aprilheft
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Meder, Joseph: Dürer-Kopisten und Dürer-Kopien
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https://doi.org/10.11588/diglit.21786#0434

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£uter, bald schlechter Herren standen, liier nützeiid und
fördernd, dort nur dem Gewissen dienend, wanderten
sie immer unter der Aegide eines großen Namens von
Hand zu Hand, bis eines Tages durch die photomecha-
nische Reproduktion ihrer weiteren Entwicklung ein
jähes Ende bereitet wurde. Wenn wir heute die bloß
bei Heller angeführten Kopien nach Stichen D ü r e r s
zusammenstellen, so kommen wir auf ungefähr 990 ver-
schiedene gestochene, zum geringen Teil geschnittene
Platten, auf Erzeugnisse der verscbiedensten Qualität
von bekannten und unbekannten Händen. Nicht alle
hatten — aus mancherlei Gründen — den Mut, sich als
Kopisten zu bekennen. Viele verbargen ihre Namen,
um nicht ein unliebsames Urteil heraufzubeschwören.
Nähme man fernhin an, daß jede Platte nur 10 Auflagen
und jede Auflage nur 50 Abzüge ergeben hätte, so resul-
tierten daraus nicht weniger als 495 000 Kopienabzüge,
die den Markt reichlich zu versehen in der Lage waren.
Dieser Überfülle begegnen wir nicht bei Schongauer
oder Lucas van Leiden, nicht bei Cranach oder Rem-
brandt. Und warum gerade bei Dürer?

Sein fabelhaft schaffender Grabstichel war es, der
alles Lormale und Stoffliche beherrschte und im raschen
Aufstieg zum Malerischen eine höchste Stufe erklomm.
Und ebenso der die Volksseele erfassende Gehalt seiner
Passionsfolgen, Madonnen und Heiligen, sowie seiner
Profandarstellungen, die in nie gesehenen Ausdrucks-
weisen junge Talente und Verleger immer aufs Neue
anregten, ähnliches anzustreben. Nicht minder künst-
lerische Neuheiten waren seine Holzschnitte, technische
Kunststücke im Großformat, voller Klarheit und Linien-
freude, erfüllt von einer Erzählerbegabung, die selbst
den Itaiienern imponierte. Als Dürer 1506 zum zweiten
Male nach Venedig kam, mußte er bald mit einer ge-
wissen Genugtung, aber auch zu seinem größten Ärger
konstatieren, daß sich Marcanton der zum Verkauf mit-
gebrachten Blätter des Marienlebens bemächtigt
und Nachstiche geliefert hatte. Zwei dieser Kopien tra-
gen tatsächlich die Jahreszahl 1506. Vasari berichtet
uns, freilich mit einigen Unrichtigkeiten, von dieser
Affäre und erzählt, daß die Signoria auf Dürers Be-
schwerde hin dem Nachahmer verboten hätte, das frem-
de Monogramm zu mißbrauchen. Sonst aber könnten
die Kopien weiterlaufen. Die Tatsache bestätigt, daß
dieselben heute tatsächlich nur leere Täfelchen tragen.
Nichts destoweniger erscheint uns eine derartige Ent-
scheidung heute sonderbar, denn gerade die Hinzufü-
gung von Dürers Monogramm hätte dessen geistiges Ei-
gentum erweisen müssen. Aber das Monogramm be-
deutete damals eine gesetzlich geschützte Meister-
marke, mit der kein Unfug getrieben werden durfte.
Schon am 7. Feber 1506 sclirieb Dürer an Pirkheimer:
,.Auch sind mir ihr viel feind und machen mein Ding in
Kirchen ab und wo sie es mügen bekummen." Wir
müssen daraus schließen, daß er eine größere Menge
von gedruckter Graphik nach Venedig mitgenommen
hatte, um sie als Andachtsblätter verkaufen zu lassen.
Ja er hatte sogar einem Agenten in Rom eine Partie
dieser Kunstware libergeben, über welche er seinem

Nürnbcrger Ereund gegenüber nur mehr berichten
konnte, daß er durch den l'od jenes Mannes einen
großen Schaden erlitten,

Diese unangenehme Entdeckung in Venedig war
nicht die erste. Schon 4 Jahre vorher mußte er er-
fahren, daß Hieronymus Greff, gen. Hieronymus von
Frankfurt, in Straßburg eine Kopie seiner Apokalypse
in lateinischer und deutscher Ausgabe ausgeschickt
hatte, die mit I. V. F. signiert war. Dürer wehrt sich
auch zu Hause energisch mit den verschiedensten Mit-
teln. Die Ausgaben des Marienlebens und der kleinen
Passion vom Jahre 1511 beschließt er mit den gehar-
nischten Worten: ,,Heus tu insidiator ac alieni
laborio et ingenii surreptor .... cave!“ und
beruft sich auf den kaiserlichen Schutz. Am 3. Jänner
1512 ergeht vom Nürnberger Magistrat, wahrscheinlich
über eine abermalige Beschwerde, eine scharfe War-
nung an die Dürer-Kopisten: ,,Item einem frembden
Mann, so und.ter dem Rathaus Kunstprif feyl hat und
undter denselben etliche so Albrecht Dürers Hand-
zaichen haben, die Ihme betruglich nachgedrukt seyndt,
soll man in Pflicht nehmen, dieselben Zaichen alle ab-
zuthun und deren keins hir feyl zu haben. Oder wo er
sich dess widern würd, soll man ihme dieselben Prif
alle als ain falsch auffheben und (zu) ains Raths
handten nemen.“ ’)

Was half es? Im Norden und Süden ging das Aus-
beuten weiter. In Oberitalien und besonders in Vene-
dig arbeiteten Marcantons Schüler und andere nach
beliebten Blättern. Agostino de' Musi (Veneziano),
Giovanni Antonio da Brescia, Nicoletto da Modena,
Benedetto da Montagna entlehnten die Hauptfiguren und
versahen sie mit neuem Hintergrund. Zoan Andrea
lieferte eine verkleinerte gegenseitige Apokalypse,
die mit kompositionellen Veränderungen 1516 in Vene-
dig erschien. In Augsburg radierte Hieronymus Hopfer
in seiner vergröbernden Weise darauf los, Virgil Solis
(1514—1562) schnitt in Holz.

Nach Dürers Tod stieg die Flut der Nachstiche
noch höher. ’WJewohl sich seine Witwe, Frau Agnes,
im August des Jahres 1528 einen Schutz ihrer Privi-
legien erwirkt hatte, schnitt H. Guldenmund 1532 den
„Triumphwagen Maximilians“ nach. Der Nürnberger
Rat entschied 1532 zu ihren Gunsten und riet ihr, die
Holzstöcke um 10 Gulden zu erwerben. wobei ihr die
Hälfte der Summe von Rechtswegen ersetzt würde.
Im Oktober desselben Jahres beschwerte sie sich aber-
mals gegen den Verkauf der in Paris 1532 herausge-
gebenen lateinischen Übersetzung der „Messkunst".
Auch hier willfahrte ihr der Rat, ließ die Buchführer
Nürnbergs vorladen und verwarnen. Und ebenso wur-
den jene von Straßburg, Frankfurt. Leipzig und Ant-
werpen davon verständigt. 0

In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts trat
eine Anzahl von Monogrammisten auf den Plan, die
einzelne Darstellungen oder auch ganze Folgen behan-

ö Campe, Reliquien 183. — Baader, Beiträge I, 10. — Thau-
sing, Dürer I, S. 344.

2) Baader Beiträge I, 11 u. 93. — Th. II, 307.

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