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Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 3./​4.1921/​22

DOI issue:
2. Oktoberheft
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Donath, Adolph: Lesser Ury: zu seinem 60. Geburtstage (7. November 1921)
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https://doi.org/10.11588/diglit.21786#0104

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tefe Uey

Bu fetnem 60. Qeburtstage (?. fSouember 1921)

uon

Ado tpf)

Lesser Ury wird am 7. November 60 Jahre alt. Ich
habe in einem Buche, das soeben erscheint*), dar-
gestellt, was dieser Berliner Meister für die Entwicklungs-
geschichte der modernen deutschen Malerei bedeutet, und
möchte daher bloß kurz skizzieren, wie er sich durch-
gerungen hat.

Seit 1887 lebt Ury ständig in Berlin. Er hatte 1878/79
in Düsseldorf beim alten
Müller begonnen, zu dem
er von Hermann Wisli-
cenus gesandt worden
war, kam noch 1879 zu
P o r t a e 1 s , dem be-
rühmten Akademiedirek-
tor in Brüssel, und er-
hielt bei P o r t a e 1 s ,
der sein eigenartiges
Talent erkannt und ge-
fördert hat, den ersten
Preis im Aktmalen. Und
Portaels ist es gewesen,
der ihn an den gefeierten
B o n n a t in Paris em-
pfahl, von dem er auch
sehr liebenswürdig auf-
genommen wurde. In
Paris nun studierte Ury
bei L e f £ b v r e , wo
gerade auch R o c h e -
grosse war und zu
dem damals auch G a r i
M e 1 c h e r s ging.

In Paris hat Ury seine
ersten Interieurs gemalt,
seine ersten Straßen-
bilder, seine erstenNacht-
stimmungen, seine ersten
Blumenstücke. Sie sind
der Beginn der ersten Entwicklungsepoche seiner Kunst,
die in den Bildern von Volluvet von 1882 bis 1884
ihren Höhepunkt erreicht. Aus diesem vlämischen Dorfe
Volluvet rühren seine naturalistisch-impressionistischen
Freilichtlandschaften her, die man Ende der achtziger
Jahre und noch 1893 in Berlin belacht und beschimpft

*) Lesser Ury. Seine Stellung in der modernen deutschen
Malerei von Adolph Donath. Mit 60 schwarz-weißen und
6 farbigen Tafeln. Verlag Max Perl, Berlin. Das Buch wurde
bei Gebrüder Feyl, Berlin, gedruckt. Die Ätzungen für die
schwarzen und farbigen Tafeln sind von Robert Ültzen, Berlin,
hergestellt. Von diesem Buche erscheint auch eine Luxusausgabe
in 110 numerierten Exemplaren mit einer signierten Original-
radierung des Künstlers. Einband (Ganzleder) von Wübben & Co.
in Berlin.

Donatf)

hat und die die ersten großen Zeugen des modernen
Impressionismus sind, die man in Deutschland kennen-
lernte.

Schon in den Bildern von Volluvet ist Lesser Ury
der große Kolorist, einer von den größten, den die Ge-
schichte der modernen Kunst überhaupt ihr eigen nennen
darf. Die zweite Epoche seines Schaffens beginnt dann

in Berlin. Fast sechs
Jahre hatte er sich in
der Welt umhergetrieben.
Jetzt wollte er aber wie-
der nach der Reichs-
hauptstadt zurück, wohin
er als Zehnjähriger aus
Birnbaum im Posenschen
gezogen war und das er
schon von Volluvet aus
wieder besucht hatte.
Und damals war es der
gleiche Portaels, der für
den jungen Künstler zu
sorgen wußte. Er schickte
ihn, so schreibe ich in
meinem Ury-Buche, zu
Carl Becker, dem
Historien- und Genre-
maler, und Becker wieder
führte ihn zu A n t o n
von Werner, damit
Ury ein Meisteratelier
erhalten und seinen
„Benjamin“ vollenden
könnte. Aber da dem
gestrengen Professor von
Werner die Kunstwege
unfaßbar waren. die der
junge Mann aus Volluvet
ging und deren Haupt-
element die Farbe war, sagte er rundweg heraus: „Ich
gebe nichts auf Farbe“. Und Ury packte Bilder und
Studien zusammen und zog nach München.

Dort hat er mehr Glück gehabt als in Berlin. Ja
vielleicht hätte er besser daran getan, in München zu
bleiben, das bei seiner alten Freundlichkeit dem Neuen
in der Kunst viel zugänglicher schien als das kunst-
fremde Berlin. Aber Schicksal ist Schicksal ... In
München hatte Ury nämlich noch Akt zeichnen wollen.
Fritz August von Kaulbach wunderte sich zwar,
daß der Maler von Volluvet überhaupt weiterlernen
wollte, aber er sandte ihn schließlich zu Herterich.
Ury ging also zu Herterich. Doch seine Auffassung des
Akts erregte dort Befremden, und als er eines Tages zu

Urys Selbstporträt, 1911
Aus dem Ury-Buche Donaths, Verlag Max Perl, Berlin

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