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Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 3./​4.1921/​22

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1. Aprilheft
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Scheuermann, W.: Ein Beitrag zur Geschichte der Erfindung des Buchdrucks
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Aus der Museums- und Sammlerwelt / Kunstauktionen / Kunstausstellungen / Zwei Bouchers an den Tenor Mac Cormack verkauft / Schweizerische Kunstchronik / Londoner Kunstschau / Vier Kinger-Zeichnungen in der Nationalgalerie gestohlen / Kleine Kunstchonik / Werbung
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https://doi.org/10.11588/diglit.21786#0414

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oder Gußmatrizen der Spiegelrahmen vielleicht aus beweglichen
Ornamenten hergestellt, waren sie vielleicht sogar schon mit In-
schriften aus beweglichen Lettern versehen? Daß sie ornamentale
Inschriften, fromme Sprüche oder dergleichen, trugen, läßt sich aus
der Vorliebe, mit der solche gerade um diese Zeit an allen mög-
lichen Gegenständen angebracht wurden, als recht wahrscheinlich
unterstellen. Das entscheidende aber wäre, daß diese Inschriften
aus beweglichen Lettern in die Matrize geschlagen oder gegossen
gewesen wären. Darauf kann freilich nur ein Fund eines solchen
Spiegels einmal die Antwort geben. Bewegliche Lettern aber
waren, und das macht die Frage bedeutsam, damals im Elsaß zu
anderem Zwecke in Gebrauch, nämlich zur Herstellung der In-
schriften auf Glocken. Noch heute besitzt die Kirche von Traen-
heim im Unterelsaß, (das man als die Heimat Hagens von Tronje
deuten will), eine alte Glocke, die 1412 vom Meister Claus Andres
in Kolmar gegossen worden ist und bis zu ihrem 1855 erfolgten
Umguß deutlich zeigte, daß die Inschrift mit beweglichen Lettern
in das Modell eingedrückt worden war. Ähnliche Glocken besaß
die alte Basilika von Mutzig in den Vogesen, und schon F. X.
Kraus hat gelegentlich darauf aufmerksam gemacht, daß diese Her-
stellung der Glockeninschriften aus beweglichen Lettern als eine
besondere Eigenart des Elsasses um die Wende des 14. zum
15. Jahrhundert anzusprechen ist.

Der Gedanke, daß Gutenberg diese ihm während seiner durch
den Zwist der Mainzer Patrizier und Zünfte erzwungenen Verban-
nung aus seiner neuen elsässischen Wahlheimat zugekommene An-
regung aufgenommen hat, ist also keineswegs abwegig. Er würde,

wenn es sicli durcli den Fund eiues seiner Handspiegel nachweisen
ließe, daß Gutenberg schon bei seiner dem Buchdruck unmittelbar
vorausgehenden Handspiegelfabrikation bewegliche Typen ver-
wendet hat, so sehr an Gewißheit gewinnen, daß wir sagen
dürften, die Erfindung der weltumwälzenden Buchdruckerkunst sei
durch die elsässischen Kirchenglocken angeregt worden, und
Poeten könnten das Bild von dem gleichen Berufe der Glocke und
des Druckwerkes anmutig ausmalen.

Das entscheidende an Gutenbergs Erfindung war die Einfiih-
rung beweglicher Lettern, die er von Anfang an aus Metall ge-
gossen hat. Die in Lesebiichern noch immer verbreitete Behaup-
tung, daß er urspriinglich vom Blockdruck ausgegangen sei und
daß sein erster Fortschritt in der Zerschneidung des Holzklotzes
in einzelne hölzerne Buchstaben bestanden habe, ist längst als
Irrtum nachgewiesen. Er begann vielmehr von allem Anfange mit
beweglichen Metalltypen, und dazu haben ihm möglicher Weise die
elsässischen Glockengießer den Weg gezeigt. Ü'brigens darf an-
gemerkt werden, daß zu ähnlichem Zwecke, wie die elsässischen
Glockengießer schon die römischen Münzmeister der ersten Kaiser-
zeit bewegliche Lettern verwendet haben, die sie in die Stempel
einschlugen, wie z. B. auf vielen Münzen Trajans init ihren be-
sonders langen und umständlichen Umschriften ohne weiteres fest-
zustellen und der Numismatik seit langem bekannt ist. Schließlich
hatte der Blockdruck noch ältere Vorläufer in Vorderasien, nur
daß statt des Papiers weiche Tonplatten zur Aufnahme des Druck-
werkes verwendet wurden.

W. S c h e u e r m a n n.

Aus dev jv[ufcumss und Samtnlet’iüclt

60. Qebuctstag Otto oon patkcs.

Am 29. April begeht Geheimrat Dr. Otto v o n F a 1 k e, der
Generaldirektor der Staatlichen Sammlungen in Berlin, seinen
60. G e b u r t s t a g. Unsere Museums- und Sammlerkreise haben
allen Grund, dieser um Wissenschaft und Sammelwesen hochver-
dienten Persönlichkeit dankbar zu sein. Otto von Falke ist gebiir-
tiger Wiener und Sohn des unvergeßlichen Jacob von Falke. Ehe
er an das Kunstgewerbemuseum in Berlin als Direktor berufen
wurde, war er Leiter des Kunstgewerbemuseums in Köln, zu
dessen Entwicklung und Aufschwung er erheblich beitrug. Wie
großzügig er dann in Berlin die Sammlungen des Kunstgewerbe-
museums ausgebaut und mit welchem Kennerblick er nur Oaali-
täten erworben hat, ist bekannt. Als Wilhelm von Bode von der
Generaldirektion der Berliner Museen zurücktrat, wurde Otto von
Falke sein Nachfolger. Seine erste Tat als Generaldirektor war
die Schaffung des Berliner Schloßmuseums.

Otto von Falke ist einer von den internationalen Kennern
des alten Kunstgewerbes. Die Kunstwissenschaft verdankt ihm
besonders grundlegende Forschungsergebnisse auf dem Gebiete
des rheinischen Steinzeugs, dessen Bedeutung er 1908 in einer
überall anerkannten Publikation klarlegte. Ein Jahr vorher er-
schien sein ausgezeichnetes Werk„ Majolika“ und im gleichen Jahre
kam seine „Geschichte des Kunstgewerbes im Mittelalter“ heraus.
1903 war seine Schrift über „Deutsche Schmelzarbeiten des Mittel-
llters“ vorangegangen. 1909 veröffentlichte dann Otto von Falke
ieine Arbeit über den „Kölner Domschrein des Nikolaus von
Verdun“ und 1913 seine „Kunstgeschichte der Seidenweberei“.

Generaldirektor Otto von Falke ist dem Forscher und Ge-
iehrten stets ein hilfsbereiter Freund. Auch im weiten Ausland
erfreut er sich der größten Wertschätzung. D.

Geheimrat Dr. Max J. Friedländer, der Direktor des
Berliner Kupferstichkabinetts ist mit der Stellvertretung Geheim-
rat Dr. Wilhelm von Bodes in der Generaldirektion des
Kaiser Friedrich-Museums in Berlin betraut worden.

Dte Lttbogt?apf)te tm Becttnct? Kabtnett.

Das Berliner Kupferstichkabinett bietet uns jetzt eine Aus-
stellung dar, die alle Kunstkreise interessieren muß:: eine vortreff-
liche Übersicht iiber die Entwicklung der Steinzeichnung seit ihrer
Erfindung durch Aloys Senefelder (1796) bis in die jüngste
Zeit. Max J. Friedländer schrieb hierfür eine kleines, gehalt-
volles Buch (Verlag Bruno Cassirer, Berlin), das umso dankens-
werter ist, als der Berliner Kenner in seiner fein geschliffenen,
klaren und sicheren Art die Geschichte und Bedeutung der Litho-
graphie darstellt. Und seine Schrift „Die Lithographie“ wird ihre
Wirkung auch auf jene Kreise nicht verfehlen, die bisher beim
Sammeln von Graphik über die Steinzeichnung sozusagen hinweg-
gegangen sind. „Wenn die Lithographie“, sagt Friedländer, „jede
Art von Zeichnung gehorsam annimmt und vervielfältigt, ist sie
dennoch dort am stärksten, wo sie etwas bietet, was keine andere
Technik zu bieten vermag. Nicht jede gute Zeichnung ist eine
ebenso gute Lithographie. Bei Übermittlung der Linie ersetzt der
Steindruck den Kupferstich, die Radierung oder den Holzschnitt,
bleibt aber an Bestimmtheit, Schärfe und Markigkeit zurück. Nur
auf seinem Sondergebiet entfaltet er spezifische Gaben und Wir-
kungen, die der Druckvervielfältigung vor seiner Erfindung uner-
reichbar waren. Das Sondergebiet umfaßt den körnig-weichen,
„malerisch“ breiten Strich der Kreide, die mit dem Kreidestift ge-
schaffenen Tonflächen,, die allmählich auslaufen und grenzenlos
ineinadner übergehen, umfaßt endlich jede Art von Pinsel-Zeich-
iiung bis zur vielfarbigen Tuscharbeit und Aquarellmalerei.“

Die Ausstellung nun zeigt aus den unerschöpflichen Bestän-
den des Berliner Kabinetts eine Fiille wichtiger Blätter. Sie be-
weist aber auch, daß München und Wien, wo Senefelders Erfin-
dung sofort künstlerische Wurzeln schlug, nicht so stark dastehen
wie Berlin. Auch Franz L i e d e r, der in Wien tätig war,
stammt aus Potsdam (mit seiner Bedeutung als Miniaturenmaler
hat sich seinerzeit Dr. Leo Grünstein in Wien wissenschaftlich be-
schäftigt). Von dem Wiener Kriehuber meint Friedländer
sehr richtig, daß er seinen Stil ,,in emsiger und gefälliger Produk-
tion allmählich verflacht“ hat. Bedeutender ist schon Ferdinand
O 1 i v i e r , der auch in Wien gearbeitet hatte. Und einer von den

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