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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 3./​4.1921/​22

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1. Februarheft
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Londoner Kunstschau / Die Spitzendekce der Maria Stuart / Ein amerikanisches Textilkunstwerk in Dresden / Sächsisches Kunstgewerbe auf einer amerikanischen Ausstellung / Ein Lionardo-Prozeß in New-York / Aus der Museums- und Sammlerwelt / Kunstausstellungen / Kunstauktionen / Bibliographische und bibliophile Notizen / Neue Kunstbücher / Werbung
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https://doi.org/10.11588/diglit.21786#0304

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Londonet’ Kunftßbau*

Becübmte Stücke dec Holford = CoUeetton.

Der Burlington Fine Arts Club, der führende eng-
lische Verein der Kunstsammler, Kenner und Kriliker, stellt eine
Auswahl aus der Sammlung der H o I f o r d s (Vater und Sohn)
zur Schau, teils aus dem Londoner Stadthaus, teils aus Familien-
sitz. Der ältere Holford hat eine berühmte Gemäidesammlung
besessen, von der bisher nur zwei Stücke abgewandert sind, und
zwar ein Hobbema, den Pierpont Morgan vor Jahren erworben,
und Velasquez’ Gemälde des Herzogs von Olivarez’ jetzt in der
New Yorker Huntington Kollektion. A'lanche von den jetzt aus-
gestellten Bildern sind der Öffentlichkeit solange entzogen
worden, daß sie fast sensationell auf den Beschauer wirken, da-
runter das Gemälde des „St. Thomas Aquinas“, über dessen Ur-
heberschaft die Kenner nicht einig sind, tbenso wie bei der
„Pieta“, die im Katalog als „vermutlich ein früher Perugino“ ein-
getragen ist. Ein kleiner Ritter Georg, der schwäbischen Schule
des 15. Jahrhunderts entsprungen, erinnert an Zeitblom, während
die „Muse der Malerei“, von Veronese sein soll. Die „Anbetung
der Hirten“ weist sich als echter Bonifazio aus; Tintoretto ist
durch das Porträt eines venezianischen Granden vertreten. Auch
ein lebensgroßer Bordone mit gleichem Motiv ist zu sehen. Vier
Rembrandts bilden eine besondere Gruppe: Sein im Jahre 1614
gemaltes Selbstporträt, sein „Porträt von Titus van Rijn“, 1661,
eins seiner Meisterwerke, sein „Bildnis der Frau Justus Lipsius“,
schwer und breit hingehauen, und das Porträt eines Predigers“.
Wundervoll ist Sustermans’ Gemälde einer vornehmen Florenlinerin,
das eine Zeit lang van Dyck zugeschrieben wurde. wie es auch mit
Gonzalez Coques Bildnis eines schwarzgekleideten Spaniers der
Fall war. „La Jeune Mariee“ steht im Katalog als ein Werk
Ferdinand Bols, und wird auch als solches von hervorragenden
englischen Kennern vermerkt. Auch Wilhelm von Bode führt
das Bild nicht als Rembrandt auf, obwohl 1903 Lionel Cust eine
(vielumstrittene) Rembrandt-Signatur auf der Leinewand ent-
deckte. Von Rubens stammt eine Zeiehnung der Helena Four-
ment, seiner zweiten Frau. Ein unbekanntes „Portiät eines
Mannes“ der frühen vlämischen Schule wird von Forschern
Petrus Christus zugesprochen und ein anderes Gemälde mit dem-
selben Motiv einem Schüler van Calcars. Aus der großen Menge
sei Van Cleve’s „Heilige Familie“ noch hervorgehoben.

Aus England wird uns der Tod des bekannten einheimischen
Malers Edgar Bundy gemeldet, ein führendes Mitglied der älteren
Schule, dessen Kunst sich in der Hauptsache mit Darsteliungen
aus dem 17. und 18 Jahihundert befaßte. Sein „Am Morgen der
Schlacht von Sedgenroor“ wurde für die britische Nation, bald
nachdem es im Jahre 1905 zur Ausstellung kam, angekauft.

6tn ko(tbat?es Dicbtermanufkrtpt.

Mitte Februar kommt, wie uns gemeldet wird, ein seltenes
Stück in London zur Verstcigerurg, ein Manuskiipt des Cam-
bridger Dichters Richard C r a s h a w , der im Jahre 1643 von seiner
Universität ausgeschlossen wurde und zur katholischen Kirche
iiberging. Durch hohe Protektion wurde er Kanonikus an der
Kirche von Loretto, aber noch bevor diese Wendung in seinem
Leben eintrat, veröffentlichte er 1634 einen lateinischen Gedichts-
band betitelt Epigrammatum Sacrorum Liber“, und das zum Ver-
kauf kommende Bücl.lein ist die Urschrift dieses Werkes, das
einzige handschriftliche was von Crashaw’s Gedichlen In dc-r
Sammlerwelt bekannt ist.

*

Man schieibt uns aus L o n d o n : Bei Puttick und Simpsons
fand^vor einigen Tagen die Versteigeiung chinesischer
Porzellane aus dem Besitz des Herrn J. Martinek, Tien-Tsin,
statt. Besonders umworben war ein aus drei großen aufrechten
Figuren bestehender Satz, der Shou-Iao, LinTungPing und einen
anderen Unsterblichen darstellte. Turner erwarb ihn um 168 Pf.

Die Londoner Goupil-Gallerie veranstaltete im Januar
eine Aussteüung gcliehener Zeichnungen alter ur.d neuer Meister,
fiir die Lord Lascelles, der zukünftige Gemahl der englischen

Königstochter, Professor Tonko, Dr. Borenius usw. ihre Samm-
lungen zur Verfügung gestellt hatten. So gut diese auch sind,
können sie mit den früheren von Mr. Heseltine, Oberst Malcolm
und des Hamilton Palastes nicht verglichen werden. Aus der
letzteren wanderten, wie erinnerlich, Botticelli’s Zeichnungen der
„Göttlichen Komödie“ nach dem Berliner Kaiser Friedrich-Museum
ab, während die Heseltine’schen Stücke meistens vom Louvre
gekauft wurden, wogegen das Britische Museum die ganze Samm-
lung von Oberst Malcolm an sich nahm. In der Januar-Aus-
stellung nun wurden besonders bemerkt Bartolomeo Montagna’s
„Stehendes Weib“ und der Giovanni Bellini zugesehriebene
„Sitzende Jüngling“. Auch Fra Bartolomeo’s Entwurf zu „Christus
und die vier Evangelisten“ in der Pitti-GalIerie war hier zu sehen,
wie auch ein A4eisterstück Veronese’s, „Das triumphierende
Venedig“. Signorelli war mit nackten Studien und Gozzoli mit
Entwürfen für Engelköpfe vertreten, die wohl später in der
„Anbetung der heiligen drei Könige“, in der Florentiner Medici-
Kapelle verarbeitet wurden. Von Tiepolo wurden die „Flucht
nach Ägypten“, „Weibliche Figur mit Tablett“ und „Studie von
Gebäuden“ viel bewundert. Weniger geficlen die Stücke aus dem
18 Jahrhundert französischer Herkunft, darunter Fragonard’s
„Amore im Spiel um eine gestürzte Herme“ und Watteau’s
„Künstler bei der Arbeil“. Neuere Fianzosen umfaßten u. a. einen
Rodin aus dem Jahre 1878, eine Frau, die mit ihrem Kinde spielte,
und einen Daumier. Soweit die Latenier. Von van Dyck fiel
die Studie einer männlichen Figur auf, während Rubens mit
mehreren Nacktstudien und Rembrandt durch verschiedene kleine
Sachen vertreten waren.

*

Moliere ist im Britischen Museum durch eine kleine
Sonderausstellung bedacht worden, in der sich erste oder sehr
frühe Ausgaben von zwanzig seiner Schauspiele, zensuriert und
nicht zensuriert, befinden, wie auch eine notarielle Urkunde des
Jahres 1664 mit seiner Unierschrift.

*

Gainsborough’s Blue Boy ist inzwischen in seiner neuen
Heimat eingetroffen, nachdem 90 000 Personen innnerhalb 14 Tagen
die letzte Gelegenheit benutzten, dem Bilde in d<m Londoner
National-Gallerie Abschiedsbesuch abzustatten. An seiner Stelle
wird nunmehr das Porträt von „George und Francis Villiers“
von van Dyck hängen, das die National-Gallerie aus der
Panshanger-Sammlung erworben hat. Das Bild ging lange Zeit
unter dem Titel „Die Lords John und Bernard Stuart“, wuide
aber nach eingehenden Forschungen richtiggestellt. George
Villiers spielte später in dcr englischen Geschichte eine wenig
rühmliche Rolle als Herzog von Buckingham in der Zeit des
„lustigen Monarchen“, Karl II.

*

Elf Bilder aus dem Nachlasse Kaiserin Eugenie’s, die
Prinz Napoleon Victor bei Christie’s versteigern Iieß, brachten
nur wenige Interessenten nach den Räumen der großen Londoner
Fernia, obwohi später am gltichen Tage Colnaghi 360 Pf. für ein
van den Neer’sches Fiußbild 2ahlte und Lever 320 Pf. für einen
Meissonier, „Retour ä la A4aison“ aus dem Jahre 1867.

Die Spit^endecke det? ivtama Sttiart

Gelegentlich des irischen Weltkongresses im Hotel Conti-
nental zu Paris wurde, wie man uns berichtet, eine herrliche
Brüsseler Spitze ausgestellt, die nachweislich von Maria Stuart
und ihren Hofdamen gearbeitet wurde und zu den längsten und
kostbarsten ihrer Art gehört. In ihrer Form als Altardecke
wurde die Spitze den irischen Damen (Nonnen) von Ypern ge-
widmet, die unter Elizabeth aus Irland flüchteten und später auf
Einladung Jakob II. nach Dubün zurückkehrten. Ihr dortiger
Aufenthalt war nur ein kurzer gewesen, da bei dem Einmarsch
Wilhelms von Oranien in Irland die Benediktinerinnen wieder
fliehen mußten und nur wenige Klosterschätze retten konnten,
darunter die Spitzendecke der Königin, die auch im jetzigen
Weltkriege mit ihren Besitzerinnen das Domizil wechseln mußte.

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