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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 3./​4.1921/​22

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2. Aprilheft
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Bogeng, Gustav A. E.: Bibliographische und bibliophile Notizen
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https://doi.org/10.11588/diglit.21786#0441

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G. A* 4 Bogeng

Die Abgegrenztheit des skandinavischen Buchwesens, !]:) be-
dingt durch die geringe Ausdehnung des Sprachgebiets und die sich
aus ihr ergebende Einschränkung der Schrifttumsmasse, so
hemmend sie auch fiir dessen internationale Geltung sein mag,
kommt daftir einer inneren Ausgeglichenheit zu Gute, jenem
Ebenmaß und jener Geschmackssicherheit, durch die die kunst-
gewerblichen Leistungen der Nordländer erfreuen. Bibliotheks-
technische Probleme, wie die einheitliche Zusammenfassung des
ganzen öffentlichen Bibliothekwesens iassen sich dort leichter
lösen, wofür die über dänische Buchneuigkeiten ausgezeichnet
unterrichtende, von Svend Dahl geleitete Zeitschrift B o g e n s
V e r d e n ein rühmliches Zeugnis ablegt. Daß auch die Biblio-
philie im engeren Sinne in Dänemark gedeiht, beweist des
gleichen Herausgebers 1920 im vierten Jahrgange erschienenes
ausgezeichnetes Aarbog for Bogvenner, indessen die
Bibliographie und die Bibliothekswissenschaft der drei nordischen
Reiche in der, mit Beiträgen in dänischer und schwedischer
Sprache erscheinenden Nordisk Tidskrift for Biblio-
teks Väsen ein von dem schwedischen Reichsbibliothekar J.
C o 11 i j n , dessen Inkunabelforschungen einen internationalen Ruf
genießen, vorbildlich gestaltetes Organ hat. Will man die schwe-
dische Buchkunst der Gegenwart würdigen, so gibt dafür Hugo
Lagerström, Svensk Bokkonst. S t o c k h o 1 m : 1920
die bequemste Gelegenheit. Der Verfasser, der führend seit
Jahrzehnten im Vordergrunde der Bemühungen um die Aus-
bildung des schwedischen Buchgewerbes und der schwedischen
ßuchkunst steht, hat in dem Bande eine Reihe älterer Abhand-
lungen vereinigt, die in ihrem Zusammenhange die Entwicklung
und die Erfolge dieser Bestrebungen, an der er so tätigen Anteil
nahm, deutlich erkennen lassen. Es versteht sich von selbst, daß
ein Werk wie dieses durch seine Ausführung selbst die Leistungs-
fähigkeit der schwedischen Typographie beweist. Trotzdem seien
die wunderbar klaren nahezu anderthalb hundert Abbildungen der
besprochenen Biicher ausdrücklich hervorgehoben, einmal weil sie
gerade denjenigen, die die Originale nicht kennen oder sie doch
nicht vor sich haben, eine sehr viel bessere Vorstelluug cier
Beispiele geben, auf die Bezug genommen wird, sodann, weil für
ähnliche Arbeiten eine derartige besonnene Benutzung des Buch-
bildes wesentlich ist.

Der Antiqua-Frakturstreit, diejenige Buchdruckschriftfrage,
die in Deutschland die meiste allgemeine Teilnahme zu finden
pflegt, ist in Skandinavien, das ja ebenfalls beide Schriften ver-
wendet, niemals mit solcher Schärfe geführt worden wie in
Deutschland. Wem daran liegt, tiefer in die hier sich ergebenden
Probleme und Problemstellungen einzudringen, ist allerdings rnit
allgemeinen Meinungsauseinandersetzungen nicht gedient und er
muß sich schon an die ernsthaften wissenschaftlichen Behancl-
lungen der auch kulturhistorisch recht reizvollen Schriftgeschichte
halten. Leider fehlt noch immer eine ausreichende Gesamtdar-
stellung und deshalb sei wenigstens auf dem rühmlichen Anfang
einer solchen verwiesen. Der Versuch von Arthur Mentz,
Geschichte der g r i e c h i s c h - r ö m i s c h e n Schrift
bis zur Erfindung des Buchdrucks mit beweg-
lichen Lettern (Leipzig,Dietrich: 1920) wäre allein
schon lobenswert, weil er eine kritische Übersicht der überall hin
zerstreuten Spezialliteratur verschafft, er zeichnet sich aber auch
durch die geschmackvolle und selbständige Art aus, in der er
seinen Gegenstand zu behandeln versteht. Daß er trotzdem noch
mancherlei Widersprüchen und Zweifeln begegnen wird, kann
kein Vorwurf gegen ihn sein, da allzuhäufig hier die Forschung
sich mit Vermutungen zufrieden geben muß.

Einem bewährten Meister der griechischen Paläographie
verdanken wir eine gute Bibliothekslehre, die kurz zu erwähnen

*) Siehe „Der Kunstwanderer“, 2. Märzheft.

umso weniger vergessen werden soll, als in ihr der ausgezeichnete
Buchhandschriftenkenner die sonst meist etwas vernachlässigte
Buchhandschriftenzeit ebenfalls zu ihrem Rechte kommen läßf.
(Victor Gardthausen, Handbuch der wissen-
schaftlichen Bibliothekskunde, Leipzig, Quelle
& Meyer: 1921. II) Buchkunstfragen findet man in diesem
Handbuche nur hin und wieder gestreift. Das entspricht noch
der biblothekarischen Durchschnittsmeinung, die die Kunst den
Museen überläßt, weshalb denn, abgesehen von einigen Ausnahmen,
unsere öffentlichen Buchkunstsammlungen eine Art sie zersplit-
ternde Zwitterstellung haben, ihre Bestände auf die Bibliotheken,
graphischen Kabinette und kunstgewerblichen Sammlungen ver-
teilen. Vielleicht ist es doch noch weit bis zu einer Organisation,
die sie zentralisiert. Immerhin mehren sich die Anzeichen, die man
mit einiger Geneigtheit hierzu als Vorstufen einer solchen Zentra-
lisation ausdeuten könnte.

Die ästhetische Auswertung der Buchkunst ist notwendig mit
ihrer technischen verbunden, der Buchkunstliebhaber kann, wenn
er als Buchkunstsammler weiter kommen will, der buchgewerb-
lichen Sachkunde nicht entraten. Auf bisweilen neuen Wegen
sucht in das ästhetische Problem des schönen Buches durch Fest-
stellung der Grundregeln seiner Herstellungsweise tief einzu-
dringen, Rudolf Engelhardt in seinem, in Einzelbänden
bei Julius Mäser, Leipzig-Reudnitz erscheinenden
Regelwerk, dessen Bekanntschaft allen ernsthaften Buchkunst-
freunden zu empfehlen ist. Mehr nacli antiquarisch-historischen
Richtpunkten stellte Karl Schottenloher seine Übersicht
iiber die Druckentwicklungsgeschichte bis zum Ausgange des acht-
zehnten Jahrhunderts zusammen, die anregungsreich und warm-
herzig geschrieben, nicht aus den Biichern iiber die Bücher ihr
Wissen gewann, sondern aus dem täglichen Umgange mit den
werten alten Bänden. Darin liegt und in ihrer selbstverständlichen
wissenschaftlichen Zuverlässigkeit ein Hauptvorzug dieses Werkes,
dessen rasche zweite Auflage die bereitwillige Aufnahme bestätigt,
die es gefunden hat. Leider ist auch in ihr die „Literatur“ noch
immer etwas stiefmiitterlich behandelt werden, wie denn iiber-
haupt die Bezielumgen zwischen der Bibliophilie und dem altem
Buche als einem Sammelgegenstande nur flüchtiger gekennzeichnet
werden. (Karl Schottenloher, Das alte Bucli.
Zweite vermehrte Auflage. Richard Carl
Schmidt & C o., Berlin: 1921.) Die gefällige und ge-
schickte Art, in der der Verfasser seinen Stoff anzuordnen und aus-
zubreiten versteht, immer bereit, das Buch als Kulturelement und
Kulturträger hervortreten zu lassen, ist um so mehr anzuerkennen,
als der Weg durch die Jahrhunderte, durch die er rasch mit dem
Leser reisen will, des öfteren durch nicht ganz genau bekannte
Gegenden geht. Das gilt insbesondere auch für die Anfänge des
Buchdruckes, die einen Forschungsmittelpunkt in den Gutenberg-
fragen haben, zur deren Lösung Gustav Moris Untersuchun-
gen sehr wichtig wurden, deren Zusammenfassung eben die
Schriftgießerei Stempel A. - G., Frankfurt a. M. in einem
ihrer musterhaften Privatdrucke verlegte. (W a s hat Guten-
berg erfunden? Ein Rückblick auf die Früh-
technik des Schriftgusses. Frankfurt a. M.: 1921).

Sieht sich der Buchforscher für die Vergangenheit einem zu
wenig an beweiskräftigen Zeugnissen gegenüber, so hat er für die
Gegenwart sich in einer Fülle der Gesichte zurechtzufinden. Da-
bei wird er bewußt oder unbewußt immer den eigenen Geschmack
vorwalten lassen und auf den Kritiker Mut seiner persönlichen
Überzeugung nicht verzichten dürfen. Um so eher, wenn er selbst
ein Bannerträger der neudeutschen Buchkunstbewegung seit ihren
Anfängen gewesen ist, ein Ruhm, den Hans Loubierfür sich
in Anspruch nehmen darf, dessen Rundschau über das schöne
deutsche Buch des zwanzigsten Jahrhunderts so auch zu einer
Auseinandersetzung mit denjenigen Erscheinungen wird, die aus

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