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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 3./​4.1921/​22

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2. Aprilheft
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Bülow, Joachim von: Der tote Maler
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https://doi.org/10.11588/diglit.21786#0440

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so 11, daß er ein guter Maler war. Wiire er es gewesen,
hätte ich ihn nicht umgebracht, denn so futterneidisch
bin ich nicht. Ich halte nur die schlechten Klinstler für
tötenswert, denn sie nehmen der Welt die Lust an der
Kunst. Doch zurück zu besagtem Toten.

Er wurde im Jahre 1907 geboren, so etwa im Fe-
bruar und starb nach einem kurzen Leben von
4 Wochen höchstens. Er hatte eigentlich keine Mutter,
denn ich selbst gab ihm das Leben und ich kann nichts
Mütterliches an mir entdecken. Sein Vater war, wenn
man durchaus einen solchen suchen will, der Ärger.
Das aber ging so zu:

Ich hatte in der Pariser Juryfreien, dem Salon des
Artistes Independants Bilder ausgestellt, auf die ich mir
einiges einbildete. Sie waren wirklich nicht ganz
schlecht, wenn ich sie heut auch vielleicht anders malen
würde. Aber niemandem fielen sie auf. Sie ver-
schwanden, weil sie ruhig, ehrlich, impressionistisch
gemalt waren und neben ihnen die ,,Fauves“ hingen.
So nannte man damals in Paris die wildgewordenen
Maler, denen man heute den Namen der Expressionisten
ohne Sinn und Grund gibt. Bloß weil sie nicht Impres-
sionisten sind und sein wollen, ist der Name gewählt,
obwohl sie zweifellos, wenn iiberhaupt, nichts anderes
ausdrücken wie Eindrücke, die ihnen nur nicht wie bei
den Impressionisten von außen kommen sollen. Man
sollte folgerechtlich jetzt die Im — Expressionisten
nerinen. Wie dem auch sei, die Fauves, die wilden
Tiere, fraßen mich auf oder wenigstens den Eindruck,
den ich hätte machen können und das mußte mich mit
Recht ärgern, zumal ich in keiner Weise die Über-
legenheit ihres Schaffens sah, weil es mit äußerlichen
Mitteln und Mätzchen arbeitete, um aufzufallen, also im
wahrsten Sinne des Wortes Kitsch war, das heißt,
Kunst um des Geschäftes willen.

Vor allem sagte ich mir, was die können, kannst du
schon lange. Weil mir aber mein Künstlername zu
schade war, utn ihti tnit solchem Versuch zu be-
lasten, schuf ich jenen anderen Maler, den ich nach-
her wieder totschlug.

Ich nahm vorhandene Bilder von mir und übertrug
sie in einen unmöglichen Stil, malte alles in den denkbar
dümmsten Farben und ungebrochenen Tönen, umrän-
derte die Gegenstände mit einer Farbe, die sich am
wenigsten zu der nächsten Fläche vertrug, ließ aber
immerhin noch ahnen, wie die Dinge sein sollten, denn
der Kubismus war damals noch nicht erfunden.

Dann nahm ich das erste solche noch warme Bild
unter den Arm und ging zu jenem Kunsthändler, der
sich dieser Fauves zu Spekulationszwecken annahm.

lch erzählte ihm von einem jungen Maler aus der
Provinz, der mir seine Bilder geschickt habe und für
den ich mich interessiere, irgend eine glaubhafte Ge-
schichte.

Das vorgewiesene Bild gefiel ihm sehr, er ver-
sprach, zu mir zu kommen und kam. Inzwischen malte
ich auf Teufelhol Bilder im Stile meines Homunkulus.
Und der Händler kam. Ich zeigte ihm ein Blumenstück,
einige Landschaften, ein Porträt des Homunkulus., das
er von mir gemalt. Ich hätte meinem besten Freunde
nicht gegönnt, so scheußlich auszusehen, wrie ich auf
diesem (Selbst) Porträt. Fine respektable Wasser-
leiche im dritten Monat ihres Daseins muß eine schönere
Farbe aufweisen. Aber mein Gast war begeistert. Er
fand alles „epatant“. Dann begann er zu vergleichen
und mich zu beschimpfen. Da war zufällig ein vernünf-
tiges Selbstporträt von mir: „Sehen Sie die Kraft in
jenem, diese Weichlichkeit in Ihrem Werke!“

In solchem Stil riß er meine Arbeiten herunter und
pries jene über die Hutschnur.

Was die Hauptsache war, er nahm sie in Komi-
mission und verkaufte auch wirklich eine Landschaft
aus Brügge, die Homunkulus bei mir kopiert hatte.

Leider schwoll mir der Kamm und ich schlug das
generöse Angebot von 20 Frank für ein Blumenstück
aus. Das blieb mir infolgedessen auf der Tasche und
lieute könnte es der Händler bei detn schlechten Stande
unserer Valuta gern für die Hälfte haben. Denn ich
hatte nun genug von meinem illegitimen Malerkittd und
tötete es. Es war mir die Farbe und die Leinewand
nicht mehr wert.

Mein Experiment war geglückt, der Erfolg des
Bluff nachgewiesen bezw. der Bluff, den jene zum Er-
folg benutzten.

Aus diesem oder ähnlichem Bluff ist dann die
Kunstrichtung entstanden, die jetzt zu sterben beginnt,
die aber seit fast 20 Jahren die jungen Maler nachäffen
und auf die nicht wenige Kritiker und Museumsleiter
hereingefallen sind.

Vielleicht begegne ich dem Brügge meines Homun-
kulus noch einmal in irgend einer Kunstgeschichte' als
seltenstes, weil einziges Werk von ihm auf dem Kunst-
markt. Ich will ihm den Kredit nicht rauben und seinem
jetzigen Besitzer nicht den Goldschatz, den er zu haben
vermeint, noch meinem Erben die Möglichkeit, die bei
mir verbliebenen Bilder jener Tage zu versilbern. Da-
rum nenne ich in der Öffentlichkeit weder den Deck-
namen noch den des Händlers.

Aber die Geschichte ist wahr und kein Aprilscherz.

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