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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 3./​4.1921/​22

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1. Dezemberheft
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Kunstausstellungen / Kunstauktionen / Aus der Museumswelt / Ausstellung gewerblicher Erzeugnisse in Dresden / Londoner Kunstschau / Alte Bildnisse in Lausann / Stiftung für die Universität Aberdeen / Amerikas Büchermarkt / Schloss Cassiobury Park /Baukunst im Lichtbild / Bibliographische ind bibliophile Notizen / Neue Kunstbücher / Neues vom Kunstantiquariat / Werbung
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https://doi.org/10.11588/diglit.21786#0190

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Vor einigen Jahren gab es einen interessanten Prozeß. Die
Musikverleger Bote & Bock verklagten damals Richard Strauß
wegen Beleidigung. Und die übrigen Musikverleger schlossen
sich dem Musikhause an. Das ist nämlich so gekommen.
Richard Strauß war vertraglich verpflichtet, zwölf Lieder für
seinen Verlag zu schreiben. er war aber gerade in jenem Jahre
so stark gebunden, daß er Bote & Bock ersuchte, ihm etwas
Ruhe zu gönnen. Doch die Herren ließen nicht locker. Was
Straußen verärgert hat. Und er faßte darum den Plan, zu Alfred
Kerr zu gehen und ihm seine Situation zu schildern. Der geist-
reiche Kritiker und Satiriker nun griff rasch zu: schrieb sofort
zwölf amüsante Texte, die dann Strauß vertonte. So hatte sich
zwar der Komponist seines Vertrages entledigt, aber die Folge
war, daß Bote & Bock klagten. Bis eines Tages dieser musikalische
Prozeß zu einem versöhnlichen Ende führte.

Michl Fingesten Die Witwe

Trotz der Versöhnung mit seinen Verlegern ging Richard
Strauß die Sache doch immer noch im Kopf herum: er wollte
seine Lieder gedruckt wissen. Und hat hierfür Paul Cassirer
gewonnen. Denn inzwischen liatte Michl Fingesten die
Vignetten zu den Kerrschen Texten auf Stein radiert und aus
dem Strauß-Kerrschen Musikbuche war ein komplettes Kunstbuch
geworden. Aber nebenbei gesagt: dieses Werk, „Der Krämer-
spiegel“ genannt, ist bloß als Privatdruck in 120 Exemplaren
veröffentlicht.

Innerhalb der Fingesten-Ausstellung nun, die soeben von
der Neuen Kunsthandlung in Berlin veranstaltet wurde,
sieht man die Probedrucke zu dem „Krämerspiegel“. Man sieht
hier auch im Bilde den „Bock“, der „als Bote zum Rosenkavalier“
kam, sieht hier „Drei Masken“ am Himmel stehen, kurzum alle
die charakteristischen Motive, die der stets schlagfertige Kerr
für seinen Richard Strauß zu verdichten wußte. Der Graphiker
hat sich also eng an Text und Komposition gehalten, aber er tat
dies mit so köstlicher künstlerischer Sicherheit, daß der „Krämer-
spiegel“ fortan auch als graphisches Zeitbild fortleben wird.
In diesen Vignetten Michl Fingestens ist jenes wellig-feine,
phantasiereiche Musikgefühl, das auch seinen „Klingenden Garten“
adelt.

Neben dem „Krämerspiegel“ interessieren uns in der Fin-
gesten-Ausstellung auch die übrigen von den jüngsten Arbeiten
des Graphikers. Da sind die stark empfundenen Mütter-BIätter,
da sind seine halb grotesken, halb humorvollen und immer

wirksamen Exlibris, da sind seine lynsch bewegten Variationen
über ein Thema Chopins. Ein Meisterblatt voll tiefer Innigkeit
ist „Die Lesende“.

*

Ein anderer Graphiker, dem wir aber in Berlin bisher noch
nicht begegnet sind, ist jetzt bei Amsler & Ruthardtzu
Gaste: der Münchner Sepp Frank. Mit seinen ausdrucks-
vollsten Werken. Sepp Frank ist ein graphischer Bezwinger des
großen Formats, so wie es etwa Schmutzer ist, ohne daß der
Münchner mit dem Wiener sonst etwas gemeinsam hätte. Der
Münchner stilisiert und er stilisiert bewußt. Er geht, möchte ich
sagen, von dem einfachen Konturstrich der altdeutschen Meister
aus und hat dann überschüssige Kraft genug, seinen Kompositionen
die Linien seiner Eigenart einzuritzen. Denn eigenartig sind diese
Riesenplatten „Markus und Lukas“ oder „Der vom Kriege singt“
oder der „Convent“ usw. In ihnen ist so etwas wie bildhauerisches
Können: graphische Modellierkunst, sich scharf abhebend von
der malerisch gestalteten Umwelt. Auch die Porträts, wie der
Peter Halm oder die dämonische Maria Orska zeigen die wuchtig
zupackende Hand des meißelnden Graphikers, und endlich spürt
man gerade diese Lichter seiner Begabung in seinen im Brang-
wynschen Geiste erfaßten Architekturradierungen. In den radierten
literarischen Cyklen Sepp Franks — Sophokles’ Oedipus scheint
unter ihnen der stilechteste — klingt der selbstbewußte Ton
seines intensiven literarisch-künstlerischen Einfiihlungsveimögens
auf.

*

Auf die C e z a n n e - Ausstellung bei Cassirer ist hier
schon hingewiesen worden. Sie ist großzügig angelegt, bedeulet
eine Tat. Aus Privatbesitz wurde an Landschaften, Stilleben und
Porträts das beste zusammengetragen, was die Wesenheit des
Meisters kennzeichnet und die Entwicklung seiner Kunst. Klar
liegt sein Werk vor uns. Es heute analysieren zu wollen, würde
sinnlos sein. Man freue sich, daß es da ist!

Adolph Donath.

*

Bei Flatow und Priemer fesselt uns eine schöne Aus-
stellung alter und neuer Möbel. Neben seltenen französischen und
englischen Kommoden, Schränkchen und Tischchen, die vor-
trefflich erhalten sind, stehen neue hervorragend gearbeitete Stücke,
die den sicheren Geschmack der künstlerischen Leiter des Hauses,
Hirschler und Schapski verraten. Auch das alte Kunstgewerbe
des Hauses (alte französische Uhren, Porzellane usw.) ist sehens-
wert. Vor einem großen flämischen Gobelin des 17. Jahrhunderts
ist eine sehr interessante Holzskulptur aufgestellt: eine heilige
Cäcilie (siehe Abbildung), die norditalienischer Herkunft sein dürfte

*

Dr. Fritz Goldschmidt — Dr. Viktor Wallerstein
haben die Idee einer ersten Ausstellung deutscher Barock-
plastik in Berlin in anerkennenswerter Weise verwirklicht.
Ganz reizvoll ist in seiner Anordnung dieser Raum, den sie in
ihrem Kunstsalon für alle die typischen großen und kleinen
Figuren und Gruppen des 17. und 18. Jahrhunderts bereitstellten,
und nicht minder reizvoll die Auswahl der Stücke. Die Haupt-
stücke der barocken Kleinplastik aus Buchs, Elfenbein und Metall
sind in einer Eckvitrine glücklich vereinigt. Kunstwissenschaft-
liches Interesse hat besonders das zierliche Modell von Wagners
Nordheimer Altar.

*

Schöneberger und Friedenauer Künstler zeigen im Schöne-
berger Rathaus ihre Bilder, Piastiken, graphischen und
kunstgewerblichen Arbeiten. Es ist eine reichhaltige Schau und
es wäre den Künstlern zu wünschen, daß ihre Werke in die
richtigen Hände kämen. Hans B a 1 u s c h e k ist ausgezeichnet
vertreten. Außer seinen Bildern fesseln die von Heinrich H ü b n e r

J

Paul Höniger, Pfählerv. Othegraven, Willibald K r a i n,
Hans Mützel u. a. Auch in der Plastik- und Kunstgewerbe-

reihe findet sich manche tüchtige Arbeit.

*

Die Freie deutsche K ü n s 11 e r s c h a f t veranstaltet
in der Bendlerstraße ihre erste Ausstellung. Sie ist dem Porträt
gewidmet und enthält achtbare Proben. Gute moderne Keramik
ist rr.itausgestellt.

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