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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 3./​4.1921/​22

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1. Novemberheft
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Singer, Hans Wolfgang: Die Klinger-Gedächtnisausstellung in Bautzen
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https://doi.org/10.11588/diglit.21786#0134

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in und ein viertel Jahr sind nun schon verstrichen
seit dem Tode Max Klingers und die am Sonntag
den 16. Oktober zu Bautzen eröffnete Gedächtnisaus-
stellung dürfte wohl die letzte ihrer Art sein. In einer
Richtung ist sie vielleicht auch die beste: die seit Ab-
schluß meines Oeuvreverzeichnisses entstandene Graphik
war wohl noch nirgends so trefflich im Zusammenhang
und fast lückenlos zu sehen gewesen wie hier. Als sich
Klinger um die Wende des Jahrhunderts in verstärktem
Maße der Großplastik zuwandte, nahm er einmal Abschied
von der Radiernadel und dem Stichel, da ihm die Hand
für deren Führung zu schwer wurde. Das geschah gewiß
nur in einer augenblicklichen Regung, die er später selbst
gern in Vergessenheit geraten lassen wollte; jedenfalls
hat er nach ein paar Jahren nicht nur die obengenannten
Werkzeuge wieder aufgegriffen, er hat in den letzten
Lebensjahren sogar die umfangreichsten von allen seinen
Arbeiten geschaffen, umfangreich was die Ausmessungen
der Einzelplatte sowohl, als was die Zahl der zu einer
Folge zusammengefügten Blätter anbelangt: ja selbst an
Gebrauchsgraphik, an Diplomen und Ex-libris hat er nach
1900 mehr geschaffen als vor 1900. Solche Bücherei-
zeichen wie das für Meder, das für Frau Vogel und
manches andere weisen ebensosehr die meisterliche
Zeichnung, die vom feinsten Verständnis für den Reiz
der im Material liegt getragene technische Durchführung,
wie die schönsfen unter den älteren Arbeiten auf. Viele
andere werden den, der den früheren Klinger kennt, so-
wohl in der Aktzeichnung wie in der Radierungs-Aus-
führung befremden — um es zunächst einmal ohne
Kritik zu bezeichnen. Mag es nun sein, daß der Meister
freiwillig einem Stil, der in der jüngsten Zeit sich breit
gemacht hat, zuneigte; mag es sein, daß er über andere
Tätigkeit den Sinn dafür verloren und daß die Hand
die Macht eingebtißt hatte, jedenfalls stechen die meisten
der späteren Arbeiten ab von der königlichen, Ropsischen
Sicherheit der Zeichnung und von der gewissenhafteslen
aber stets geschmackvollen Handhabung des Technischen,
die die alten Klingerblätter zu dem wertvollsten Besitz
auf alle Zeiten der Graphiksammler stempeln.

Ein Werk, die allerletzte große Platte „Der Einsiedler“,
weist diese Eigenschaften noch auf. Von dieser Selten-
heit, es gibt angeblich überhaupt insgesamt nur fünf
Exemplare, waren hier zwei, ein unvollendeter und ein
letzter Druck zu sehen. Der ganze alte Klinger steht
nochmals darin auf, auch was den geistigen Gehalt des
Blattes betrifft. Es bietet eine schlichte Allegorie auf die
Nichtigkeit des Erdenglücks, das dem Alter keine nennens-
werten Güter, außer denen der Genügsamkeit und des
Selbstverzichtes, zu verteilen übrig läßt. Das ist ohne
Gespreiztheit und ohne den am Ziel vorbeischießenden
Aufwand vorgetragen. Das Blatt ist nicht, wie so
manches der späten Diplome, übersättigt mit einer der

künstlerischen Verkörperung spottenden Fülle an logischen,
rebusartig vorgetragenen, Gedankengängen. Ebenso
selten ist der prächtige Hindenburg, ein Entwurf zu
einem Werbeplakat des Bankhauses Arnhold für die
7. Kriegsanleihe, hier in einem Zustand vor, und einem
mit der Aquatintierung zu sehen. Fest und vertrauen-
erheischend steht der gewaltige Kämpe im schrecklichen
Sturmgetöse da. Es ist schwer zu begreifen warum
Klinger das Blatt zurückzog; er hat es aber nicht gut
geheißen und so kam es nicht zur Ausgabe. Hieran
reihen sich in Bautzen noch viele weitere Seltenheiten
in unfertigen und fertigen Zuständen, manche in der
ganzen Skala der Zustände; vor allem Ex-libris, Diplome
und verworfene Platten zum Zelt.

An Zeichnungen fallen auf, neben schönen Entwürfen
zum Wagner und anderen die schon anderswo ausgestellt
gewesen sind, eine Anzahl ganz früher Federzeichnungen,
die wahrscheinlich hier zum ersten Mal sich öffentlich
sehen lassen. Ein Illustrationsentwurf zeigt den vierzehn-
jährigen Klinger ganz im Bann der Walter Scott’schen
Romantik befangen. Entzückend ist auch ein aquarellierter
Kreide-Kopf der späteren Frau Geh. Rat Klinger.

Unter den Gemälden nenne ich nur drei: die „Tafel-
runde von Klingers Freunden in Berlin 1876“, ein kleines
Bild von merkwürdig reifer Realistik im Sinne der
Staufferschen Bildnismalerei: die Skizze zur Kreuzigung,
in der Farbengebung so viel reicher als das vollendete
Bild, und als ganzes voller Verheißung, wie es eben nur
eine geniale Skizze, nie das endgültige Werk sein kann:
endlich der „Garten in Meißen“. Das ist unter den rein
malerischen Schöpfungen des Meisters gewiß eine der
prachtvollsten. Der wunderbare Farbenreiz, den wir in
Böcklins berühmtem „Sommertag“ anstaunen, findet sich
hier auch vor, aber noch schwellender, noch suggestiver,
weniger abgeschlossen und überlegt, wenn lch so sagen
darf. Böcklins Bild wurde 1881 gemalt, dieses von
Klinger aber schon 1879 in Brüssel!

Von Skulpturen finden wir eine reiche Auswahl an
Kleinplastik und Büsten, aber auch die große, „Phryne“
genannte Marmorstatue und den „Knieenden Athlet“, die
Kolossalbronze von der es außer diesem Guß nur noch
jenen auf Klingers Grab in Groß-Jena gibt.

Außer ihrem eifrigen Direktor Dr. Biel, ist der
Bautzener Kunstverein für diese gelungene Ausstellung
der Witwe des Künstlers und ganz besonders auch Herrn
Erich Großmann-Herrmann, der fast die ganze Abteilung
der gedruckten Graphik bestritt, Dank schuldig. Dieser
Herr erwies sich hier als zwar einer der jüngsten aber
auch einer der erfolgreichsten Sammler auf diesem Gebiet.
Ihm war es gelungen Frau Geh. Rat Klinger zum Er-
scheinen bei der Eröffnung der Ausstellung zu bewegen
und Klingers alten Freund den Dichter Franz Lang-
heinrich herbeizulocken, der die Festrede hielt. Durch

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