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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 3./​4.1921/​22

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1. Maiheft
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Donath, Adolph: Prag als Sammlerstadt, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.21786#0463

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Pt?ag als Sammtet’dadt

oon

Ado [p b

ach einem Vortrage, den ich kürzlich in Prag über
* „Technik des Kunstsammelns“ hielt, sagte ich im
„Prager Tagblatt'1, das mich um die Darstellung meiner
Prager Kunsteindrücke ersuchte, es wiirde sich einmal
lohnen, die Geschichte Prags als Stadt des Kunst-
sammelns zu schreiben, im Zusammenhange alle die
Gemäldegalerien und kunstgewerblichen Kabinette zu
schildern, die dort
Adel und Bürgertum
im Laufe der Jahr-
hunderte eingerichtet
haben bis zu den
unvergleichlichen
Sammlungen Adalbert
von L a n n a s. Und
ich meinte, es würde
das Ansehen Prags in
der internationalen
Kunstbewegung giwiß
auch fördern, wenn
darauf hingewiesen
würde, daß seit dem
Tode Larinas ’) (Ende
Dezember 1909) die
Sammeltätigkeit des
Bürgertums sich er-
heblich gesteigert hat.

Was man nämlich
heute im Prager Pri-
vatbesitz sieht, ist
schon dessen würdig,
daß es aufgezeichnet
werde, denn es gibt in
der Hauptstadt der
Tschechoslowaki-
schen Republik eine
stattliche Reihe von
Sammlungen. die ab-
gesehen von den
längst gewerteten Ga-
lerien des A d e 1 s wie der N o s t i z , T h u n , L o b -
k o w i t z usw. — der Adel hütet jetzt seine Kunst-
schätze zumeist in seinen Schlössern — Kunstgüter
bergen, unter denen sich Qualitäten Von Rang befinden
und in deren Reihe wir z. B. auch zahlreichen Bildern
begegnen, die wissenschaftlich noch wenig oder gar
nicht bekannt sind.

In Prag wird alles gesammelt: alte und neue Ge-
mäide, alte und neue Graphik, altes Kunstgewerbe, dar-
unter vorwiegend Glas und Porzellan. Daß man auf
das Glas den Hauptwert zu legen scheint, ist irn Lande

Siehe: „Der Typus Lanna“ in A. Donaths „Psychologie des
Kunstsammelns“ 1. Aufl. 1911, (4. Aufl. 1922 iti Vorbereitung) Berlin,
Verlag Richard Carl Schmidt & Co.

Donatb

der böhmischen Gläser durchaus nicht verwunderlich.
Ich kann hier natürlich nur Andeutungen geben, möchte
nur in aller Kürze vermerken, was mir diesmal auf
meinen Kunstwanderungen durch die herrliche Stadt,
deren alte Architektur uns immer wieder neue Reize
bietet, besonders auffiel und wie sich dort neben dem
Sammein alter Kunst aüch das Sammeln tnoderner, im

besonderen heimischer
Kunst entwickelt hat.

Ich möchte mit
den Bildersammlun-
gen beginnen, unter
denen die des JosefV.
N o v ä k , des verstor-
benen Vaters des jetzi-
gen Handelsministers,
im Kreise der Kunst-
forscher bekannt und
geschätzt ist. Die Ga-
lerie Noväk, für die
der Besitzer 1875 mit
einer „Caritas“ des
Lüttichers Lambert
L o m b a r d (1505 bis
1566) sozusagen den
Grundstein legte, ist
1899 von Theodor von
F r i m m e 1, dem
Wiener Kunstgelehr-
ten, in vorbildlicher
Weise katalogisiert
worden. Eine gute
Reproduktion ihres
15 m langen, 5V2 m
breiten und ebenso
hohen Oberlichtsaales
bringt Prof. Dr. W.
M a r t i n , der Direk-
tor des Mauritshuis im
Haag, in seinem aus-
gezeiclmeten Buche „Alt-Holländische Bilder", das un-
längst in zweiter erweiterter Auflage erschien.2) Das
Hauptstück dieser Galerie nun ist wohl die „Santa
Conversazione“ des seltenen P a s q u a l i n u s V e n e-
t u s , der ganz in die Art seines Meisters Giovanni Bel-
lini schlägt, ein echt signiertes, koloristisch hervoragen-
des Werk der venezianischen Kunst. Wilhelm von
Bode, der 1888 in Prag war, um den Katalog des Ru-
dolfinums zu überprüfen, sagte, als er die Galerie
Noväk besuchte, daß ihn dieser echte Pasqualinus in die
Lage versetze, „viele unter dem Namen Bellini gehende
Bilder auf den richtigen Namen zu bringen". Und Bode

") Verlag Richard Carl Schniidt 6c Co., Berlin.

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