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Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 3./​4.1921/​22

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1. Oktoberheft
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Marfels, Carl: Wie ich Sammler wurde
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https://doi.org/10.11588/diglit.21786#0069

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Herausgeber: AdOlplTl DOPQtfl

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Der bekannte Uhren - Sammler Carl Marfels, aus
dessen Besitz seinerzeit PierpontMorgan eine Kollektion
kostbarer Stücke erworben hatte, gibt im nachstehenden
Aufsatz eine Darstellung seines Werdeganges als Sammler.

Es ist etwa vierzig Jahre her. Ich war bereits über
fünfundzwanzig Jahre alt, hatte ein gutes Stück der Welt
gesehen und mir auch mancherlei Kenntnisse angeeignet
— aber, was die bildende Kunst anbelangt, so war sie
bis zu jener Zeit ein Buch mit sieben Siegeln für mich
geblieben. Wohl hatte ich manche Gemäldegalerie ge-
sehen, aber ich hatte diese Stätten ätsthetischer und reli-
giöser Erbauung besucht, wie viele tausende sie besuchen,
d. h. ich betrachtete das S u j e t der verschiedenen Ge-
mälde, ohne daß mir die darin verkörperte Kunst, die in
großen Meisterwerken liegende Gottesoffenbarung zum
Bewußtsein gekommen wäre. So sah ich auch die Werke
der Bildhauerkunst etwa mit dem Verständnis an, dem
Schiller in seiner „Antike an den nordischen Wanderer“
so treffend Ausdruck verleiht:

Über Ströme hast du gesetzt und Meere durchschwommen,
Über der Alpen Gebirg’ trug dich der schwindlichte Steg,
Mich in der Nähe zu schauen und meine Schöne zu preisen,
Die der begeisterte Ruf rühmt durch die staunende Welt;
Und nun stehst du vor mir; du darfst mich Heil’ge berühren,
Aber bist du mir jetzt näher, und bin ich es dir?

Man sieht, ich gehörte bis dahin zu den Tausenden,
denen der große Genuß, den das Betrachten eines Kunst-
werkes dem Kenner gewährt, vollkommen fremd ist, weil
sie in das Wesen der Kunst nicht eingedrungen sind.
Wenn ich damals las, daß ein Liebhaber einige hundert-
tausend Mark für ein schönes Bild bezahlt habe, so fand
ich dies im höchsten Grade unbegreiflich; heute wundere
ich mich im Gegenteil darüber, daß ein solch unschätz-
bares Kleinod nicht noch höher bezahlt wird.

Zu jener Zeit ersuchte mich ein befreundeter Juwelier,
ich möchte ihm doch alte Spindeluhrkloben (die reich
gravierten Deckplatten der Unruh in alten Uhren) be-
sorgen, da dieser Artikel zur Anfertigung von Schmuck-
sachen viel verlangt werde. Ich konnte dies um so sicherer
versprechen, als ich in Vertretung einer bekannten Uhren-
großhandlung ganz Deutschland besuchte und bestimmt
hoffen durfte, diesen Wunsch erfüllen zu können. In der
Tat brachte ich eine große Anzahl zum Teil sehr schöner
Uhrkloben zusammen, in deren Betrachtung ich mich auf
meinen langen Bahnfahrten vertiefte. Ich konnte nicht
umhin, die vollendeten Gravierungen bei vielen dieser
kleinen Meisterwerke, die Professor Luthmer einmal
treffend Epigramme der Gravierkunst nannte, zu bewundern,
und kam bald dahin, mich an den entzückenden Orna-
menten und der schönen Linienführung zu erbauen. In
der Tat sind diese Zierate aus der Blütezeit der alten
Taschenuhren mit einer vollendeten Meisterschaft ent-
worfen und graviert, was ja nicht zu verwundern ist,
wenn man bedenkt, daß unsere allerersten Kleinmeister
wie Theoder de Bry, Etienne de Laune, Blondus, Alde-
grever, Virgil Solis u. a. die Vorlagen lieferten oder gar
die Gravierugen selbst ausführten. Die Glanzzeit der
Renaissance, die fruchtbare Periode Ludwigs XIII, die
prunkvolle Epoche Ludwigs XIV und XV, der Klassizis-
mus der Zeit Ludwig XVI sind darin mit prächtigen
Mustern vertreten, bis in der Empirezeit der Verfall dieser
interessanten Kleinkunst eintritt.

Bei meiner Nachfrage nach alten Uhrkloben und
Uhrwerken wurde mir auch einmal eine silberne Uhr
angeboten, deren Gehäuse mit zierlichem Laubwerk und
phantastischen Tiergestalten reich durchbrochen war.
Man verlangte dafür Mk. 15.—, und wenn mir dieser

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