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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 3./​4.1921/​22

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2. Dezemberheft
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Kunstmarkt in Amsterdam / Aus der Museums- und Sammlerwelt / Kunstausstellungen / Neue Kunstbücher / Werbung
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https://doi.org/10.11588/diglit.21786#0222

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Kunffmat’kt tn Amfedam.

Unser Amsterdamer Kunstreferent schreibt uns: Die Firma
Fred Muller wirft in dieser Saison nicht viel auf den Markt;
infolge der allgemeinen Malaise nimmt sie eine vorsichtige und ab-
wartende Haltung ein. Die erste größere Auktion fand erst am

29. November statt; zur Versteigerung gelangte die kleine Samm-
lung moderner Gemälde desHerrn Neervoort van de Poll,
die einige wirkliche Meisterwerke enthielt. Ein Teil der Sammlung
ist eine Zeit lang im Ryksmuseum ausgestellt gewesen, als dem
sichersten und billigsten Depot während des Krieges, nachdem
der Besitzer seinen Wohnsitz nach der Schweiz verlegt hatte.
So ein vorübergehender Aufenthalt in einem großen Museum hat
auch noch den Vorteil einer stillen Reklame, die ebenfalls nichts
kostet, und wird obendrein als eine Liebenswürdigkeit gegenüber
dem kunstliebenden Publikum, das auf diese Weise auch einmal
mitgenießen darf, empfunden. Die kleine Sammlung enthielt nur

Lesser Uiy, Morgenstimmung (Radierung)

Aus „Graphiker der Gegenwart“, Veriag Nene Kunsthandlung, Berlin

Werke von den hier stets noch sehr geschätzten Meistern der
Haager Schule und einigen Franzosen aus der Mitte des vorigen
Jahrhunderts; das gilt hier noch immer als modern, ist gangbare
Münze, die ihren Handelswert hat, und war seinerzeit mal eine
gute Kapitalsanlage. Von diesem kaufmännischen Gesichtspunkte
will Kunst in so einem alten Kapitalisten- und Rentiersland immer
noch in erster Linie beurteilt werden.

Daß Kunstsammeln auf diese Weise betrieben ein ganz gutes
Geschäftchen ist, das illustriert in recht erbaulicher und auf-
munternder Weise die Geschichte eines der schönsten Stücke der
Sammlung, der feinen, in gewisser Hinsicht etwas unholländischen
„Wäscherin“ von Matthys Maris, in dem von den drei
Brüdern der deutsche oder böhmische Einschlag am stärksten war;
der Vater der Marisse war aus der Tschechoslowakei hierher
eingewandert. Dieses kleine Werkchen, das 1863 zuerst auf einer
Ausstellung im Haag zu sehen war — und von der Regierung des
Ankaufs nicht für würdig erachtet wurde, ging damals für 250 fl.
in den Besitz eines Privatmannes uber; bei der Versteigerung
dieser Sammlung 1875 erwarb es für 850 fl. ein bekannter Haager
Kunsthändler. Das Gemälde hatte sich somit ungefähr zu 20%
verzinst, den Genuß desselben hatte man dann die 12 Jahre lang
gratis gehabt. Es kommt aber noch besser. Zwanzig Jahre später,
1895, kaufte es für 8000 fl. aus englischem Besitz, in den es in-
zwischen übergegangen war, der letzte Besitzer, der Herr Neer-

voort van de Poll; das käme einer jährlichen Verzinzung von etwa
50% gleich. Und jetzt, in diesen „schlechten“ Zeiten brachte
das Werk noch glatte 30000 fl. auf; das ist im Verhältnis natürlich
weniger, man läßt sich das bei einem solchen Werk aber auch noch
gefallen: eine Verzinsung von 10%ist immer noch viel mehr, als
das Doppelte der sichersten konsolidiertesten Staatspapiere. Da-
bei kann man schon den Mäcen spielen und die Künstler, die
armen und ewig armbleibenden, unterstützen. Täte da nicht ein
Gesetz not, das den Schöpfern solcher günstigen Konjunkturen,
den Künstlern und ihren Erben, eine bescheidene Tantieme, eine
kleine Wertzuwachssteuer ihrer Erzeugnisse in der ganzen Welt
sicherten? Wäre das nicht vielleicht etwas für den Völkerbund,
der sich dadurch wirklich ein Verdienst um die Kultur erwürbe?

Noch weniger holländisch als die Wäscherin von Thys Maris
war der zweite (genauer) der dritte „große Preis“, die feine, ge-
geheimnisvolle Dornröschen-Prinzessin desselben
Meisters, in der sich deutsche Romantik, deutsche Innigkeit mit
holländischem Farbensinn, holländischer Formensicherheit zu
einem Wunderwerke von seltener Harmonie veieint haben; dieses
schmächtige, noch unentwickelte Figürchen mit den großen dunklen
Traumaugen, ein Mignontypus, ist wie die Verkörperung der un-
bestimmten Sehnsucht, die in jedem jugendlichen Menschenherzen
sitzt, des Wartens auf das Wunderbare, das nie kommen will.
Dieses aus dem Jahre 1873 stammende Werk erzielte 24500 fI.,
nur 500 fl. weniger als die große Windmühle vor blauem Wolken-
himmel des älteren Jakob Maris, die für 25 000 fl wegging.

Zu ungefährer Preishöhe wurde nur noch ein Werk hinauf-
gesteigert, eine Landschaft von Corot, die Wiese mit der
Schützschleuse (la prairie avec la vanne), ein kleines Werkchen
von 66 X 77, das 23100 fl. ergab. Der Rest hielt sich in ange-
nressenem Abstand von den Preisen dieser Meisterwerke; die
10000 fl. übeistiegen nur noch zwei Werke von Jakob Maris um
ein Weniges. Wir lassen die Preise in der Reihenfolge des
Kataloges folgen, der, vie immer bei Fred Muller, glänzend aus-
gestattet (die Tafeln diesmal lose, nicht geheftet, was die Firma

immer tun müßte) und vortrefflich redigiert war:

1. Bosboom, Kircheninneres; bez. (34,5X4-) .... 5900 fl.

2. Corot, La Vanne; bez. (66 x 77). 23 100 „

3. „ Landschaft; (55,5X46). 9 0C0 „

4. Daumier, Das Plaidoyer; (22 X 27). 5 100 „

5. Diaz, Blumenstück; (31X 21). 1 550 „

6. Dupre, Morastlandschaft; (28,5X42). 6 400 „

7. J. Israels, Die Neugierige (31 X 21) 4 300 „

8. „ Der Schiffbruch (34,5 X 45). 1 100 „

9. „ Dämmerung (58 X 84).• . 8 100 „

12. Jakob Maris, Schiffer und Pferd seinen Kahn ziehend

(43 X 47).• . 2 500 „

13. „ „ Die Schwesterchen (33,5 X 25,5) . . . 7 000 „

14. „ „ Lesendes Mädchen (44 X 30). 1 8C0 „

15. „ Muschelfischer (31X44) . . • .... 3000 „

16. „ „ Der junge Geigenspieler (85 X 49) . . 9 200 „

17. „ „ Mühle im Winter (47 X 8). 4000 „

18. „ „ Die Sandschiffer (10 X 59,5). 7 000 „

19. „ „ Badende Knaben (47 X 38). 4 0C0 „

20. „ „ Bezogener Himmel (43 X 71).10 200 „

21. „ „ Der Strand von Scheveningen (45 x 59) 5 200 „

22. „ „ Stadtansicht (42 x 49). 12 400 „

23. „ „ Die Windmühle (108X90). 25 000 „

24. Matthys Maris, Die Wäscherin (39 x 28). 30 000 „

25. „ „ Dornröschen (93 X 62). 24 500 „

27. W. Maris, Die weiße Kuh an der Tränke (80 X 104) 6 300 „

28. „ Sommer (85X126). 8 200 „

29. A. Mauve, Die Holzhacker (26,5 x 46). 6 600 „

30. „ Der kleine Obstgarten (32 X 53) .... 4 100 „

31. „ Das Häuschen in den Dünen (34 X 46,5) 6 100 „

32. „ Der große Obstgarten (50 >< 76) .... 5500

33. „ Schafe auf der Heide (55 X 93).14 500 „

34. J. F. Millet, Hylas und die Nymphen (25 x 41) . . 1 550 „

35. A. Neuhuys, Das neue Kleid (28,5X22). 1050 „

36. „ Bei Großmutter (37 X 60) ...... 5 100 „

B a t a v u s.

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