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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 3./​4.1921/​22

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1. Maiheft
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Friedländer, Max J.: Geschmackswandlung und Kunsthandel
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https://doi.org/10.11588/diglit.21786#0461

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Wir geben hier mit freundlicher Genehmigung Geheim-
rat Dr. Max J. Friedländers einen Teil aus einem
Aufsatz wieder, der den in diesen Tagen erscheinenden
zweiten Band des von Adolph Donath herausge-
gebenen „Jahrbuches für Kunstsammler“
(Frankfurter Verlagsanstalt A.-G., Frankfurt a. M.) ein-
leitet. Friedländers Aufsatz hat, obgleich er 1921 für das
Jahrbuch geschrieben worden ist und sich auf die Kunst-
verhältnisse von 1921 bezieht, hohe Aktualität.

jer Umsturz der politischen und wirtschaftlichen
Verhältnisse wird auf dem Kunstmarkte spürbar.
Die Umlagerung der Kräfte, das Armwerden einiger,
das Reichwerden anderer Länder, das Aufkommen
neuer Käuferschichten mit neuen Bedürfnissen: dies
alles verwandelt die Wege und die Methoden des Kunst-
handels. Freilich vollzieht sich die Änderung langsam
und allmählich, weil die Dinge nach dem Trägheitsge-
setze noch eine Weile den alten Lauf nehmen.

Zur Zeit herrscht Unlust, Verwirrung, an manchen
Stellen nervöse Waghalsigkeit und namentlich in
Deutschland Unsicherheit in bezug auf den Wert der
Kunstsachen. Wir sind solange Zeit abgesclmitten ge-
wesen von dem internationalen Markt; eine enge und
regelmäßige Fühlung mit den Londoner und Pariser
Vorgängen konnte noch nicht wiederhergestellt werden.
Weit verbreitet bei uns ist der Wahn von einer allge-
meinen und andauernden Wertsteigerung. Die Ent-
wertung des deutschen Geldes, die in einer gewaltigen
Steigerung der Zahlen zum Ausdruck kommt, hat diesen
Irrtum hervorgerufen. Hat man sich klargemacht, daß
die Preiserhöhung nichts als Schein und nur eine Folge
der Valuta-Verschiebung ist, so beginnt man in „Gold“
zu taxieren und umzurechnen. Der deutsche Sammler
sagt sich, dieser „Berchem“ hat mich vor dein Kriege

3000 Mark gekostet, ist also heute mindestens
60 000 M. wert. In dem „mindestens“ spricht sich der
Aberglaube von einem allgemeinen und absoluten Stei-
gen der Preise aus. Aber, auch abgesehen davon, ist
die Rechnung falsch. Wer hat denn 1912 Interesse an
dem „Berchem“ gezeigt und dadurch den Preis be-
stimmt? Wesentlich doch deutsche Händler und
deutsche Sammler. — Da nun die Kapitalien der
deutschen Händler und die Vennögen der deutschen
Sammler nicht in Gold angelegt waren, fehlt es jetzt
an Geld und dementsprechend an Nachfrage, hament-
lich für diejenigen Dinge, die früher vorzugsweise von
der deutschen Liebhaberei gesucht wurden. Der, wenn
nicht ausgeschaltete, so doch stark herabgesetzte Mit-
bewerb deutscher Sammler war namentlich kurz vor
dem Krieg auf einigen Gebieten sehr beträchtlich. Ab-
gesehen von den ganz großen Gegenständen, die von
Amerika aufgenommen wurden, war das breite, stark
dezentralisierte deutsche Interesse eine wesentliche
Stütze des Marktes, liamentlich für liolländische Ge-
mälde des 17. Jahrhunderts, für deutsches Porzellan,
für mittelgute Dinge jeder Art. Wir entsinnen uns der
Steengracht-Auktion, die 1913 in Paris stattfand, bei der
eine Reihe ausgezeichneter holländischer Bilder zum
Verkauf kam. Das teuerste Stück, der „RembrandU,
ging damals nach New York, das iibrige aber wurde
zwischen Holland, das in diesem Fall außerordentliche
Anstrengungen machte, sich wenigstens einen Teil
seiner berühmten Galerie zu erhalten, und Deutschland
geteilt. Die Herren M. Kappel, O. Huldschinsky,
v. Pannwitz, Krupp waren damals die starken und er-
folgreichen Bewerber, während die Franzosen und Eng-

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