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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 3./​4.1921/​22

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1. Novemberheft
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Weinitz, Franz: Ein ''Staufer-Bern" in einer märkischen Dorfkirche
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Schweinfurth, Philipp: Finnländische Meister in Riga
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https://doi.org/10.11588/diglit.21786#0136

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Ich glaube es verschlägt nichts und läßt sich recht-
fertigen, wenn ich die Ortschaft Buch — uns Berlinern
in neuerer Zeit durch die großen städtischen Wohl-
fahrtsanstalten besonders bekannt — die Bezeichnung
„Dorf“ lasse, wenn es auch vor kurzem in das große
Berlin, aus Nützlichkeitsgründen, einverleibt wurde. Über
unser Wanderziel lesen wir in Nicolais Beschreibung
Berlins . . ., 1786, S. 1089 folgendes: Buch, ein Dorf
zwey Meilen von Berlin, dem Hrn. Dompropst von Voß
gehörig. In demselben ist eine schöne Kirche, 1726 und
1727 auf Kosten des damaligen Besitzers, des Staats-
ministers Hrn. von Viereck, von Diterichs gebauet. Der
Thurm hat eine Kuppel. In der Kirche ist das marmorne
Denkmal des gedachten Hrn. von Viereck, von Glume.
Bey dem herrschaftlichen Hause ist ein schöner Garten.

Wir treten in die Kirche ein. Aber nicht ihre
schöne, alte Barockauszierung, nicht das Grabdenkmal
soll heute unsere Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen.
Einem farbigen Gemälde, gut eingerahmt, an der Süd-
wand des Chores aufgehängt, gilt unsere Betrachtung.
Es stellt sich uns daralseine Kopie des Rubensschen Ge-
mäldes im Berliner Kaiser Friedrich-Museum, der „Auf-
erweckung des Lazarus“. Das Bild hier in der Kirche,
oben abgerundet, ist 1,60 m hoch; 1,20 m breit. Also
eine verkleinerte Nachbildung des Originals (2,63:1,96)
das, ohne gerade zu den Hauptwerken des großen flä-
mischen Meisters zu zählen, schon durch die Mitarbeit
des jungen van Dyck an ihm bemerkenswert erscheint.

Wer hat die Kopie verfertigt, wie kam sie hierher?
Unten rechts in der Ecke steht eine Schrift. Mit vieler
Mühe, da fast ausgekrazt (warum dies geschehen sein
mag, bleibe unerörtert), entziffert man hier den Namen :
K. Stauffer. Deutlich aber zu lesen ist die Fortsetzung:
nach Rubens 1881 Berlin. Über die Entstehung der
Staufferschen Kopie und ihre Stiftung in die Bucher
Kirche habe ich folgendes ermitteln können.

Ein Eingesessener Buchs hatte den Wunsch, es war
um das Jahr 1880, seiner Kirche eine Stiftung zu machen.
Zuerst stellte er Geld zum Umgießen einer der Kirchen-
glocken zur Verfügung. Dieses Anerbieten kam zu spät,

da die gesprungene Glocke bereits umgegossen worden
war. Darauf beschloß er ein Bild zu stiften. Ein nicht weiter
bekannter Berliner Maler mit Namen Nagel, wurde nun —
wahrscheinlich gab dieser selbst dazu die Anregung —
von dem Stifter beauftragt, eine Kopie der „Auferweckung
des Lazarus“ anzufertigen. Kaum hatte Nagel mit der
Arbeit begonnen, als ihn derTod ereilte. Auf Empfehlung
Antons von Werner erhielt nun Karl Stauffer den Auf-
trag, die Arbeit zu Ende zu führen. Der junge, vor
kurzem erst zugezogene Schweizer, der, was etwa schon
von seinem Vorgänger gemalt worden war, sicherlich,
seiner eigenen Auffassung entsprechend, überarbeitet
haben wird um dann den Auftrag zu Ende zu führen,
konnte demnach, mit Fug und Recht, seinen Namen
unter die Kopie setzen. Eine kunstrichferliche Bewertung
des Bildes, für das Stauffer 900 Mk. empfing, mag unter-
bleiben. Von dem fleißigen und begabten, aber doch
noch strebend sich bemühenden Kunstjünger wird man
kein überragendes Werk zu sehen verlangen können.
Eine achtbare Leistung bleibt es gewiß. Im Kopieren
alter Meister hatte er sich schon in München geübt.

Das Gemälde fand anfangs seinen Plafz als Altar-
bild. Später hielt man, und nicht mit Unrecht, solchen
Platz wenig geeignet für eine Darstellung gerade dieses
Auferweckungsvorganges. So wurde es an der Wand
des Chores aufgehängt. Erwähnung verdient wohl noch,
daß ein Berliner Kunstfreund, der von diesem Stauffer-
schenBilde Kenntniserhalten hatte, es zueinemhohenPreise
zu erwerben trachtete. Seinem Wunsche wollte und durfte
die Kirchenbehörde begreiflicherweise nicht willfahren.

Die Bucher Kirche muß als schönes Beispiel des
ausgehenden Barockstils in unserer Mark jedem Kunst-
freunde wohlgefallen. Ihr Inneres macht einen anmutig-
weltfrohen Eindruck. Wer aber dem deutsch-schweize-
rischen Maler-Radierer Karl Stauffer-Bern, der seine
glücklichsten Jahre hier in Berlin verlebte, vielleicht
damals schon seine Teilnahme zuwandte und, trotz Schuld
und Fehle, über das Grab hinaus noch heute zuwendet,
kann seiner Arbeit in Buch nur mit wehmütigen Gedanken
gegenüberstehen.

ftnnländtfcbe jvletfiev tn Rtga.

Universitätsdozent Dr. Philipp Schwe infurth schreibt
uns aus Riga: Vcr kurzem wurde im Salon Rosental in
Riga eine Ausstellung zeitgenössischer finnländischer Künstler
eröffnet, wobei der Architekt Alvar Aalto-Helsingfors in deutscher
Sprache den versammelten Gästen einige interessante Mitteilungen
über die kiinstlerischen Bestrebungen der skandinavischen Völker
machte. Redner wies zunächst auf Schweden hin, das in dieser
Beziehung die regste Tätigkeit und die fruchtbarsten Ideen ent-
wickelt, und das er in gewissem Sinne als ein Vorbild für die
jungen Ostseestaaten bezeichnete. Nach den Ausführungen von

Herrn Aalto zu urteilen, macht sich zur Zeit in Schweden, wo
reiche Mittel zur Verfügung stehen und auch entsprechend Ver-
wendung finden, eine starke Bewegung zur Vereinheitlichung von
Architektur, Skulptur und Malerei an grossen Monumentalbauten
geltend. Der neue Stockholmer Rathausbau, mit seinem Turm
und seinen dekorativen Skulpturen, große dekorative Malerei in
der Oper und die Schaffung einer monumentalen Platzanlage, mit
Bauten für Messezwecke und Volkshäuser, deren Beendigung
für 1923 geplant ist, stehen im Vordergrunde des Interesses und
vereinigen eine Reihe hervorragender Künstler zu gemeinsamer

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