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Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 3./​4.1921/​22

DOI issue:
2. Augustheft
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Schuchhardt, Carl: Die Neuaufstellung der vorgeschichtlichen Abteilung im alten Kunstgewerbemuseum
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https://doi.org/10.11588/diglit.21786#0639

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Geheimrat Prcfessor Dr. Carl Schuchhardt, der Direk-
tor der Prähistoris:hen Abteilung des Museums für
Völkerkunde in Berlin hatte die Liebenswürdigkeit, an-
läßlich der Anfang September stattfindenden Eröffnung
der Vorgeschichtlichen Abteilung im Kunstgewerbe-
museum für den „Kunstwandercr“ über die Neuauf-
stellung der Sammlungen zu scnreiben. Die Redaktion.

\a/ ^ie wechselvollsten Schicksale im Bereich
* * unserer Staatlichen Museen hat die Vorge-
schichtliche Abteilung erfahren. Lange hat man die
einheimischen ,,barbarischen“ Altertümer der Beacli-
tung, geschweige des Sammelns nicht für wert gehalten.
Nur sehr vorgeschrittene Köpfe haben sich dazu ver-
standen. Im Goethehause zu Weimar gibt ein schönes
Gefäß der Thüringischen Steinzeit Zeugnis solchen
interesses und in dem Schlößchen Charlottenhof Fried-
rich Wilhelm IV. eine hübsche Kollekticn Lausitzer
Keramik. Für den Staat hat schon 1707 König Fried-
rich I. eine große schwarzpolierte Urne von Wulffen
b. Cöthen, die heute noch ein Prunkstück bei uns ist,
um 100 Thaler erworben, und Friedrich II. hat eine
größere Privatsammlung (Eltester) wenigstens zu er-
werben getrachtet. Eine besondere Abteihmg „Vater-
Lndischer Altertümer‘‘ ist aber crst unter Friedrich
Wilhelm III. geschaffen worden, dem sachlichen Manne,
der die Fachleute walten ließ, ähniich wie sein größerer
Sohn Wilhelm I.

Die Vaterländischen Altertümer haben zuerst einen
Teil der Kunstkammer gebildet, 1830 sind sie in eine
Galerie des Schlosses Monbijou übergesiedelt. Nach
Fertigstellung des Neuen Museums wurden sie in dieses
aufgenommen, und sobald wieder ein Neubau erwach-
sen wrar, — 1886 das Museum für Völkerkunde — dort-
lnn abgeschoben. Seitdem glauben die meisten Leute,
die Vorgeschichte gehöre zur Ethnologie oder Anthro-
pologie, und auch wissenschaftliche Männer sprechen
heute davon, daß mit dem Umzuge der Vorgeschicht-
lichen Abteilung die Völkerkunde anfange, auf das
alte Kunstgev erbe-Museum überzugreifen.

Inhaltlich war unsre Sammlung lange Zeit auf die
Vaterländischen Altertümer begrenzt, und diese Be-
grenzung ist ihr zur Meisterschait gewmrden. Da sie
energisch und meist ohne Wettbewerb kaufte und grub,
sind ihr Jahrzehnte lang die wertvollsten Funde aus
den altpreußischen Provinzen zugefallen. Daher die
lange Reihe der köstlichen Bronze- und Goldsachen,
daher der embarras de richesse der schönen „Lausitzer
Keramik“, der schon seit lange eine Crux der Verwal-
tung bildet, denn es ist zehnmal mehr als in einem nor-
malen Museum aufgestellt und von einem normalen
Publikum verdaut wrerden kann.

1881 schenkte Heinrich Schliemann seine unschätz-
bare Trojanische Sammlung ,,dem deutschen Volke“.
Sie wurde vom Ministerium der Vorgeschichtlichen
Abteilung zugewiesen und mit ihr nachher in dem
neuen Völkermuseum aufgestellt. Zunächst erschien
sie nur als Anhängsel der alten Sainmlung, aber mehr
und mehr besann man sich auf die Zusammenhängc
zwischen beiden und baute sie beim Weitersammeln
aus. Man erwarb eine Sammlung spanischer Alter-
tümer aus der gleichen Zeit wie die Hauptperiode von
J'roja, man kaufte in Italien, man grub oder ließ graben
in Frankreich, in Ungarn, in Rumänien, im Kaukasus.
So wurde aus der alten Sammlung Vaterländischer
Altertümer eine Sammlung Europäischer Vorgeschich-
te, eine Sammlung, an der man nun für hundertfältige
Fragen sich Rats erholen kann: iiber das erste Auf-
treten des Menschen, die Uranfänge der Kunst, die Ent-
wicklung von allerhand Techniken; dann auch über die
alten Kulturströmungen in Europa, die Verschmelzung
und die Scheidung von Kulturgruppen, in denen wrir
den Werdeprozeß sehen dürfen der Völker, die nach-
her in der Geschichte mit großen Namen auftreten, wie
der Griechen, Germanen, Kelten. Eine Überraschung
ist es für weite Kreise immer noch, wenn man ihnen
an klarem Materiale zeigt, daß von einer Einwanderung
der Europäischen Völker aus Asien, wie die Sprach-
forschung sie vor 100 Jahren konstruiert hat, nicht die
Rede sein kann, daß diese Völker vielmehr in Europa
von Uranfang zu Hause sind und daß ihre Verwandt-
schaft unter einander sich erklärt aus einer Bewregung,
die in der Steinzeit von den Germanen und Kelten aus-
gingen und gegen Osten und Süden hin die Italiker,
Thraker, Griechen, Slaven und schließlich die Inder in
Asien beinflußte.

Manche Überraschung werden aber auch dic
Freunde unserer Abteilung in der Neuaufstellung erfah-
ren, denn vieles ist ins Licht getreten, was Jahrzehnte
lang im Magazin oder in dunklen Schrankecken ge-
schlummert hat. Die Kaukasus-Altertümer haben ver-
dienter Maßen einen ganzen Saal erhalten. Wir ver-
danken sie fast alle Rudolf Virchow und der Zeit, wo
man nach Blumenbachs „Kaukasischer Rasse“ dort die
Wiege der Europäischen Menschheit vermutete. Vir-
chow war 1881 auf dem internationalen Kongreß in
Tiflis und hat bei der Gelegenheit selbst gegraben und
wertvolle Beziehungen angeknüpft. Die Ingenieure
des großen Siemens’schen Kupferwerkes Kadabeg süd-
lich von Tiflis haben ihm hilfreiche Hand geleistet. Den
jahrelangen Ausgrabungen D. Waldemar Belbeks ins-
besondere entstammen die überraschend schönen Bron-
ze-Waffen und Schmucksachen unserer Sammlung.
Sie werden der Zukunft noch eine starke QuelD wissen-

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