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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 3./​4.1921/​22

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1. Juniheft
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Donath, Adolph: Prag als Sammlerstadt, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.21786#0519

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Peag ats Sammlcüdadt

oon

Adolpf) Donatf)

ii

Unter den Schätzen Dr. Weils befindet sich eine
Madonna, die der Kunstsammler dem Rudolfinum
als Leihgabe überwies. G a r o f a 1 o ist ihr Maler.
Garofalo, der eigentlich Benvenuto Tisi hieß und aus
Ferrara war (1481—1559), durfte sich einen von den
besten Freunden Raffaels nennen, in dessen römischem
Kreise er schon als Ein-
undzwanzigjähriger eine
Rolle spielte. Und raffae-
lesk ist auch sein ganzes
malerisches Wesen. Diese
„Idealität“, wie der Mei-
ster von Ferrara, hat im
übrigen auch — freilich
in anderer Art — ein fran-
zösischer Maler, der ge-
rade zwei Jahrhunderte
nach dem Tode Garofalos
auf der Höhe seines Schaf-
fens stand: Francois

B o u c h e r. Von dem be-
liebten Günstling Lud-
wigs XV. und der Pompa-
dour, besitzt General-
stabsarzt Dr. Weil ein ty-
pisches Stück: den „Som-
mer“ aus dem Cyklus
„Les charmes des sai-
sons“.

Eine Anzahl nieder-
ländischer Bilder des
17. Jahrhunderts fällt uns
dann auf. Ein hell leuch-
tendes Stiick ist unter ih-
nen: eine „Kreuzab-

nahme“. Man spiirt den
Atem Rembrandts
und geht erregt jedem
Pinselstrich nach, der uns die Art des Meisters deuten
könnte. Die Miinchner Kreuzabnahme steht uns vor
Augen. So könnte man im ersten Augenblick bei dem
Prager Bilde, das 58 mal 43 mißt, (im Vergleich zu dem
Miinchner: 89 mal 65) an eine Kopie denken, aber man
wird sofort gewahr, daß die Malart lockerer, impressio-
nistischer ist, daß die Köpfe da und dort andern Aus-
druck und andere Haltung zeigen, daß hier iiber der
Figur auf der Leiter rotbraune Töne schimmern und
daß auch im Hintergrund rechts ein faszinierendes Rot
ergliiht, während in dem Miinchner Bilde die gleiche
Stelle mehr im Dunkeln liegt. Eine Kopie kann das

*) Siehe „Der Kunstwanderer“ 1. Aprilheft 1922.

0

nicht sein, sondern man hat die Empfindung, daß es sich
um eine V o r s t u d i e des Meisters zu seiner Miinch-
ner Kreuzabnahme handelt (siehe Abbildung). Aber die
Rembrandt-Forschung wird hier noch ein Wort zu
sprechen haben. Wie mir jetzt übrigens General Dr.
Weil aus Prag mitteilt, ist eben erst Professor Dr.

Theodor v. F r i m m e 1 in
Prag gewesen: der Wie-
ner Kunstgelehrte hat
diese „Kreuzabnahme“ als
ein echtes hervorragendes
Werk Rembrandts be-
zeichnet. Frimmel wird
das Bild in farbiger Wie-
dergabe in seinen „Neuen
Blättern fiir Gemälde-
kunde“ publizieren.

Die Gruppe der Nie-
derländer des Weilschen
Kunstbesitzes fiihrt uns
noch zu einer Reihe deut-
scher Meister des 19. Jahr-
hunderts. Der Wiener
Karl R a h 1 präsentiert
sich hier in einem Bildnis
seines Maler - Freundes
Scharnberger als Porträ-
tist von altmeisterlicher
Qualität; sein Zeitgenosse
Friedrich von A m e r -
i n g fesselt durch einen
„Lenau“, der, soweit mir
bekannt ist, in der Litera-
tur nicht genannt wird,
Ludwig R i c h t e r durch
zwei prachtvolle Stücke:
„Kapelle Coswig bei
Dresden“ und „Campag-
na“ (Aquarell). Die Malergeneration um die Wende des
Jahrhunderts, ist durch L e n b a c h mit einem Porträt
des Physikers Helmholz vertreten. Aber eins hätte ich
fast vergessen: unter den alten Bildern der Sammlung
Weil aus deren Reihe ich nur ein paar „Kostproben“
geben konnte, sieht man vier höchst interessante pri-
mitive Tafeln mit halb byzantisch, halb romanisch an-
mutender Darstellung aus dem Alten und Neuen Testa-
ment, die in der Art der frühen Miniaturenmalereien so
intensive Lebendigkeit atmen, daß man sich mit ihnen
einmal näher beschäftigen sollte.

Einen ähnlichen Charakter, wie die Sammlung
Weil, hat auch die Sammlung des Ingenieurs F. V e j -
d e 1 e k , in der alte und neuere Meister einträchtig zu-

Vorstudie zu Rembrandts Münchner „Kreuzabnahme“.
Sammlung Dr. Weil, Prag

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