Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 3./​4.1921/​22

DOI Heft:
1. Juniheft
DOI Artikel:
Schulze, Hanns: Mostra della pittura italiana del Sei e Settecento
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.21786#0518

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
ganz aufgelockerte, impressionistische „T r i u m p h
der Aphrodit e“, ein Werk, das ungemein an die
Franzosen des 19. Jahrhunderts gemahnt. Aus Rovigo
kam ein glänzendes Männerporträt, aus Folzano (Prov.
di Brescia) die prunkvolle „Taufe Konstantins“. Von
seinem Sohne Giovanni Tiepolo findet man
die vier Passionsbilder der Frarikirche in Venedig, die
des Vaters nervöse und sensitive Kunst ins Ruhige und
Pathetische gesteigert zeigen. Neben Caravaggio und
J'iepolo tritt als Dritter G u a r d i. Die hier gezeigten
Bilder stammen mit geringen Ausnahmen aus Privat-
besitz. Neben den bekannten „M a s k e n b i 1 d e r n“
des Museum Civico von Venedig findet man den seg-
nenden Papst Pius VI. aus der Sammlung Walter Burns
Esq. in London ein Bild, das an Qualität und stilistisch
dem Münchener Konzertbilde nahe verwandt ist. Aus
dem Besitz der Donna Emilia Crespi Morbio in Mailand
stammen phantastische Veduten, mit ihren aufzucken-
den Lichtern starke Beweise feinsten, malerischen Em-
pfindens. Interessant die große „P a r a b e 1 d e r
B 1 i n d e n“ aus dem Besitze des Professor Pietro
Romanelli in Paris, ein Bild das in seinem grauen Ge-
samtton wenig in das Werk Guardis hereinpassen will,
jedoch durch die Stärke der Vision packt.

Eine Fülle von Künstlernamen erhält zum ersten
Mal festen Umriß. In diesem kurzen Bericht sei nicht
eingegangen auf das, was man an Bildern bekannter
Künstler zu sehen bekommt. Es genügt zu betonen,
daß Bernini, Guercino, Canaletto, Dominico Feti,
Ricci und andere ihrer künstlerischen Bedeutung ent-
sprechend vertreten sind. Dagegen sei auf Meister hin-
gewiesen, die neu in den Kreis der Betrachtung gerückt
sind. Von dem Genuesen Giovacchino Assereto
stammt eine „P i e t a“ (Conte Alless. Contini, Rom),
die zu weiteren Forschungen nach diesem fast unbe-
kannten Meister anregen sollte. Der Mantuaner Giu-
seppe M a z z a n i besticht durch seinen flüssigen,
leichten Vortrag. Auch er bisher fast unbekannt, dürfte
bald zu den umworbenen Barockkünstlern gehören.
Antonio C a v a 11 u c i, der dem römischen Kunstkreis
des Mengs angehört, interessiert durch einen „Beato
Giuseppe Labra“ aus der römischen Nationalgalerie,
einen feinen, geistreich hingesetzten Asketenkopf in
graugelber Malerei. Der schon in die Kunstgeschichte
eingegangene Vittore G h i s 1 a n d i ist außer durch
andere Bilder durch zwei ganz hervorragende Bildnisse
junger Männer aus Bergamasker Privatbesitz, äußerst
elegante und delikat gemalte Werke, vertreten. Von
Alessandro Magnasco, dem vor einigen Jahren
durch den Kunsthandel stark protegierten Salvator
Rosa-Schüler, sieht man die ihn in die Nähe Grecos
rückenden Mönchsbilder aus dem Besitze des Malers

Brass in Venedig, die ihn als geistreichen bedeutenden
Künstler erweisen. Starken Eindruck machen zwei
Bilder des heiligen Franciscus von Pier Francesco
Mazzucchelli aus Morazzone, bekannt durch
seine Fresken in lombardischen Kirchen, die aber an
Qualität diesen beiden visionären Bldnissen nach-
stehen. Die reiche äußerliche Bewegung seiner großen
Bilder hat hier einer Verinnerlichung und Durchgeisti-
gung Platz gemacht. Auch der Siziiianer Pietro N o -
v e 11 i, der fast ausschließlich in Palermo arbeitete
und dem Kunstkreis des Caravaggio und Velasquez
entstammt, dürfte durch die ruhige Heiligengestalt aus
der römischen Nationalgalerie zu eingehender For-
schung anregen. Von Giovanni Battista P i a z e 11 a
findet man neben einigen flachen und weniger bedeti-
tenden Bildern so hervorragende Werke, wie die
„E m p f ä n g n i s M a r i ä“ aus der Galerie in Partna
und die elegante, ganz im Geist des Rokoko erfaßte
„M a d o n n a“ des Baron Vitali in Mailand. Der späte
Florentiner Matteo R o s s e 11 i zeigt sich in seineti
„Drei Jünglinge im Feuerofen“ aus der Akademie in
Florenz als feiner Beherrscher der Farbe. Unter dert
römischen Meistern nimmt Andrea S a c c h i von dem
auch ein „T r u n k e n e r N o a h“ aus dem Kaiser
Friedrich-Museum ausgestellt ist, einen hervorragenden
Platz ein. Leider fehlen auf dieser Ausstellung seine
großen römischen Kirchenbilder, die mit zu dem Be-
deutendsten gehören, was sich an Altargemälden des
Barocks in Rom befindet. Der Genueser Hauptmeister
Bernardo S t r o z z i mit seiner aufgelockerten Male-
rei und seinen delikaten blassen Farben ist mit über
zwanzig Bildern seinem Werte entsprechend vorge-
führt. Aus dem Kreise des Gaudencio Ferrari stammt
T a n z i o da Varallo, dessen „S e b a s t i a n“
aus Mailänder Privatbesitz auf andere Werke des
Künstlers neugierig macht, Zum Schluß sei noch auf
ein Werk des Bergamasker Paolo Vincenzo B o r r o -
m i n i, der erst 1839 starb, aufmerksam gemacht. Von
ihm stammt eine grandiose Darstellung des Totentanzes
im Empirekostüm, die in Santa Grata im Bergamo als
Wandschirm gefaßt aufbewahrt wird, zwar schon über
die Zeit der Ausstellung hinausragt, aber trotzdem es im
Zeitkostüm gemalt ist, so im Geiste des Barocks gehal-
ten ist, daß es gewissermaßen den Ausklang des Ganzen
bildet.

Wie in Deutschland schwillt auch zurzeit in Italien
die Flut der Barockliteratur. Diese Ausstellung wird
nun willkommene Gelegenheit bieten, gewisse Urteile
und Vorurteile zu revidieren und dazu anregen, einmal
systematisch die Kunst des Barocks in Italien auch im
Hinblick auf ihre lokale Zusammengehörigkeit zu er-
forschen.

436
 
Annotationen