Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 3./​4.1921/​22

DOI Heft:
1. Novemberheft
DOI Artikel:
Schweinfurth, Philipp: Finnländische Meister in Riga
DOI Artikel:
Kunststiftung für Philadephia / Kunstausstellungen / Vom Dresdner Altertumsmuseum / Kunstauktionen / Aus der Künstlerwelt / Der Verkauf des "Blue Boy" / Neue Kunstbücher / Werbung
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.21786#0137

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Tätigkeit. Redner hob besonders die große Teilnahme hervor,
mit der das Stockholmer Publikum all diese Vorgänge auf künst-
lerischem Gebiete verfolgt, ein Interesse, das sich auch auf die
zahlreichen künstlerischen Werkstätten erstreckt, die der Hebung
des Kunstgewerbes dienen wollen. Bemerkenswert erscheinen
auf letzterem Gebiet Bestrebungen zur Hebung der Maschinen-
produktion. Die Maschine wird hierbei optimistisch aufgefaßt;
sie soll auch auf künstlerischem Gebiet zum willigen Sklaven
des Menschen erzogen werden; indem man ihr brauchbare, durch-
gearbeitete Vorbilder gibt, soll sie dazu dienen, gute Typen des
Kunstgewerbes weithin zu vertreiben. Ob diese schöne Absicht
Erfolg haben wird (Redner hob besonders die Fortschritte der
Schweizerischen Glasindustrie hervor) kann freilich nur der
Augenschein lehren. Willig erkannte man dagegen an, was Herr
Aalto über die Stockholmer Salons berichtete, wo die Bilder nicht
mehr in endlosen Reihen gehängt werden, wo man beginnt, in
den Zimmern der Kunstausstellungen einheitliche Gruppen von
Kunstgewerbe, Skulpturen und Malerei zu schaffen. Das ist in
der Tat eine ungemein dankenswerte Neuerung, bei der, wie
Redner dies richtig andeutete, ein gewisser Einfluß der ost-
asiatischen Kunstbetrachtung sich in Europa bemerkbar macht.
Der Chinese betrachtet ja bekanntlich immer nur eines seiner
Bilder oder nur eine bekannnte Gruppe seiner Kunstgegenstände,
während die übrigen Stücke seines Besitzes sorgsam verpackt,
für einen späteren anders gestimmten Augenblick der geistigen
Sammlung aufbewahrt bleiben. — Es kam noch das Schwedische
T h e a t e r zur Sprache, wo die Einzeldarstellung, das früher so be-
liebte Überstrahlen alles übrigen durch einen vergötterten Stern,
jetzt von der Regie zurücktritt, die zur Hauptsache wird, und
deren Linienführung sich die Einzeltemperamente unterzuordnen
haben. Auf besonderer Höhe soll auch der historische Film in
Schweden stehen. Norwegen und Dänemark treten in den Aus-
führungen von Herrn Aalto etwas zurüek. Dänemark soll in
seinen künstlerischen Bestrebungen einen ausgesprochenen
internationalen Zug aufweisen. Seine neue Architektur wurde als
ameiikanisch-konstruktiv gewertet, die Verwendung nationaler
dekorativer Formen, wie sie sich in Schweden aus dem Stadium
der alten Architektur des Landes ergiebt, soll hier wenig hervor-
trefen. Zum Schluß wurde Finnland erwähnt. Da sind vor allem
starke französische Einflüsse zu konstatieren, die in der finn-
ländischen Aichitektur der achtziger und neunziger Jahre eine
„Haußmann“-Gruppe geschaffen und auch in der Malerei damals
die vorher bestehende Düsseldorfer Richtung abgelöst haben. In
der Gegenwart sind die Bestrebungen der finnländischen Kunst
nationale; die alten Kirchen des Landes werden studiert, um
Baufoimen und Vorbilder für die Malerei zu gewinnen, und eine
Gesellschaft für finnländische Volkskunde ist das Zeiehen dieser
Stadien. Auch in Finnland plant man Kunstwerke, die einen
monumentalen Zusammenklang von Malerei, Skulpturen und
Kunstgewerbe ergeben sollen; so der projektierte Bau eines
finnländischen Pantheons am Meeresufer bei Helsingfois für
nationale Kunst, Literatur und Wissenschaft. Die kunstgewerblichen
Bestrebungen sind in Finnland auf allen Gebieten rege, und wie
in Schweden ist man auch hier bestrebt, brauchbare kunst-
gewerbliche Typen der Industrie zuzuführen. Kubismus und
Expressionismus haben die nordischen Länder nur von Ferne
berührt. Der Name Munch’s, eines Nordländers, der zugleich
einer der größten Meister der Gegenwart ist, blieb im Vortrag
unerwähnt. Gleichzeitig aber haben diese Richtungen dort bereits
wahrnehmbar dasjenige Resultat gezeitigt, welches wahrscheinlich
im historischen Sinne, ihre Bedeutung für Europa überhaupt aus-
machen wird, den Übergang von der Gemäldekunst des neun-
zehnten zur Raum und Monumentalkunst des zwanzigsten Jahr-
hunderts. Bestrebungen im Sinne der letzteren treten zur Zeit in
allen skandinavischen Ländern zutage, so in Norwegen die außer-
ordentlich bedeutenden Wandgemälde von Munch in der Aula
der Universität Christiania, welche vom Redner übrigens nicht
erwähnt wurden.

Die Kollektion finnländischer Meister, die zur Zeit im Salon
Rosental in Riga ausgestellt ist, vermag allerdings die Aus-
führungen von Herrn Alvar Aalto, der dort selbst mit einem Satz

guter Architekturskizzen vertreten ist, nur zum Teil zu illustrieren.
Was man zu sehen bekommt, ist fast alles, obgleieh zum größten
Teil jüngeren und jüngsten Datums, seinem Wesen nach neun-
zehntes Jahrhundert. Es sind liebenswürdige Nachschöpfungen
der von den großen Franzosen um die Mitte des Jahrhunderts
geschaffenen Vorbilder; sie zeigen einen glücklich wählenden
sicheren Geschmack, und man denkt sie sich gern mit den
hübschen Möbeln nordischen Interieurs zusammen. Von den
verborgenen Kräften der Jetztzeit, die sich in der zeitgenössischen
Kunst Bahn brechen und deren Spiegelung wie eine Vision zum
Beispiel über dem graphisehen Werke von Munch liegt, ist hier
freilich nur wenig zu spüren. Von Prof. Axel Gallön-Kallela,
dem bekanntesten der auf der Ausstellung vertretenen Namen,
sind nur zwei Stiileben vertreten, von denen das eine inde3 den
großen Umkreis seiner Kunst repräsentieren kann. Das Motiv
dieses Bildes von Gallen mutet wie eine Novelle von Hamsun
an, man sieht einen Totenschädel mit Äpfeln und Rosen, Symbole,
die um 1900 herum uns in der nordischen Kunst ansprachen.
Aber die Malerei, (das Bild ist 1914 datiert) rot und grün auf
gelbem Grunde, verfehlt auch heute ihren Eindruck nicht, es ist
etwas an die Vollblütigkeit und das Können von Corinth er-
innerndes in dem Stück enthalten, dessen Qualität sofort ins
Auge fällt. Von Lennart Seegerstraehle ist ein großes Stück
„Wasservögel“ da, 1920/21 datiert) deren weiße Daunen sich
prächtig vom braungelben Gefieder und tiefblauem Grunde ab-
heben, ein Liljeforsmotiv in verallgemeinerter, breiter Technik.
Von Vilho Sjöström sieht man ein gutes Motiv, braungraue
Felsen, grünes Laub, und rote Vogelbeeren, Courbetartz gegeben,
von 1920. Außerdem von demselben Künstler ein größeres Bild,
eine Wäscherin im Freien mit ihrem Gerät, dazu Felsen, Kiefern
und schimmernde Wasserflächen als Hintergrund, alles dieses
von einem warmen rötlichgrauen Ton überzogen: ein unmittel-
bares Stück nordisch-finnländischer Lebensempfindung, unbe-
kümmert um das expressionistische Programm. (1919 datiert.)
Dieses Ietzte Stück Sjöströms erinnert lebhaft an Bilder des 1916
zu früh verstorbenen bedeutenden lettischen Maler Jan Rosental,
dessen schöne Stücke das gleiche nordische Lebensgefühl aus-
strömen, und der in Deutschland noch wenig bekannt ist. Eine
hübsche Corotnachahmung in zartem braunviolett, eine Seefläche
mit einem Eisenbahnzug davor von Nelimazken (1919) und an-
genehmes, vorzüglich abgetöntes Stilleben, Bücher und Blumen,
von Anna Sneilmann (1919) seien noch erwähnt. Kaapo Engberg’s
„au bord du lac“ — nordisches Dunkel, Wellen und Gischt —
und Kyyhkynen’s „Renntiergespann“, ein feiner Scherz etwa in
Welti’s Art, 1902 datiert, müssen hervorgehoben werden. Auch
Pekka Halonen ist vertreten. Werner Äström mit seinem großen
Stück „Mutter und Kind“ bringt einen aktuell-expressionistischen
Zug in der liebenswürdigen Beschaulichkeit seiner Umgebung.
Von Plastiken sind Saehen von Eemil Halonen zu sehen, zum
Teil volkstümlich (ein paar Reliefs) zum Teil zierliche französische
Figürchen, deren Formen anmutig im Raum schweben.

Vielleicht werden manche Leser in Deutschland über diese
„beschaulichen“ Finnländer den Kopf schütteln. Ich bitte aber
zu bedenken, daß ihre Kunst unbedingt ehrlich gemeint ist, und
daß ihr ein entschiedenes Können zugrunde Iiegt. Sie wirkt
nicht „modern“, aber trotzdem natürlich und kräftig. Wie die
hiesigen Zeitungen berichten, soll übrigens demnächst noch eine
weitere fremdländische Kollektion im Salon Rosental ausgestellt
werden, welche die soeben vermittelten Eindrücke zu ergänzen
bestimmt ist. Man darf auf diese Bilder gespannt sein.

Philipp Schweinfurth.

Kunftftiftung fCin Pbüadelpbia*

Der im Februar verstorbene Großkaufmann John H. McFadden
hat, wie man uns aus New York berichtet, seine Sammlung
englischer Gemälde der Stadt Philadelphia vermacht
und zwar sollen die Bilder dem geplanten neuen Kunstmuseum
als Mc Fadden Sammlung einverleibt werden. Die Gemälde waren
bereits 1916 im Metropolitan Museum of Art in New York ausgestellt.

111
 
Annotationen