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Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 3./​4.1921/​22

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2. Märzheft
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Weinitz, Franz: Der Schimmelreiter auf der "Eroberung von Tunis" des Peter Paul Rubens
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https://doi.org/10.11588/diglit.21786#0379

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Tm Jahre 1872 wurde diese Rubenssche Skizze (Eichen-
1 holztafel), jetzt im Saale 62 des Kaiser Friedrich
Museums aufgehängt, der Kgl. Gemäldegalerie in Berlin
vom jungen Dr. Wilhelm Bode, der sie in Petersburg er-
worben, zugebracht. Somit könnten die folgenden Zeilen
wohl auch als eine Art Jubiläumsaufsatz vom Leser auf-
genommen werden. Der Verfasser wird dagegen keinen
Einspruch erheben, muß aber doch gleich bemerken, daß
seine Betrachtung in der Hauptsache rein geschichlicher
Art ist, das Bild selbst weniger berührt. Über die
künstlerische Eigenart desselben gibt genügende Aus-
kunft das Werk Hans Posses: Die Gemäldegalerie
des Kaiser Friedrich Museums II. S. 337/38. Hier
lesen wir auch, daß neben Kaiser Karl dem Fiinften -
wohl zu erkennen, da er dem berühmten Tizianschen
Bilde in Madrid nachgebildet ist — die Hauptfigur, der
Feldherr auf dem sich wildbäumenden weißen Rosse im
Mittelgrunde der Tafel, als der Don Juan d’Austria an-
zusprechen sei. Da erhebt sich der Zweifel: Johann von
Österreich — der Don Juan d’Austria der Spanier — ist
e r es wirklich, der hier tollkühn gegen die Ungläubigen an-
reitet? Die Geschichte jener Zeit soll uns die Antwort
geben.

Dem Kunsthistoriker wird es nicht veiübelt werden
dürfen, wenn er den der Öffentlichkeit mehr entzogenen
Ereignissen im Familienleben großer Herren, eingehendere
Aufmerksamkeit versagt. Indessen einem Karl dem Fünften
gegenüber ist solche Zurückhaltung nicht angebracht.
Er, der Kunstgelehrte, darf wissen, daß dem Kaiser, der
im Jahre 1546 in Regensburg weilte, und sich damals
in einer krankhaften, bedrückten Gemütsstimmung befand
(ein Erbteil seiner Mutter Johanna), von seiner Umgebung
zur Erheiterung und Abziehung seiner Gedanken, eine
Regensburger Bürgerstochter, Barbara Blomberg mit
Namen, zugefiihrt wurde, die ihrem kaiserlichen Herrn
und Freunde am 24. Februar 1547 dort ein Söhnchen
gebar, das vom Kaiser ohne Bedenken als sein Kind an-
erkannt wurde, eben jenen Don Juan d’Austria, den die

Geschichte uns als den ruhmgekrönten Sieger in der See-
schlacht bei Lepanto (7. Oktober 1571), wo er die
türkische Flotte vernichtete, nennt.

Der trotz seinem günstigen Verlaufe immerhin ziem-
lich abenteuerliche Zug Kaiser Karls nach Tunis gegen
Chaireddin fällt, darüber besteht natürlich kein Zweifel, in
das Jahr 1535 d. h. rund zwölf Jahre vor der Geburt Johanns
von Österreich. Somit erhebt sich die Frage, wen hat Rubens
mit dem anstürmenden Reiter auf dem Schimmel dar-
stellen wollen? Bei meiner Nachforschung fand ich in
dem Tratado de las Campanas . . . del Emperador Carlos V
des alten Haudegens Martin Garcia Cerezeda als Befehls-
haber der Truppen vor Tunis einen Marques del Vasto
genannt. Weitere Forschungen führten mich zu Brantöme
und zu seinen Vies des hommes illustres, wo in aus-
giebiger Weise über Alfonso Avalos, marques del Vasto
(duGuast) [1502—1546], berichtet wird, den er uns als einen
neapolitanischen Edelmann alten spanischen Geblüts,
tapfer und erprobt im Kriege aber keineswegs flecken-
losen Charakters, vorführt. Ihn hatte der Kaiser zum
Oberbefehlshaber über die Streitkräfte zti Lande - - Andrea
Doria befehligte die Fiotte — für diesen Zug bestimmt. Der
19. Juni 1535 war der Hauptschlachttag. Der Kampf-
platz lag zwischen Goletta und Tunis: Als Sieger zog
Karl in die Stadt ein.

Dies etwa hat man sich ins Gedächtnis zurück-
zurufen, wenn man vor die Rubenssche Skizze tritt und
den Schimmelreiter vor sich sieht. Man kann es be-
dauern, daß nach der eindrucksvollen Tafel nicht ein
großes Gemälde oder ein Wandteppich — wie die Ab-
sicht gewesen sein mag — ausgeführt worden ist. In
diesem Falle würden uns die Gesichtszüge des Don
Alfonso, die die Skizze nicht gibt, wohl kaum verborgen
geblieben sein. Daß Rubens gute Vorlagen dazu gehabt
hätte, darf nicht bezweifelt werden. Ich verweise be-
sonders auf das Tiziansche Gemälde im Museum des
Prado: Ansprache des Marques del Vasto an seine
Soldaten.

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