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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 3./​4.1921/​22

DOI Heft:
2. Septemberheft
DOI Artikel:
Widmer, Johannes: Die Hodlerausstellung in Bern
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https://doi.org/10.11588/diglit.21786#0041

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/ahrgang 192I

Herausgeber: Adolph Ijonctlf i

2. vSeptembertieft

Dtc HodlerausdcUung in ßcm

uon

1 obannes LÜtdmet’^Qenf

X—Xodler war Berner, und das Museum seines Heimat-
* * kantons enthielt seit Jahren „Die Nacht“, „Die
Lebensmüden“, „Die Eurhythmie“, „Den Tag“, welchen
sich 1920 als fünftes Hauptwerk des Meisters „Der Aus-
erwählte“ angeschlossen hat. Den großen Bürger zu
feiern und seinem Volke durch eine an den herrlichen
Kern dieser fünf Gemälde angelehnte Ausstellung das
Wirken des Künstlers zu zeigen, war ein Gebot der
Zeit, das früher oder später erfüllt werden mußte. Vom
Beispiel der großartigen, 1917, noch zur guten Stunde,
dem lebenden Schöpfer zu Ehren im Zürcher Kunsthaus
veranstalteten Hodlerschau geleitet und von tüchtigen
Beratern und Helfern unterstützt, hat sich der Konservator
des bernischen Kunstmuseums, Dr. C. von Mandach,
daran gemacht, die gewaltige Aufgabe in der Bundes-
stadt zu lösen. Man nahm sich vor, nicht schlechter-
dings eine Wiederholung dessen zu geben, was Zürich
geleistet hatte. Man wollte mehr bieten, nach Voll-
ständigkeit wenigstens der Perioden streben, das Ge-
sammelte der Entstehungsfolge nach einleuchtend auf-
reihen. Soweit es sich tun läßt, ist das Programm
verwirklicht. Die Leistung Zürichs ist, nicht der Schön-
heit nach, das ist undenkbar, aber der Fülle, Mannig-
faltigkeit und Vollständigkeit nach übertroffen. Der
bernische Katalog fußt auf dem grundlegenden, von
Dr. W. Wartmann mustergültig bearbeiteten zürcherischen;
er enthält aber nahezu doppelt so viele Nummern, und
zwar rund 640 Gemälde und ungefähr 250 Skizzen in
den verschiedensten Techniken, dazu einige Lithographien
und Plastiken, endlich etwa 15 der Ikonographie Hodlers
dienende Bilder, Büsten, Medaillen anderer Künstler.
Diese Masse einberufenen und zugeströmten Materials

füllt alle Räume des bernischen Kunstmuseums und der
bernischen Kunsthalle.

Eine im wörtlichen Sinne vollständige Hodler-
Gedächtnisausstellung wird es aus den verschiedensten
Gründen nie geben, vornehmlich deswegen nicht, weil
der Werke dafür zuviele sind und sich in der ganzen
Schweiz und selbst in Weltstädten kaum hinreichende,
geeignete, würdige Räume für die gleichzeitige Vor-
führung von gegen dreitausend Tempera- und Ölbildern
und von wahrscheinlich dreißigtausend Zeichnungen
finden würden. Das nämlich ist der schier unfaßbare
Umfang von Hodler’s Lebensarbeit. Es ist auch aus
psychologischer Überlegung heraus garnicht wünschbar,
selbst wenn es durchführbar wäre, jemals diese fabel-
hafte Fülle auszubreiten: wer wollte sie umfassen? Auch
so übersteigt sie noch die Erlebniskraft und das Er-
innerungsvermögen selbst hervorragend mit dem Schatz
Vertrauter. Und es braucht Tage, bis sich der angestrengte
Geist beruhigt, die Allvorstellung geläutert hat. Und so
ergeht es uns, obschon die Veranstalter alles getan haben,
durch eine übersichtliche genetische Anordnung die Auf-
fassung dieses Kosmos zu erleichtern, und obschon es
sich tatsächlich um einen von klarem Geist, zielstrebigem
Willen und festem, reinen Gemüte beseelten und geordneten
Hort handelt.

* *

*

Nach und nach treten die tausend versammelten
Werke in drei Gruppen auseinander, ohne indessen sich
je zu verlieren. Die erste Gruppe umfaßt die Frühzeit
des Malers, welche sich von 1870 bis 1890 erstreckt;
die zweite entspricht dem Jahrzehnt von 1890 bis 1900;

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