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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 3./​4.1921/​22

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2. Februarheft
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Claudius, C.: Ein Sammler über das Sammeln
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https://doi.org/10.11588/diglit.21786#0321

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2. Februarneft

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Generalkonsul C. Claudius in Kopenhagen, der, wie
erinnerlich, im „Kunstwanderer“ (2. Augustheft 1921)
einen Aufsatz über die Entwicklung seiner weithin be-
kannten Sammlung von alten Musikinstrumenten ver-
öffentlicht hat, gibt in nachstehendem Artikel seine
Ansichten über das Sammeln überhaupt wieder.

as ist ein Sammler? Ein König im Reiche seiner
Sammlungen, ein Werkzeug in der Hand der
Kulturgeschichte, ein Mann, der als Wiegengabe eine
Eigenschaft erhielt, die ihm tausende von glücklichen
Augenblicken schenkt. Mit strahlenden Hoffnungen geht
er durchs Leben, immer suchend, immer zielbewußt, mit
dem feinen Spürsinn eines Jagdhundes. Wie dieser
wittert er in Krümmungen und Kreisen, auf Umwegen
seiner Wünsche Ziel, oft in merkwürdige Situationen,
in Gespräche mit kuriosen, wunderlichen Menschen ver-
strikt. Seine Vitalität wächst mit den Schwierigkeiten;
sie machen ihn elastisch, geschmeidig, erfindungsreich.
Es ist ein geistiger Freudensport, zu einem ülücksrausch
verdichtet, wenn er das Ziel der Wünsche erreicht.

Dann kommt der ruhige Stillstand des Besitzes, der
ihn durch die innerliche Arbeit mit der Beschreibung
des Gegenstandes beglückt. Es ist eine Arbeit, die ihn
alles vergessen läßt: die kleinen Sorgen, wie die großen
Ärgernisse.

Die Beute wird geistig verdaut, wird ejn Glied des
Ganzen; aber eines Ganzen, das stetig nach Vollendung
dürstet, aber nie vollendet wird. Und entschlüpft ihm
die Beute, glaubt nicht, daß er darum daheim sitzt und
sich grämt; nein, der richtige Sammler ist Gptimist und
findet bald ein neues Ziel seiner Leidenschaft, denn oft
ward ihm noch eine andere Eigenschaft zu teil, die viel
verspricht und noch mehr zu halten versteht — gewöhn-

lich besitzt er eine zähe Geduld. Ich kann nicht ver-
gessen, was ein alter Sammler einmal auf einer Auktion
aussprach, als er von einem andern Sammler überboten
wurde: „Ja, ja“, tröstete er sich, „stirbt er vor mir, be-
komme ich das Bild doch noch“. Das tat er auch;
freilich erst nach zwanzig Jahren.

Wenn man aber glaubt, daß diese Menschen im
allgemeinen von Geiz und Habsucht beseelt sind, so
täuscht man sich. Gewöhnlich sind es gute, opferfreudige
Menschen auf allen anderen Gebieten als auf den ihrer
Leidenschaft. Ich habe Menschen gekannt, deren Beutel
Andern nach Möglichkeit offen stand, die sich aber selber
persönliche Entbehrungen auferlegten, um die Münzen
oder die Kupferstiche zu erlangen, die für ihre Sammlung
„ganz unentbehrlich“ erschienen.

Alle diese Eigenschaften sind Eigenschaften des
geborenen Sammlers, möge er nun die beste Kunst oder
die Erzeugnisse der Verfallsperiode zum Ziel seiner
Wünsche machen. In einer kleinen Provinzstadt sah ich
einmal einen Mann auf der Straße, der sich nach einer
Streichholzschachtel bückte und bemerkte dann, daß er
in einem Torweg mit gespanntester Aufmerksamkeit die
Etikette untersuchte. Er sammelte Streichholzetiketten,
erfuhr ich, und ich bezweifle nicht, daß ein guter Fund
ihn ebenso glücklich machte, wie wenn einer der Be-
gütertsten unter den Sammlern ein kostbares Gemälde
erwirbt. Während der eine mit seinen reichen Mitteln
und seinem stark entwickelten Kunstverstand ein Meister-
werk erhandelte, fand der andere eine elende Etikette;
aber beide waren selig, denn sie hatten aufs neue einen
Stein zu dem Bau gelegt, den ihre Leidenschaft ihnen
aufzuführen gebot.

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