Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 3./​4.1921/​22

DOI issue:
2. Märzheft
DOI article:
Jessen, Jarno: Briefe Daniel Chodowieckis an Anton Graff
DOI article:
Aus der Museums- und Sammlerwelt / Zur Thoma-Ausstellung in der Berliner Nationalgalerie
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.21786#0387

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Mitwirkung durch Vermittelung scheint der gioße Dresdener
Portraitmaler blutswarm neben dem Berliner Melster des Zeichen-
stiftes zu atmen. Beide Männer stehen auf der Höhe ihres
Ruhmes, als die Korrespondenz, die kurz vor Chodowieckis Tode
abbricht, 1778 einsetzt. Graff ist vielbeschäftigter sächsischer
Hofmaler, Chodowiecki, der Sekretär der Berliner Akademie,
derart mit aus- und inländischen Aufträgen überhäuft, daß selbst
die Akademie der Wissenschaften sich mit Ausführung ihrer Be-
stellungen gedulden muß. Künstlerische Hochschätzung läßt trotz-
dem Zeit fiir briefliche Freundschaftsbeweise finden. Graff
sammelt Chodowieckis Arbeiten und besorgt ihm Werkmaterialien.
Chodowiecki kümmert sich um Graffs Ausstellungen in Berlin,
kassiert Zahlungen für ihn ein, sucht ihm möglichst lückenlos
eigene neue Arbeiten zu senden. Sie schicken einander allerlei
Leute mit Empfehlungen ins Haus. In dem Brief vom 8. Fe-
bruar 1793 findet sich der für Chodowiecki-Sammler interessante
Passus: „Ich Beklage Sie lieber Freund, daß Sie auch von der
Krankheit mein Werk zu complettiren sind befallen worden.
Diese Krankheit ist Bey nah so schlimm a!s wie die Gicht, man
hat Mittel gefunden sie zu lindern, aber es sind paliative, d. ist,
man hat verschiedene sehr gut nachgestochen, und viele Sammler
vielleicht dam t Betrogen, aber wenn man dann endlich den
Betrug bemerkt, so verdoppeln sich die Schmerzen, denn man
muß die Kopien ebenso theuer Bezahlen als obs die Originale
wären ... Ich wundre mich oft wenn mir dieser oder jener
schreibt, „nun hab ich doch auch endlich Ihre Sammlung
Komplet.“*)

Beide Meister sind ausgesprochene Realisten, denen das
gründliche Naturstudium als Vorbedingung alles Schaffens gilt.
Technisch stellen sie für ihre Zeit sehr vorgeschrittene Forderungen.
Chodowiecki legt Wert auf Leichtigkeit des Strichs, aufgelichtete
Farben, Ausmerzung schwerer Schatten. In seinen Briefen er-
schließt sich ein interessantes KapPel der Zeitkultur. Wir sehen
gerade damals die Ausländerei in Blüte. Deutsche Stecher gehen
nach London studieren, englische Maler und Stecher werden in
Berlin hochbezahlt, die deutschen Landschafter holen sich ihre
Vorwürfe aus italienischer Natur. Besonders reiche Aufschlüsse
werden durch schonungslose Kritik iiber die Zustände in der
damaligen Berliner Akademie der Künste gegeben. Chodowiecki
findet den MaKr Rode als Direkfor ebenso untüchtig wie seinen
Vorgänger Lesueur. Das ganze Zeichenklassen - System genügt
ihm nicht. Er spottet der Hängekommission, die mehr auf
Symetrie als auf gutes Licht Wert legt, und der ministeriellen
Vorschrift, die von der „Corniche bis Fußboden“ Bilder aufgereiht
sehen will. „Wahrlich es ist Ihnen keine Ehre Mitglied von
einer Academie zu sein, die gar keine Academie ist“, lautet sein
drakonisches Urteil. Und doch wird er selbst, dank seiner
organisatorischen und künstlerischen Fähigkeiten, für den Posten
des Direktors ausersehen. Charakteristisch beurteilt der natura-
listisch gerichtete Künstler Maler akademischen Stils wie Carstens,
der nach Rom zuriick will und die „Caricatur aus Michel Angelo“
geworden ist, oder Genelli, der „nicht ganz ohne Fähigkeiten,
aber zu sehr davon eingenommen ist.“ Vielfach ist auch von
Malern und Stechern die Rede, deren Wirken noch der Klar-
stellung durch die Kunstforschung harrt. Chodowiecki schreibt
aus der Vollnatur eines absolut ausgeglichenen, wahrhafiigen
Mannes und Künstlers. Er ist naiürlich und treffsicher im Aus-
druck und voll gesunden Humors. Geist besitzt er genug, um,
wie es die Gelegenheit fordert, das Wesen der Musen und Grazien
in der Mark anzunehmen oder fernzuhalten. Frau Doktor
Charlotte Steinbrucker hat auch hier eine dankenswerte Arbeit
mit der ihr eigenen Spürfreudigkeit und Gründiichkeit geleistet,
und die Vereinigung wissenschaftlicher Verleger hielt die Buch-
ausstattung auf der Höhe des Stoffes.

Jarno Jessen.

*) In der 1. Auflage von A. Donaths „Psychologie des
Kunstsammelns“ (1911) wird auf diesen Briefwechsel Chodo-
wiecki-Graff hingewiesen.

Aus dct’ jvtufeumsc und Sammlet’iüett*

Bode und die Nufeumsbaukommliri'on.

In diesen Tagen tauchte plötzlich die Nachricht auf, daß
W i 1 h e 1 m von B o d e in der Museumsbaukommission kalt-
gestellt v\ ei den sollte, und kurz darauf wurde amtlich mitgeteilt.
daß der KultusministerDr. B o e 1 i t z selbst die Leitung dieser
Kommission übernommen habe, ohne daß Bode ,,ausgeschaltetu
werden sollte. Der Kultusminister will — als Folge des Streites
Bode-Hoffmann — die „neutrale Instanz“ sein, um „alle Streitig-
keiten, die der Fortführung der Museumsbauten nur hinderlich sein
könnten“ beizulegen.

Warten wir also ab, was sich aus dieser merkwürdigen Ge-
schichte entwickeln wird. Aber angenommen, daß irgendwo der
Wille bestehen sollte, Bode „auszuschalten“, wäre Bode noch
längst nicht „ausgeschaltet“. Man kann einfach mit einer Hand-
bewegung eine Persönlichkeit nicht lahmlegen, die — und das ist
unbestreitbar — die allergrößten Verdienste
um das Berliner Museumswesen hat und dem die Berliner
M u s e e n i h r e n W e 11 r u f v e r d a n k e n.

Eine andere Seite der seltsamen Angelegenheit ist, daß man
gerade in diesem Jahre 1922, da Wilhelm v o n B o d e
das Jubiläum seiner 50jährigen Zugehörigkeit
zu den Berliner Museen begeht, keine andere Sorgen zu haben
scheint, als Bode Schwierigkeiten zu bereiten. Über seine hoch-
herzige Millionenspende fiir das Asiatische Museuin in Dahlem
hat man in der Öffentlichkeit noch keine Klarheit. Daß sie vom
Minister abgelehnt worden ist, scheint ja nicht richtig zu sein.
Aber fiir w e 1 c h e n künstlerischen Zweck soll denn die Bode-
Stiftung verwendet werden?

But? Tboma-Ausstßtlung tn dev Beclmet?
JHationa(ga(eüte.

Es ist sehr verdienstlich, daß Ludwig Justi kurz nach
Schluß der Lesser Ury-Ausste!Iung, die von der Berliner Secession
für ihr Ehrenmitglied Ury veranstaltet worden ist, nunmehr für
das andere ältere Ehrenmitglied der Secession, fürHansThoma
eine große Ausstellung in der Nationalgalerie schuf. Die Aus-
stellung ist — dies sei gleich betont — bedeutend, wenn auch
die Auswahl gerade der frühesten Thoma-Bilder nicht besonders
glücklich scheint. Aber das ist Nebensache; Thoma hat ja längst
seinen Ehrenplatz in der deutschen Kunst und Kunstgeschichte.

Was jedoch an dieser Veranstaltung verstimmend wirkt, ist
der Justische Katalog. Denn Thoma, diesen großen Maler und
tiefsinnigen Poeten, mit den Expressionistenin Verbindung
zu bringen, ist ein Unding. Justi spielt auf den „seelischen
Gehalt“ und den „Rhythmus“ des Bildaufbaues an, indem er
des Meisters Worte über die „Gegenständlichkeit“ und „bilder-
reiche Phantasie“ wiedergibt, aber er möchte sich doch sofort
wieder salvieren, indem er bemerkt, daß er „nicht etwa“ Ihoma
zum „Vater des Expressionismus“ ernennen wolle, „er selbst
würde sich wohl dagegen verwahren, und die jüngeren Künstler
denken nicht daran. Aber sie stehen seiner Malerei“, meint der
Direktor der Nationalgalerie, „mit freierem Blick gegenüber als
die v o r h e r g e h e n d e Schicht, und so sehen sie mit Be-
wunderung und Liebe alle die Köstlichkeiten in seinem Werk,
Köstlichkeiten der Durchlebtheit und der Form.“

Justi muß das natürlich wissen, denn er steht geiade den
jüngeren Künstlern mit so erstaunlicher Milde gegenüber, daß er
manehmal schon Pinseleien in sein Kronorinzenpalais gehängt
hat, die kaum hinausgehen über schamhafte Atelier-Versuche.
Als’o kurz und gut: Thoma hat mit solchen Dingen nicht das
geringste zu tun.

Die Ausstellung selbst ist, wie wir schon sagten, bedeutend»
und Geheimrat Justi darf sich mit Recht bei den deutschen
Museen und Privatsammlern dafür bedanken, daß sie viele in
Berlin wenig bekannte Werke des Meisters aus den Jahren 18o8
bis 1918 geliehen haben. Es ist eine Freude, hier die poesie-
frohen Landschaften wiederzusehen, in denen der Natur- und

325
 
Annotationen