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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 3./​4.1921/​22

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2. Januarheft
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Frankurter Kunstbericht / Wiener Kunstbrief / "Zimmer Sechzehn" der Wallace-Kollektion / Kunstausstellungen / 194800000 Kronen für die Sammlung Strauß / Kunstauktionen / Berühmte Bücher und Handschriften in London / Woldemar von Seidlitz / Der gestohlene Inssbrucker van Dyck gefunden / Schweden und die Deutsche Gewerbeschau / Numismatik / Werbung
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https://doi.org/10.11588/diglit.21786#0277

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des Leipziger „Völkerschlachtdenkmals“ erwarten mögen, keine
überdimensionalen ins Plastische übertragenen Visionen, nur Ar-
beiten kleineren Formates, welche zum Teil voll ausgereifte Ge-
danken, zum Teil größere Studien und erste Entwürfe enthalten.

In jedem einzelnen der in freier Phantasie zu geschlossener
Einheit emporgereiften Marmorwerke, in jedem edelgeformten und
straff gespannten Bronzekörper, in all den in kühnem Wurf ent-
standenen Tonfiguren oder auch nur mit Kohle oder Kreide leicht
hinskizzierten Zeichnungen, Iebt und waltet ein strenger, in un-
entwegtem inr.eren Ringen entwickelter kunstschöpferischer Wille.
Wir werden mit einer starken und eigenartigen, zum Teile ein
wenig überreifen bildnerischen Formsprache vertraut, deren
Wurzeln in die Stilarten alter und neuer Kunst hineingreifen und
deren Ausklang sich dem unruhig tastenden Kunstempfinden
unserer Tage gar sinnfällig verbindet.

Die „Träumerin“, die an eine der sitzenden Buddhagestalten
Indiens erinnert, die „singende Bäuerin“, die aus den Landen
Breughel’s und Ostade’s herzustammen scheint, die . Madonna mit
dem Jesukind“, deren schmerzlich verinnerlichte Mütterlichkeit
auf die Gefühlswelt der Gotik hinweist, der zum Sprunge aus-
holende „Knabe“, der von Minne beeinflußt ist, der personifizierte
„Schmerz“, in welchem sich der Expressionismus von heute
spiegelt — welch eine Fülle von Eindrücken, welch ein Reichtum
von Ausdrucksfähigkeit! Ein nicht minderes Interesse erwecken
ferner zahlreiche zeichnerische Entwürfe Metzner’s, die aber schon
aus den Metzner-Ausstellungen in Berlin usw. bekannt sind.

Das für Wien bestimmte Kunstwerk, dessen Errichtung der
Wiener Schriftstellerverein „Concordia“ zur Feier seines fünfzig-
jährigen Jubiläums beschlossen hat, hinterläßt selbst in seiner
skizzenhaften Anordnung, dank dem völligen Mangel konventioneller
Details und dank der vornehmen Geschlossenheit seiner Gesamt-
wirkung einen überaus fesselnden Eindruck. Auf einer Rotonda,
die von zahlreichen allegorischen Figuren getragen wird, erhebt
sich die von männlicher Kraft und jugendlich sprühendem Schwung
erfüllte Gestalt G. E. Lessing’s, mehr ein Standbild des kritischen
Feuergeistes und kampfgeübten Wahrheitssuchers, denn ein Rildnis
des Dichters. Und um die gesamte Erscheinung breitet sich ein
Hauch rokokohafter Anmut und Grazie, der sich allmählich auch
dem Beschauer mitteilt und ihn für einen Augenblick wenigstens
in den Bannkreis des „Laokoon“ und der „Hamburgischen Drama-
turgie“ zu versetzen verrnag. Möge dieses Monument, von dem
wir hoffen wollen, daß es in nicht allzu ferner Zeit in der ver-
längerten Wollzeile in Wien zur Aufstellung gelangt, den Nachruhm
des auf der Höhe seines Lebens so jäh dahingerafften Künstlers
steigern, und für unser armes Wien das Symbol eines reinen
kulturellen Aufschwunges bedeuten!

Leo Grünstein.

„^immzv Sed)£cbn“
det? IDaüaee^KoUektton.

„Zimrner Sechzehn“, die größte Sehenswürdigkeit der Lon-
doner Wallace-Kollektion, war auch der letzte Raum, der seit dem
Kriege in diesem Museum wiedereröffnet wurde, denn erst im
Dezember durfte das Publikum sich an seinen Kostbarkeiten er-
götzen. Die Gallerie im ersten Stock, als „Zimmer Sechzehn“
bekannt, hat eine gänzliche Neugestaltung erfahren; über vierzig
Bilder sind ausgemerzt und in andere Räume verbannt worden,
sodaß jetzt insgesamt sechzig Werke dort hängen. Unter den
Verbannten befinden sich Ostade, Wouverman, Hondecoelter, beide
Van de Veldes, Ruisdael, Lawrence und Romney. Letzterer hing,
ebenso wie Reynolds, mtt seiner „Perdita“ dort, die aber vor
Gainsborough’s Werk verblassten. Dagegen triit Frankreich mit
Watteau’s „Fete“ und „Rendezvous“, Lorraine’s „Italienische Land-
schaft“ und de Champaigne’s Porträt d’Andilly’s hier zunr ersten-
mal auf. Neu sind auch Jordaen’s „Herbstrcichtümer“ und Sal-
vator Rosa’s „Apollo und die Sybille“. Tizian’s berühmtes
Gemälde „Perseus und Andromeda“, das von einem früheren
Museumsdirektor in einem Badezimmer aufgefunden wurde, ha^
einen Ehrenplatz, ebenso wie Gainsborough’s „Perdita“ und

Reynold’s Kinderporträt der kleinen Miß Bowles. Andere Herr-
lichkeiten sind Veiasquez’ „Dame mit dem Fächer“, Hals’
Lachender Kavalier“, van Dyck’s „Phiüppe le Roy“, Rembrandt’s
„Erbarmungloser Diener“, Jan Steen’s „Weihnachtsessen“, das
hier zum erstenmal erscheint, Rembrandt’s „Sohn Titus“, Rubens’
berühmte„Regenbogenlandschaft“, Velasquez’ „Infantin Margareta“,
Rubens’ „Heilige Familie“ und „Der gekreuzigte Heiland“, Hoogh’s
„Frau mit Knaben“, Reynolds’ „Nelly O’Brien“, Gainsborough’s
„Mrs. Haverfield'1 — wer kann sie alle zählen! Jedenfalls daif
sich die Verwaltung mit Recht rühmen, daß keine private oder
öffentliche Sammlung sich an Auswahl mit „Zimmer Sechzehn“
im Hertford-House messen kann. bl.

Kunftausfteüungeru

Beütln.

Im Kunslsalon Gurlitt sieht man Bilder, Aquarelle und
Zeichnungen von Lovis C o r i n t h. Von den 35 Bildern, deren
Reihe mit denr prächtigen weiblichen Halbakt von 1886 beginnt,
stammen 20 aus den letzten zwei Jahren: zumeist Studien vom
Walchensee und Stilleben. Es ist erstaunlich, mit wdcher
Jugendlichkeit der Meister die Natur packt und wie kostbar er
die Farbenspiele seiner Walchensee-Landschaft wiedergibt. Auch
in den Stilleben spürt man die ungebrochene Kraft seiner
Maler-1ndividualität. Das Bildnis „Der Maler“ von 1921 scheint
uns nicht blos eine hochinteressante, sondern auch künstleiisch
stärkste Probe Corinthscher Bildnismalerei. Diese Bilder sind
uns wohl die liebsten in dieser Ausstellung, und man darf sich
freuen, daß Lovis Corinth, der ja schließlich nicht mehr einer von
den jüngsten ist — 64 Jahre sind immerhin 64 Jahre — und
trotz seiner leidenden Hand die imponierende Elastizität aufbringt,
immer aufs Neue den Kampf um die Kunst aufzunehmen. Wie
sehr ihm das glückt, bekunden am besten die luft- und farben-

gesättigten Ausschnitte vom Walchensee. D.

*

Bei Carl Nicolai wird am 1. Februar eine Ausstellung
der Bilder von Max Neumann eröffnet.

*

Amsler und Ruthardt stellen im Februar das gra-
phische Werk von Ferdinand S t a e g e r - München aus.

*

In Caspers’s Kunstsalon: Eröffnung der Kollektiv Aus-
stellung Henryk G o 11 i b-Krakau. Ferner zeichnende Künste:
Kollektionen von Corinth, Liebermann, Ohmert, Orlik, Paeschke,
Schenke und vielen anderen.

*

Ein Beardsleyzimmer (aus Privatbesitz) mit Möbeln,
Büchern und einer größeren Kollektion von Original-Schwarz-
Weiß-Zeichnungen des Künstlers ist für kurze Zeit bei F r i e d -

mann und Weber ausgestellt.

*

Bis Mitte Februar werden im Graphischen Kabinett
I. B. Neumann Gemälde und Zeichnungen des Malers Arthur
R u d o 1 p h gezeigt.

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THANNHAUSER

Theatinerstr. 7 Telefon 27 601

MÜNCHEN

Grße deutjcfie und ausfändifcße ßTieißer. — TUte GJteißer
Cfravßjfcßes iKabinett

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