Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen
— 3./4.1921/22
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https://doi.org/10.11588/diglit.21786#0050
DOI issue:
2. Septemberheft
DOI article:Collin, Ernst: Deutsche Einbandkunst: die Ausstellung des Jakob Krauße-Bundes
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Abb. 1
als buchbinderische Verzierung seine ureigenste Note
trägt. Wie er Buchstaben mit dem Ornament verwachsen
läßt, ein kitschiges Bild so in das Ornament hereinfügt,
daß es fast selbt schön erscheint, bleiben die Einbände
dieses Meisters für alle Zeiten vorbildlich.
Das Vorbildliche klassischer Bucheinbände — vor-
bildlich heißt durchaus nicht, daß es nachgeahmt werden
muß — sehen wir auch an den verständnisvoll alten
Einbänden aus derPreußischen Staatsbibliothek
Berlin. Auch die vormals Königliche Haus-
b i b 1 i ot h e k, bringt gute Beispiele klassischerBindekunst.
Aber wenn wir die alten herrlichen Bucheinbände
französischer Bücherfreunde mit den zwar geschmackvoll,
aber sparsam verzierten eines Friedrich des Großen oder
Friedrich Wilhelm II vergleichen, dann verstehen wir,
weshalb sich die französischeBuchbinderei soviel blühender
entwickeln konnte als die deutsche, und wie schwer die
unsrige es in diesem Jahrhundert haben mußte, als sie
den Anspruch erhob, ihrer berühmten Schwester eben-
bürtig zu sein. Bezeichnend ist es auch, das wohl alle
die prächtigen Einbände der Hausbibliothek ihr Entstehen
nicht dem Auftrag ihrer Besitzer, sondern dem Huldigungs-
bedürfnis Anderer verdanken.
Wenn wir die Zahl und die Namen der Bücherfreunde
betrachten, die den Mitgliedern des Krauße-Bundes Auf-
träge geben und die Einbände aus ihren Büchereien der
Ausstellung zur Verfügung gestellt haben, dann dürfen
wir sagen, daß die deutsche Kunstbuchbinderei den Kampf
um die Geltung im eigenen Lande siegreich bestanden
hat. So sehr man aber die wachsende Menge der deut-
schen Bücherfreunde begrüßt, so wenig darf man es unter-
schlagen, daß die geschmacklichen Neigungen mancher
Einbandmäzene manchmal recht absonderliche, nach der
illustrativen Seite hin sind. Wenn man die sonstigen
Einbände der Ausstellung betrachtet, so sieht man, daß
die Krauße-Bündler es im allgemeinen sehr gut verstehen,
die geistige Beziehung zwischen dem Buchinhalt und dem
Einband ornamental auszudrücken. Das Schöpferische
bei einer Einbandverzierung kann nur darin liegen, daß
die Handwerkszeuge der Verzierung zu einem Schmuck
zusammengefügt werden, der eine Gedankenbrücke mit
dem Buch schafft; daß dies auch durch die Farben der
Verzierung, ja allein durch die Farbe des Leders zu er-
reichen ist, wird man ohne weiteres verstehen. Aber
genau so wie ich vom Titel eines Buches nicht verlangen
kann, daß dieser mir den Buchinhalt erschöpfend wieder-
gibt, und da zudem die Aufgabe des Titels nur darin
besteht, zum Lesen des Buches anzureizen, — genau so
wenig soll ein Bucheinband alles das wiedergeben, was
auf den Inhalt des Buches bezüglich, dessen ganzes
Wesen zum Ausdruck bringt. Und es nimmt auch schon
ungebührlich etwas vom Inhalt des Buches vorweg, wenn
der Einband mit einer Illustration bedeckt ist, die aus
dem Buchinnern stammt. Wenn nun gar diese Illustration,
die im Buche in irgendeiner Vervielfältigungstechnik her-
gestellt ist, sagen wir in Holzschnitt, mühsam und zeit-
raubend in die buchbinderische Verzierungsart übersetzt
werden muß, dann bedeutet das eine Vergewaltigung der
Technik, und es würdigt den Kunsthandwerker zu einem
technischen Jongleur herab.
Die französische Einbindekunst des 19. Jahrhunderts
ist deshalb von ihrer Höhe herabgestürzt, weil sie sich
in wahren Ausschweifungen im illustrierenden Bucheinband
durch technische Spielereien gefiel. Meier-Graefe schrieb
einmal die treffenden Worte: „Der französische Einband
wurde eine Ergänzung der französischen Bilderillustration,
die aus dem Buch eine Sammlung von Gravüren, aber
kein gewerbliches Ensemble macht; wenn schon eine
literarische Kunst bedenkliche Schwächen enthält, ein
literarisches Gewerbe ist monströs von Grund aus“. Solche
literarischen Bucheinbände lieben leider gerade diejenigen
Abb. 4
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Abb. 1
als buchbinderische Verzierung seine ureigenste Note
trägt. Wie er Buchstaben mit dem Ornament verwachsen
läßt, ein kitschiges Bild so in das Ornament hereinfügt,
daß es fast selbt schön erscheint, bleiben die Einbände
dieses Meisters für alle Zeiten vorbildlich.
Das Vorbildliche klassischer Bucheinbände — vor-
bildlich heißt durchaus nicht, daß es nachgeahmt werden
muß — sehen wir auch an den verständnisvoll alten
Einbänden aus derPreußischen Staatsbibliothek
Berlin. Auch die vormals Königliche Haus-
b i b 1 i ot h e k, bringt gute Beispiele klassischerBindekunst.
Aber wenn wir die alten herrlichen Bucheinbände
französischer Bücherfreunde mit den zwar geschmackvoll,
aber sparsam verzierten eines Friedrich des Großen oder
Friedrich Wilhelm II vergleichen, dann verstehen wir,
weshalb sich die französischeBuchbinderei soviel blühender
entwickeln konnte als die deutsche, und wie schwer die
unsrige es in diesem Jahrhundert haben mußte, als sie
den Anspruch erhob, ihrer berühmten Schwester eben-
bürtig zu sein. Bezeichnend ist es auch, das wohl alle
die prächtigen Einbände der Hausbibliothek ihr Entstehen
nicht dem Auftrag ihrer Besitzer, sondern dem Huldigungs-
bedürfnis Anderer verdanken.
Wenn wir die Zahl und die Namen der Bücherfreunde
betrachten, die den Mitgliedern des Krauße-Bundes Auf-
träge geben und die Einbände aus ihren Büchereien der
Ausstellung zur Verfügung gestellt haben, dann dürfen
wir sagen, daß die deutsche Kunstbuchbinderei den Kampf
um die Geltung im eigenen Lande siegreich bestanden
hat. So sehr man aber die wachsende Menge der deut-
schen Bücherfreunde begrüßt, so wenig darf man es unter-
schlagen, daß die geschmacklichen Neigungen mancher
Einbandmäzene manchmal recht absonderliche, nach der
illustrativen Seite hin sind. Wenn man die sonstigen
Einbände der Ausstellung betrachtet, so sieht man, daß
die Krauße-Bündler es im allgemeinen sehr gut verstehen,
die geistige Beziehung zwischen dem Buchinhalt und dem
Einband ornamental auszudrücken. Das Schöpferische
bei einer Einbandverzierung kann nur darin liegen, daß
die Handwerkszeuge der Verzierung zu einem Schmuck
zusammengefügt werden, der eine Gedankenbrücke mit
dem Buch schafft; daß dies auch durch die Farben der
Verzierung, ja allein durch die Farbe des Leders zu er-
reichen ist, wird man ohne weiteres verstehen. Aber
genau so wie ich vom Titel eines Buches nicht verlangen
kann, daß dieser mir den Buchinhalt erschöpfend wieder-
gibt, und da zudem die Aufgabe des Titels nur darin
besteht, zum Lesen des Buches anzureizen, — genau so
wenig soll ein Bucheinband alles das wiedergeben, was
auf den Inhalt des Buches bezüglich, dessen ganzes
Wesen zum Ausdruck bringt. Und es nimmt auch schon
ungebührlich etwas vom Inhalt des Buches vorweg, wenn
der Einband mit einer Illustration bedeckt ist, die aus
dem Buchinnern stammt. Wenn nun gar diese Illustration,
die im Buche in irgendeiner Vervielfältigungstechnik her-
gestellt ist, sagen wir in Holzschnitt, mühsam und zeit-
raubend in die buchbinderische Verzierungsart übersetzt
werden muß, dann bedeutet das eine Vergewaltigung der
Technik, und es würdigt den Kunsthandwerker zu einem
technischen Jongleur herab.
Die französische Einbindekunst des 19. Jahrhunderts
ist deshalb von ihrer Höhe herabgestürzt, weil sie sich
in wahren Ausschweifungen im illustrierenden Bucheinband
durch technische Spielereien gefiel. Meier-Graefe schrieb
einmal die treffenden Worte: „Der französische Einband
wurde eine Ergänzung der französischen Bilderillustration,
die aus dem Buch eine Sammlung von Gravüren, aber
kein gewerbliches Ensemble macht; wenn schon eine
literarische Kunst bedenkliche Schwächen enthält, ein
literarisches Gewerbe ist monströs von Grund aus“. Solche
literarischen Bucheinbände lieben leider gerade diejenigen
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